Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk

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Tauziehen am Myrtenkranz - Wilma Burk

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jedoch dachte anders. „Nun gut, Papa, du hast studiert und bist Ingenieur“, lehnte er sich auf. „Muss ich deshalb mindestens ein Doktor werden? Ich sehe das nicht ein. Ich habe die Schule satt. Meinem Freund und mir bietet sich jetzt die Gelegenheit, eine Lehre zum Elektromonteur anzufangen. Da kann ich bereits Geld verdienen, wenn es auch wenig ist. Bald geht der Wiederaufbau der Stadt los. Dann ist dieser Beruf bestimmt gefragt.“

      „Junge, überlege dir das gut! Was du jetzt versäumst, kannst du in deinem ganzen Leben nicht mehr nachholen.“ Eindringlich redete Papa auf ihn ein.

      Bruno aber war nicht mehr umzustimmen. Bestärkt von seinem Freund, erzwang er sich das Einverständnis von Papa. Der bemühte sich danach, nicht zu zeigen, wie traurig er darüber war.

      Doch Bruno strahlte vor Freude. „Schau, Papa, ist es nicht ein Glück, dass ich diese Lehrstelle bekommen habe, bei der Arbeitslosigkeit zu dieser Zeit?“, versuchte er ihn nachträglich zu überzeugen. „Wer weiß, wie das in ein paar Jahren aussieht. Mir kann das dann egal sein. Ich habe dann meinen Beruf.“

      So war der Tag gekommen, an dem Bruno mit einem lauten „Hurra!“ seine Schultasche in die Ecke warf. Mama hatte besorgt zu Papa gesehen. Auch ihr wäre es lieber gewesen, wenn Bruno sein Abitur gemacht hätte.

      Wie jeden Morgen ließ er auch heute die Tür hinter sich geräuschvoll ins Schloss fallen, als er ging. Mama seufzte, dass sich der Junge wieder nicht hingesetzt und gefrühstückt hatte. Mit einer Scheibe Brot in der Hand war er eilig die Treppe hinuntergestürmt.

      Anders dagegen war es bei Papa. Während Mama in der Küche am Tisch weiter das Frühstück für Traudel und mich zurechtmachte, saß er gemütlich daneben. Auf dem großen Kachelherd in der Ecke der Küche hatte Mama immer eine große tönerne Kanne Malzkaffee warm gestellt. Zum Frühstück gehörten für Papa eine Tasse davon, frisch gebrüht, und die Neuigkeit der Zeitung. Da sprach Mama ihn auch nicht an. Manchmal machte er sich empört Luft über das, was er las. Dann tat Mama erstaunt oder nickte verständnisvoll. Hatte er schließlich die Zeitung zusammengefaltet, so schlurfte er leise mit seinen Filzpantoffeln in den Flur, zog sich die Straßenschuhe an, gab Mama, die wartend an der Wohnungstür stand, einen liebevollen Kuss und ging pünktlich zehn Minuten vor sieben Uhr zur Arbeit.

      Dann wurde es Zeit für mich. Als ich an diesem Morgen in die Küche kam, sah ich erfreut, Mama legte mir eine hauchdünne Scheibe Schinken auf mein Frühstücksbrot. Der Schinken war noch von meiner Hamsterfahrt zu Tante Luise her. Ich dachte daran, dass sie noch vor kurzer Zeit oft falsche Leberwurst darauf gestrichen hatte. Das war ein Gemisch aus Mehl, Zwiebeln und Majoran, was wir nicht sehr mochten. Doch sagten wir ihr das, dann konnte Mama traurig erwidern: „Ja meint ihr, ich gäbe euch nicht auch lieber etwas anderes mit?“

      Einige Wochen war es bereits her, dass ich mit essbaren Schätzen von Tante Luise nach Hause gekommen war. Genauso lange kannte ich jetzt Konrad. Ich fieberte jeder Verabredung mit ihm entgegen. Ich schmiegte mich inzwischen an ihn, wenn er mich zärtlich in den Arm nahm und küsste. Eigentlich müsste ich jetzt Mama von ihm erzählen. Auch an diesem Morgen überlegte ich das. Doch ich schob es auf, bis zur Mittagszeit, bis ich von der Arbeit wieder nach Hause kam.

      Obwohl sonnabends nur wenige Stunden gearbeitet wurde, verging mir die Zeit an diesem Tag viel zu langsam. Ungeduldig sah ich auf die Uhr.

      „Na, du kannst es wohl nicht erwarten?“, neckte mich Brigitte und musterte mich neidisch, wie mir schien.

      Ich lachte, packte mittags schnell meine Sachen zusammen und lief zur Tür.

      „Da brauche ich dich wohl nicht zu fragen, ob du heute Zeit für mich hast?“, rief sie mir nach. „Oder habe ich vergessen, dass wir uns heute treffen?“

      „Natürlich treffen wir uns wieder, wie immer in letzter Zeit. Das weißt du doch!“, antwortete ich vieldeutig.

      „Ach, ja!“, antwortete sie. „Habe es schon verstanden.“ Sie wusste, dass sie meine Ausrede war, wenn ich mich mit Konrad traf.

      Die Köpfe von Monika und Waltraud flogen herum. Sie spürten, da war etwas Geheimnisvolles. Fräulein Krause sah prüfend auf die Uhr, ob ich auch nicht eine Minute zu früh das Büro verließ. Ich atmete auf, sobald ich draußen war.

      Als ich mich unserem Haus näherte, ging meine Schwester Traudel vor mir her. Ihre roten Zöpfe hingen ihr weit über die Schulter. Unter dem Arm trug sie ihren Schulranzen. Sie band ihn sich nie mehr auf den Rücken. „Das machen doch nur Babys“, konnte sie mit der Herablassung ihrer zwölf Jahre sagen. Sie bettelte seit Langem um eine richtige große Aktentasche. Doch Papa meinte, der Ranzen sei wenigstens aus Leder, dagegen sei eine Aktentasche, wie man sie heute kaufen könnte - wenn überhaupt - nur aus Ersatzmaterial. Das wäre viel zu teuer und würde der Behandlung durch Traudel sicher nicht lange standhalten. Traudel gab dann ihrem Ranzen heimlich einen herzhaften Fußtritt und murrte: „Ich pfeif was auf Leder!“ Aber der Ranzen aus Leder ging eben trotz der Fußtritte nicht entzwei.

      Kurz vor der Haustür holte ich Traudel ein. Zu ihrem Missfallen hielt ich sie an ihren Zöpfen fest.

      Unser Haus in dieser Straße sah aus wie alle anderen hier, die den Krieg überstanden hatten. Es war teilweise beschädigt und die Klingeln an der Haustür funktionierten nicht mehr. Es gehörte zu einer Siedlung, die man damals modern nannte, mit glattem Putz und vielen Balkons. Das waren keine Altberliner Häuser mit hohen Fenstern und Stuckaturen. Früher quollen hier die Balkonkästen über von Sommerblumen und machten neben den herrlichen Rotdornbäumen am Straßenrand die Gegend freundlich. Wenn sie blühten, hatte das sonntags viele Spaziergänger aus der Innenstadt angezogen.

      Die Räume in diesen Häusern waren nicht so hoch wie in einem Altberliner Haus, die Wohnungen nicht so groß. Trotzdem hatte ich hier ein eigenes Zimmer. Es war klein. Gerade ein Schrank, ein Bett, ein Tisch und ein Stuhl hatten Platz darin. Aber es war mein Reich. Als wir vor Beginn des Krieges hier einzogen, hatte Bruno gemault und gemeint, ihm, als einzigem Jungen, stünde das Zimmer zu. Doch Papa hatte mit einer Handbewegung seine Einwände beiseite geschoben, „Katrina ist die Älteste“, bestimmte er. So bekam Bruno sein Bett auf der Couch im Wohnzimmer jeden Abend zurechtgemacht und Traudel schlief auf einem Sofa bei den Eltern im Schlafzimmer.

      Schon im Treppenhaus roch es nach gebratenen Zwiebeln. Wie jeden Sonnabend stand mittags dampfende Kartoffelsuppe auf unserem Tisch in der Küche, um den sich die Familie versammelte. Wie jeden Sonnabend warf Bruno flehentlich seinen Blick zur Decke und sagte: „Und jetzt ein paar Bockwürste dazu!“, ehe er nach seinem Löffel griff.

      Anfangs hatten wir darüber gelacht, doch dann mahnte Papa: „Lass den Unsinn!“ Und schließlich achteten wir kaum noch darauf. Nur Traudel nahm ihren Löffel nie auf, ehe ihr vergötterter großer Bruder nicht seinen Spruch getan hatte.

      Als sich Papa nach dem Essen zu einem Mittagsschlaf ins Schlafzimmer zurückzog, war eigentlich der Moment gekommen, Mama zu sagen, dass ich mich heute mit Konrad treffe. Doch ich konnte es nicht - noch nicht - später, nahm ich mir vor.

      Nach dem Essen half ich Mama in der Küche das Geschirr abzuwaschen. Eifrig redete ich, um damit mein schlechtes Gewissen zu verbergen. Als wir fast fertig waren, sagte ich beiläufig: „Ich treffe mich gleich mit Brigitte. Wir wollen bei dem schönen Wetter ins Grüne, an die Havel fahren.“ War ich erleichtert, dass mir die Ausrede wieder leicht über die Lippen ging - nur putzte ich wohl den Teller, den ich in der Hand hielt, besonders lange trocken.

      Mir entging nicht, wie Mama mich von der Seite her ansah. „Gut!“, sagte sie zustimmend. Doch nach einer Pause: „Ist der Teller nicht schon trocken genug?“ Und sie lächelte seltsam dabei, so dass ich vor Verlegenheit errötete und mich fast

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