Kinder erzieht man nicht so nebenbei. Wilma Burk

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Kinder erzieht man nicht so nebenbei - Wilma Burk

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warum er davon vorher nichts geschrieben hat?“, fragte sie. „Schau dir an, wie jung seine Frau ist.“

      Ich nahm die Bilder in die Hand. Wirklich, neben Bruno, inzwischen breit geworden, wirkte die Braut besonders zerbrechlich und jung. „Wie alt mag sie sein?“, fragte ich.

      „Er schreibt, sie ist zweiundzwanzig Jahre alt und heißt Mary, eine Australierin.“

      „Dann ist sie nicht zu jung. Bruno ist dreißig.“

      „Das mag sein. Doch warum hat er nie davon geschrieben, dass er heiraten will? Ich verstehe das nicht.“ Es klang fast gekränkt.

      Ich lachte und stieß sie an. „Mama, vielleicht wollte er keine guten Ratschläge haben. Die hättest du ihm doch sicher gegeben. Oder?“

      „Na ja, aber trotzdem ...“

      „Erinnere dich mal an damals, als Konrad vor unserer Verlobung von Papa eingehend nach seinem Leben befragt wurde, da hatte Bruno gesagt, das würde er nie mitmachen, wenn ein Mädchen einmal ja sage, dann sei doch alles in Ordnung. Nun, Mary hat ja gesagt. Hat er denn Mary in seinen Briefen nie erwähnt?“

      „Doch schon, aber wer denkt denn, dass er sie gleich heiraten will.“ Mama war enttäuscht, dass Bruno sie nicht gefragt hatte, obgleich er so weit weg war.

      „Nun könnte er aber mal kommen und uns seine junge Frau vorstellen“, überlegte sie fast bockig wie ein Kind.

      „Mama, jetzt müssen sie sich erst ein Zuhause einrichten. So viel wird Bruno auch nicht verdienen. Sei froh, dass es ihm gut geht, dass er nicht mehr allein ist und eine junge Frau gefunden hat. Irgendwann wird ihn auch die Sehnsucht hierher zu dir treiben“, redete ich auf sie ein.

      „Hoffentlich erlebe ich das noch. Sehnsucht scheint er nicht zu kennen.“ Mama war pikiert, fühlte sich übergangen. Doch nun wusste sie wenigstens, warum Bruno nicht kam.

      Bald sah ich das Hochzeitsbild auf ihrem Nachttisch stehen, sah, wie sie es immer wieder nachdenklich in die Hand nahm. Mich würde nicht wundern, wenn sie dabei überlegte, ob sie nicht selbst hinfahren sollte. Aber da waren ja die Kinder von Traudel. Wer sollte auf sie aufpassen? Und dass Mama sie ungern aus den Händen gab, nicht einmal Traudel gern überließ, war längst klar.

      *

      Pfingsten war vorüber, wir wieder in Berlin. Die Hochzeit von Helmut und Margot stand bevor. Margots Vater hatte nichts gegen die Heirat der beiden einzuwenden gehabt. Er schätzte Helmut als tüchtigen Mitarbeiter sehr und hatte ihn im Betrieb bereits näher zu sich herangeholt. Es war eine Zeit, in der die Firma dank des Baubooms schneller wuchs, als man es fassen konnte. Nicht mehr unbekannt und wohlhabend in West-Berlin plante der Vater eine Aufsehen erregende Hochzeit, mit Kirche, Kutsche und großer Feier. Das war er schließlich seinem Ruf schuldig, fand er.

      Als ich hörte, dass die Hochzeitsfeier in einem Saal eines vornehmen Restaurants an der Havel stattfinden sollte, den Margots Vater dazu gemietet hatte, wurde mir bange.

      „Konrad, wer wird da alles hinkommen? Passen wir überhaupt dazu?“, fragte ich besorgt.

      „Das sind auch nur Menschen, egal wie bekannt oder reich sie sind“, versuchte Konrad mich zu beruhigen.

      „Aber wir kennen niemanden außer Margot, Helmut und seine Eltern.“

      Helmut lachte, als Konrad ihm von meinen Sorgen berichtete. „Kauf dir ein schönes Kleid, und du wirst alle Frauen ausstechen“, riet er.

      Margot nahm meine Hand, als sie davon hörte und sagte: „Keine Sorge, ich bin auch noch da.“

      Doch das bezweifelte ich und antwortete: „Du bist die Braut. Wie willst du dich um uns kümmern können?“

      So gingen wir und kauften für mich das erste lange Abendkleid meines Lebens. Als ich mich damit im Spiegel sah, verlor ich meine Ängste, besonders weil mich Konrad mit dem warmen Glanz in seinen Augen betrachtete, den ich so an ihm liebte.

      Ich fühlte mich sogar großartig, als wir mit unserem VW-Käfer „Hannibal“ zur Kirche fuhren. Nichts machte es mir auf einmal aus, unser bescheidenes Auto zwischen großen protzigen Wagen zu parken.

      Von allen Seiten strömten die Gäste in Festtagskleidung herbei. Die Männer in dunklen Anzügen, meist im Smoking; die Frauen in langen berauschend schönen Abendkleidern. So manches davon musste ein Vermögen gekostet haben.

      Und daneben ich mit meinem Abendkleid von der Stange eines bekannten Bekleidungshauses. Konrad sah gut aus in seinem einfachen dunklen Anzug mit silbernfarbener Krawatte. Er erkannte wohl den Moment meiner Unsicherheit, nahm meinen Arm und führte mich, unbeeindruckt von dem sichtbaren Reichtum um uns herum, in die Kirche. Er ließ mir keine Zeit, mich fehl am Platze oder minderwertig zu fühlen.

      Das Raunen und Flüstern verstummte, als Margot und Helmut die Kirche betraten. Ganz in feierlicher Konzentration schritten sie bei dem einsetzenden Orgelklang dem Altar entgegen. Ein warmer, glücklicher Schein lag über Margots Gesicht. Ruhige Sicherheit strahlte sie aus, während sie aufrecht in ihrem Brautkleid aus kostbarer Spitze an Helmuts Arm zwischen den Bänken mit den Gästen mehr schwebte als ging. Sie war eine schöne Braut.

      „Wer führt hier eigentlich wen?“, flüsterte mir Konrad schmunzelnd zu.

      Ich war gerührt und kämpfte gegen aufsteigende Tränen. Konrad sah es. Wie bei unserer Hochzeit grinste er belustigt. „Rührselige Alte!“, foppte er mich.

      Das erinnerte mich daran, wie ich bei unserer Hochzeit bei den Stufen zum Altar hoch mit jedem Schritt in meinen langen Rock gestiegen war und mir vor Schreck der Brautstrauß aus den Händen fiel. Würde bei Margot und Helmut Ähnliches geschehen können? Oder war das bei der selbstsicheren Margot unmöglich?

      Doch dann entstand Unruhe vor dem Altar. Als der Pfarrer ihnen andeutete, aufzustehen, erhob sich Helmut, beugte sich zu Margot nieder und wollte ihr helfen. Sie aber kam nicht hoch. Sie flüsterte ihm irgendetwas zu, was er sichtlich nicht verstand. Die Hochzeitsgäste wurden unruhig.

      „Was ist da los“, fragte ich leise Konrad.

      „Er steht bestimmt auf ihrem weiten Rock, so dass sie nicht aufstehen kann“, vermutete er und grinste belustigt. Solche Pannen in feierlichen Momenten gefielen ihm.

      Sie bestätigten uns später Konrads Vermutung, als wir Gelegenheit fanden, mit ihnen zu reden.

      „O Margot, pass nur auf, wenn das kein Omen ist, dass Helmut dich in eurer Ehe nicht hochkommen lässt“, scherzte Konrad.

      Doch Margot machte sich darum keine Sorgen.

      „Da muss eher ich aufpassen, dass sie das nicht mit mir macht“, antwortete Helmut scherzend an ihrer Stelle.

      Margot lachte.

      Doch klang da nicht ein bisschen Ernst in Helmuts Worten mit? Schließlich war es Margot, die aus reichem Haus kam und nicht er.

      *

      Die Tafel im Saal des vornehmen Restaurants brach fast zusammen unter dem, was im Überfluss angeboten wurde. Der Brautvater ließ sich nicht lumpen, wenn seine einzige Tochter heiratet. Es fehlte nicht Lachs, nicht Kaviar. So mancher unter den Gästen mit Rang und Namen in West-Berlin bediente sich fleißig. Ich kostete neugierig die mir unbekannten

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