Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk

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Tauziehen am Myrtenkranz - Wilma Burk

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Tabak? Eigentlich dachte ich, Konrad könnte jetzt nur noch Augen für mich haben und nicht von meiner Seite weichen. Dabei begann ich schon zu befürchten, sie würden noch in den Hof gehen, um das Stückchen Erde mit den jungen Pflanzen zu begutachten. Ungeduldig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her. Mama sah es. Sie rettete wieder einmal die Situation, indem sie Konrad nach seiner Firma fragte, bei der er arbeitete.

      Als Konrad ging, begleitete ich ihn ein Stück die Straße entlang. Ein Weilchen noch hatte ich ihn allein für mich. Fest hakte ich mich bei ihm ein, als würde ich ihn nun besitzen. Ein Glücksgefühl erfüllte mich. Ich meinte, jeder Vorübergehende müsste es erkennen: Ich war verlobt!

      *

      Diesen Eintritt Konrads in unsere Familie konnte man als gelungen bezeichnen. Doch mit diesem kleinen Kreis hatte er noch nicht alle erobert. Es gab zwei „Käuze“ in der weiteren Familie. So nannte sie Bruno. Doch durften weder Mama noch Papa das hören, denn Mama wollte keineswegs von ihrer Schwester Emmy lassen, noch Papa von seinem Bruder Anton.

      Tante Emmy war in jungen Jahren verheiratet gewesen. Dunkel erinnere ich mich an einen Onkel Emil, von dem sie sich jedoch scheiden ließ. Danach war sie im Laufe der Jahre verbittert geworden. Männern und Ehe stand sie fast feindlich gegenüber. Sie war Lehrerin und leitete inzwischen als Direktorin eine Schule. Sie ging ganz auf in ihrer Arbeit und bildete sich auf ihren Erfolg viel ein.

      Onkel Anton hatte verstanden, sich im Krieg den richtigen Posten beim Militär zu beschaffen. Als gelernter Hotelkoch war ihm das nicht schwer gefallen. So hatte er in all den Jahren in der Militärküche seine beleibte Figur beibehalten. Auch jetzt noch, als Koch in der Kantine eines großen Werkes tätig, war er nicht viel schlanker geworden. Onkel Anton war die größte Hoffnung Mamas neben Tante Luise vom Lande, was die Tafel der Hochzeitsfeier betraf.

      Tante Emmy und Onkel Anton standen zueinander wie Hund und Katze. Tante Emmy pflegte von ihm zu sagen: „Wenn ihr wissen wollt, wie die Männer sind, gewissenlos und egoistisch, dann seht euch Anton an. Der neue Fuchskragen seiner so genannten Haushälterin spricht doch Bände. Oder glaubt ihr tatsächlich, sie sei nur das?“

      Niemand zweifelte an der Beziehung Onkel Antons zu seiner Haushälterin. Doch außer Tante Emmy sprach niemand mehr darüber. Einmal hatten Mama und Papa ihn gefragt, warum er sie nicht heiratet. Da hatte Onkel Anton gelacht und gemeint: „Heiraten, mit Ring und so, das ist ungemütlich. Das hat so viele Pflichten und so wenig Liebe.“ So ergab es sich, dass die Haushälterin auch in die Familie eingeladen wurde. Nur gelegentlich fragte noch einer hinter vorgehaltener Hand, wie sich diese Person nicht schämen könne?

      Onkel Anton bezeichnete Tante Emmy stets als typische alte Jungfer. „Wenn man nicht wüsste, dass sie einmal verheiratet war“, setzte er jedoch augenzwinkernd hinzu. Im Männerkreis konnte man ihn vieldeutig flüstern hören: „Armer Emil, der wäre ich auch davongerannt.“

      Welche Reaktion auf unsere Verlobung und baldige Hochzeit war von diesen beiden zu erwarten?

      Onkel Anton lachte, schlug sich auf seine fetten Schenkel und rief: „Wieder ein Unglücklicher ins Netz gegangen!“

      Beinahe hätte ich mich darüber geärgert. Aber Onkel Anton nahm man seine Worte nicht so leicht übel. Meistens zwinkerte er dabei mit einem Auge, so dass man nie genau wusste, ob er es scherzhaft oder ernst meinte.

      Wie anders dagegen Tante Emmy. „Sssst!“, schnalzte sie ungehalten mit der Zunge. „Wie kann man nach so kurzer Zeit schon heiraten. Das wird ein Jammern geben, wenn ihr merkt, dass ihr nicht zusammenpasst.“ Nie fand sich auch nur eine Spur von Humor in ihren Worten, beinahe bissig stieß sie die heraus. Wir Kinder waren ihr gern aus dem Weg gegangen.

      Nur Mama hatte Nachsicht mit ihr. „Das müsst ihr verstehen, das Leben hat es eben nicht gut mit ihr gemeint“, verteidigte sie ihre Schwester.

       *

      Was konnte mich das alles verdrießen. Die nächsten Wochen waren für mich voller Erwartung und Seligkeit. Traudel wurde nicht müde, mich forschend anzusehen und zu fragen: „Wie fühlt man sich als Braut?“

      Konrad gab bald meinem Betteln nach und war einverstanden mit einer Hochzeit mit Kranz, Schleier und Kirche. „Wenn dir so viel daran liegt“, sagte er. Ich spürte, er wollte mir eine Freude machen.

      Damit begannen die umfangreichen Vorbereitungen zur Hochzeit. Mama stellte lange Listen all dessen zusammen, von dem sie meinte, dass es zur Feier unverzichtbar sei. Sie bombardierte Onkel Anton mit ihren Wünschen. Lachend hielt er sich schon die Ohren zu. Doch was tat er nicht gern für seine Schwägerin. Es war schon vorgekommen, dass er in besonders vergnügter Stimmung zu ihr gesagt hatte: „Du wärst die Einzige gewesen, die mich zur Ehe hätte bekehren können.“ Doch er zwinkerte mit einem Auge dabei.

      Konrad und ich machten uns auf den Weg zum Standesamt, um das Aufgebot zu bestellen. Die vorgeschriebene Wartezeit danach reichte gerade aus bis zu dem Termin, an dem wir heiraten wollten. Mit klopfendem Herzen ging ich neben ihm auf das alte Rathaus aus roten Backsteinen zu. Wir suchten hier das Standesamt vergebens. Auch das Rathaus war so vom Krieg beschädigt, dass nur noch wenige Räume genutzt werden konnten. In einem grauen unansehnlichen Anbau war es behelfsmäßig untergebracht. Ein kleiner hagerer Mann mit schneeweißem Haar nahm unsere Anmeldung entgegen. Er war sicher so alt, dass er eigentlich pensioniert sein müsste. Er musterte uns kurz durch seine dicke Brille, kontrollierte sorgfältig unsere Papiere und entließ uns wieder mit einem Kopfnicken.

      „Das war aber ziemlich ernüchternd“, sagte ich, als wir wieder draußen waren.

      „Was hast du erwartet?“, fragte Konrad. „Wir heiraten doch erst später.“

      Hatte ich wirklich erwartet, alles, was jetzt mit unserer Heirat zusammenhängt, könne nur noch feierlich sein? Nicht einmal der Pfarrer brachte das fertig. In einem unscheinbaren dunklen Raum neben der gewaltigen Kirche, die zum Glück vom Krieg verschont geblieben war, empfing er uns. Ich saß auf der Stuhlkante und hielt mich an Konrad fest, als der Pfarrer begann uns mahnend zu predigen, wir würden nun mit der Eheschließung füreinander Verantwortung übernehmen und sollten sie in gegenseitiger Treue und Achtung führen, im Sinne Gottes. Von Gott sprach er in jedem Satz, er war eben ein Pfarrer.

      Wir waren Protestanten. Bei uns Zuhause wurde nicht viel von Gott gesprochen, aber er war immer irgendwie gegenwärtig. Man ging zur Taufe, zur Einsegnung, zur Hochzeit in die Kirche, sonst kaum. Zur Beerdigung, da holte man auch noch einmal einen Pfarrer. Mama sagte stets: „Wenn du Gott im Herzen hast, so musst du ihn nicht auf der Zunge tragen.“

      Dann ging es daran zu überlegen, wer alles zur Hochzeitsfeier eingeladen werden sollte. Da gab es Tanten und Onkel, Cousinen und Cousins, die man nur selten sah. Doch zum Fest gehörten sie dazu, natürlich auch meine Freundin Brigitte.

      „Wen willst du einladen?“, fragte ich Konrad.

      „Ich weiß niemanden“, antwortete er. Doch dann verbesserte er sich: „Natürlich meine Wirtin.“

      Ich wollte es kaum glauben, Konrad hatte niemand, weder in den Westsektoren, noch im Ostsektor von Berlin, auch nicht in der Ostzone. Nur seine Wirtin, in deren Wohnung er ein möbliertes Zimmer gemietet hatte, wollte er dabei haben.

      Wir hatten beschlossen zu heiraten, aber wir wussten wirklich wenig voneinander. Auf meine Frage, ob es denn nicht irgendwo noch Verwandte geben würde, erklärte er: „Doch, im Allgäu, in Bayern lebt noch eine Großmutter und eine Tante von mir mit ihrer Familie. Das sind Mutter und Schwester meiner Mutter. Ich habe sie nur einmal in meinem Leben gesehen, als ich noch sehr klein war. Wir hatten nur wenig Kontakt

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