Kinder erzieht man nicht so nebenbei. Wilma Burk

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Kinder erzieht man nicht so nebenbei - Wilma Burk

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wir, ohne Rang und Namen. Margot huschte mitunter vorüber, kontrollierte, ob uns auch nichts fehlte. Ich staunte, dass sie als Braut Sinn dafür hatte.

      Auch Helmut kam ein Weilchen zu uns. Dann tanzten wir miteinander. Dabei spürte ich einmal mehr, es gab nichts mehr zwischen uns als eine tiefe Freundschaft. Wie anders umfing er mich gegen früher, während seine Augen nur Margot suchten. Wir lächelten uns an. Wir verstanden uns auch ohne Worte. Eine wundervolle freundschaftliche Vertrautheit war geblieben.

      *

      Margot und Helmut machten eine Hochzeitsreise nach Venedig - eine Reise, von der ich zu meiner Hochzeit nicht einmal zu träumen gewagt hatte. Wir verlebten damals unsere Flitterwochen in dem kleinen Schrebergarten von Konrad. Die Laube und der Garten waren das Einzige, was ihm von dem Besitz seiner Eltern über den Krieg erhalten geblieben war.

      Wir hatten auch unsere Ehe in einem möblierten Zimmer in der Stadt begonnen; Helmut und Margot dagegen kamen zurück in eine vollständig eingerichtete Eigentumswohnung, die sich in einem Häuserblock befand, der gerade von ihrer Firma „Zumbold“ errichtet worden war. Eine Eigentumswohnung war eine Wohnmöglichkeit, die immer mehr Zuspruch fand. Die Mieten stiegen ständig an. Wer es sich leisten konnte, der bildete lieber Eigentum - und sei es auf Pump -, wenn es auch nur eine Wohnung, ein kleines Stückchen von einem Haus war.

      Nun also war Helmut nicht mehr nur ein Mitarbeiter einer bekannten Baufirma in Berlin, sondern er gehörte dazu. Längst hatte Margots Vater ihren Bruder in die Geschäftsleitung der Firma „Zumbold“ eingeführt, jetzt sollte auch der Schwiegersohn nicht zurückstehen. So bekam Helmut seinen Platz neben dem Bruder in der Leitung der Firma.

      „Hoffentlich empfindet mich mein Schwager nicht als Eindringling. Ich wäre auch zufrieden auf meinem Posten geblieben“, sorgte er sich.

      „Aber ich wäre damit nicht einverstanden“, erklärte Margot. „Du gehörst jetzt zur Familie. Eines Tages wirst du die halbe Firma zu vertreten haben, wenn Papa sich zur Ruhe gesetzt hat.“

      Später erwies es sich, dass Helmuts Sorgen unbegründet waren. Der Schwager war oft froh, dass er nicht allein die Verantwortung tragen musste, dass er auch einmal zum Wannsee zum Segeln fahren konnte, während Helmut im Betrieb die Arbeit machte. So hatte Helmut sich zwar nicht seinen Traum erfüllen und eine eigene Firma gründen können, aber über seine Frau Margot sollte er bald Teilhaber dieser Baufirma sein.

      *

      Kaum waren Margot und Helmut von der Hochzeitsreise zurück, saßen wir wieder bei uns im Garten unter dem Kirschbaum zusammen und das Tagesgeschehen holte uns in den Alltag zurück.

      Der Ministerpräsident der DDR sprach von Schutzmaßnahmen, die gegen Menschenhändler, so genannte Abwerber und Saboteure aus dem Westen ergriffen werden müssten.

      „Was hecken die wieder aus?“, überlegte Konrad.

      „Hast du die letzten Zahlen in der Zeitung gelesen, wie viele Flüchtlinge allein hier in Berlin jeden Tag die Seite wechseln? Es wäre ein Wunder, wenn die dagegen nichts unternehmen würden?“, überlegte Helmut.

      „Aber was?“, fragte ich ängstlich.

      „Die werden es schon wissen“, meinte Margot.

      Und wir wussten es auch bald.

      Was niemand für möglich gehalten hatte, geschah. Es war ein Sonntag, der 13. August, da bauten sie über Nacht eine Absperrung um West-Berlin. Doch eingesperrt waren nicht wir, die immer noch über unsere Transitwege hinaus zur Bundesrepublik gelangen konnten, sondern die Einwohner der DDR und Ost-Berlins. Sie konnten nicht mehr nach West-Berlin, waren gefangen in dem Machtbereich des Ostblocks.

      Wie lange musste das vorbereitet worden sein, unendliche Rollen von Stacheldraht wurden ausgerollt, Mauern gemauert oder mit Betonplatten errichtet. Ganze Straßenzüge wurden durchschnitten von einer Grenze. Nicht nur in der Bernauer Straße gehörte der Bürgersteig vor den Häusern einer Straßenseite bereits zu West-Berlin, während die Häuser selbst ein Teil Ost-Berlins waren. Die Menschen aus diesen Häusern durften ihre Straße nicht mehr betreten. Unsagbare Szenen spielten sich ab, schreckliche und ergreifende. Menschen sprangen einfach aus den Fenstern auf den westlichen Bürgersteig, um der Abgrenzung zu entfliehen, und kamen zu Schaden. So mancher aber konnte dabei von der westlichen Feuerwehr mit dem Sprungtuch aufgefangen werden. Unzählige Menschen in Ost und West liefen eilig zur Grenze. Weinend standen sie auf beiden Seiten davon und winkten denen zu, die sie nun nicht mehr erreichen konnten. Vielleicht waren es Liebende, Freunde, Verwandte, Eltern oder Kinder, die nun getrennt wurden. Und währenddessen errichteten zwischen ihnen schwer bewachte Bausoldaten und Arbeiter unüberwindliche Grenzsperren.

      West-Berlin war in Aufruhr. Fünfhunderttausend Menschen versammelten sich spontan im Protest vor dem Schöneberger Rathaus. Zum Boykott der S-Bahn in West-Berlin wurde aufgerufen, damit die in Ost-Berlin sitzende Reichsbahndirektion nicht weiter West-Geld einnehmen konnte. Und die West-Berliner folgten diesem Aufruf, vermutete man doch, dass den vielen Stacheldraht, der jetzt an der Grenze ausgerollt wurde, die DDR-Machthabern in der Bundesrepublik für D-Mark erworben hätten - D-Mark, die sie als Transitgebühr an den Grenzübergängen West-Berlins eingenommen hatten.

      Doch alles änderte nichts mehr daran, die Berliner Mauer stand. Sie wurde mehr und mehr zu einem die Stadt zerschneidenden tödlichen Grenzstreifen ausgebaut. Lediglich noch einige Sektorenübergänge blieben offen, die aber nur mit einem Passierschein passiert werden konnten. Dabei war für die Scheine noch längst keine praktische Regelung getroffen worden.

      Wie gelähmt lauschten wir den Nachrichten im Radio oder schlugen als Erstes morgens die Zeitung auf. Wir konnten es kaum glauben! Wie viele tragische Schicksale mochten sich jetzt diesseits und jenseits dieser Grenze aus der gewaltsamen Trennung ergeben.

      „Ein Glück, dass mein Vater inzwischen in Hamburg ist und wir sonst nur noch entfernte Verwandte drüben haben“, stellte Konrad fest.

      Die Spaltung Berlins schien endgültig zu sein.

      Unser Telefon klingelte unaufhörlich. Mama war außer sich vor Sorge. „Was ist los bei euch? Geht es euch gut? Habt ihr gehört, wie es weitergeht?“

      „Könnt ihr überhaupt noch zu uns kommen?“, wollte Traudel wissen.

      Ja, plötzlich war auch ihnen wieder wichtiger geworden, was in Berlin geschah.

      Und die Mauer wuchs jeden Tag ein Stückchen mehr, als werde sie für die Ewigkeit gebaut. Sie zerriss menschliche Beziehungen. Häuser, die dem Todesstreifen im Wege standen, wurden niedergerissen. Fenster und Türen wurden zugemauert, wenn Häuser die Grenze berührten. Schlimm blieb es für diejenigen, die enge Verbindungen zu Menschen in Ost-Berlin oder der DDR hatten. So manches Eheversprechen konnte nicht eingehalten werden. Hilfsbedürftige alte Menschen mussten auf die gewohnte Hilfe ihrer Kinder verzichten, seit die Mauer sie trennte. Bei vielen wurde dies ein sehr trauriges Weihnachtsfest. Doch noch nie waren so viele Päckchen und Pakete gepackt und zu Weihnachten in den Osten geschickt worden, wie in diesem Jahr. Jeder, der auch nur irgendeinen Menschen drüben wusste, schickte wenigstens Kaffee und Schokolade hinüber. Die Mauer hatte einen tiefen Schnitt getan, aber so ganz ließen sich die Menschen nicht trennen. Dahinter lebte der Wunsch zu fliehen in vielen von ihnen weiter.

      8. Kapitel - 1962

      Auch im beginnenden neuen Jahr wurde deutlich, dass die befürchtete Eskalation des kalten Krieges zu einer bewaffneten Auseinandersetzung nach dem Mauerbau ausblieb. Die Panzer, die beim Bau

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