Kinder erzieht man nicht so nebenbei. Wilma Burk

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Kinder erzieht man nicht so nebenbei - Wilma Burk

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ihrer Insel, umgeben vom Ostblock - und doch nicht gefangen - sehr zu schätzen. So nahmen sie es hin, Straßenbenutzungsgebühren für Pkws und Lkws für die Benutzung der Transitstrecken auf dem Gebiet der DDR bis zur Bundesrepublik bezahlen zu müssen. Die stabile D-Mark der Bundesrepublik verachteten die östlichen Machthaber dabei nicht, die nahmen sie gern ein.

      *

      Wie Traudel es sich vorgenommen hatte, so machte sie ihr Abitur. Sie erreichte dabei eine so gute Note, dass Papa noch einmal enttäuscht seufzte: „Schade, du hättest wirklich das Zeug zum Studieren gehabt.“

      „Lass man!“, tröstete Mama ihn. „Bei einem Mädchen ist das nicht so wichtig. Irgendwann hätte sie später geheiratet. Dann wäre das ganze Studieren umsonst gewesen.“

      „Wir hätten sie aber noch eine Weile bei uns gehabt“, wandte Papa ein. Er hatte sich sehr schwer damit abfinden können, dass sein Nesthäkchen schon mit gerade neunzehn Jahren das Elternhaus verlassen wollte. Doch Traudel war ihm schnurrend so lange um den Bart gegangen, bis er seine Einwilligung zur Hochzeit gegeben hatte. Und die war zu der Zeit noch erforderlich. Erst mit einundzwanzig wäre Traudel volljährig gewesen und hätte darüber allein entscheiden können.

      Kurze Zeit später, nachdem Traudel ihr Abitur gemacht hatte, heiratete sie ihren Karl-Heinz an einem schönen und heißen Sommertag. Wie bei der Hochzeit von Konrad und mir vor sieben Jahren kamen alle Verwandten und Freunde aus West und Ost zur Feier. Aus dem Osten allerdings nur die, die noch kommen konnten. Die Gäste aus dem Westen erkannte man daran, dass sie nicht mehr - wie noch bei unserer Hochzeit - umgearbeitete alte Kleider trugen, sondern neue Garderobe, die sie extra für die Hochzeit gekauft hatten. Die Männer füllten ihre Anzüge wieder aus, verschwanden vor Magerkeit nicht mehr darin wie früher. Auch die Hochzeitstafel zu füllen, wäre jetzt für Mama nicht mehr schwer gewesen wie bei uns damals, als gerade die sowjetische Blockade von West-Berlin begonnen hatte. Doch diesmal musste sie sich nicht darum kümmern. Die Feier fand in einem Raum für Vereinssitzungen oder Familienfeiern in der Kneipe an der Ecke unserer Straße statt. Hier sorgte der Wirt für Speisen und Getränke. Mama rannte nicht zwischen Küche und Hochzeitstafel hin und her, sondern sie saß mit Papa auf einem Ehrenplatz gleich neben Karl-Heinz, dem Bräutigam.

      „Was haben sich die Zeiten doch gebessert“, stellte sie zufrieden fest.

      „Ja, wenn nur auch die Spannungen um Berlin aufhören würden“, meinte Karl-Heinz.

      „Darum werdet ihr euch in Hannover bald nicht mehr kümmern“, vermutete Konrad. Wir wussten von unserer Reise in die Berge her, wie wenig sich die Bundesdeutschen für Berlin interessierten.

      „Das sicher nicht!“, wehrte Traudel ab. „Dazu habe ich hier viel zu lange gelebt.“

      „Ich sollte dir eigentlich böse sein, dass du uns Traudel so zeitig und so weit weg entführst“, sagte Mama zu Karl-Heinz und gab ihm scherzhaft einen Klaps auf seinen Arm. Es war aber nicht zu übersehen, er hatte längst ihr Herz erobert.

      Sahen Konrad und ich damals als Brautpaar auch so glücklich aus wie die beiden, die da nebeneinander auf den bekränzten Stühlen saßen? Ja, man ging noch voller Illusionen in eine Ehe. Ich dachte daran, wie Traudel mich damals vor meiner Hochzeit besorgt gefragt hatte, ob sie jemals eine schöne Braut sein könnte, weil sie rote Haare hatte. Die Sorge hatte ihr wohl Karl-Heinz längst genommen, wenn er sie verliebt „Mein kleiner roter Teufel“ nannte.

      Und Traudel war eine hübsche Braut. „Wie eine Prinzessin“, hörte ich jemand sagen, als wir in die Kirche gingen. Ihr kurzer Schleier - wie es gerade modern war - wurde von einem Krönchen aus Myrtenzweigen auf ihrem roten Haar gehalten. In langen Locken fiel es ihr über die Schultern. Dabei leuchteten ihre meergrünen Augen wie unergründliche Bergseen - so drückte es Karl-Heinz in seiner Verliebtheit aus.

      Er hielt sie fest, als befürchtete er, sie könne jeden Moment verschwinden wie ein schöner Traum. Beim Laufen zum Altar in der Kirche hatte er Mühe, nicht auf ihren langen, weit schwingenden Rock zu treten, unter dem Traudel - wie jetzt üblich - einen steifen Petticoat trug. Das ließ ihre Taille besonders schlank erscheinen.

      Sie waren ein schönes Brautpaar, und es war ein schönes Fest.

      Zum Tanz spielte kein Akkordeonspieler mehr auf wie bei uns, sondern hier stand eine Musikbox mit den neuesten Platten und Schlagern.

      Es wurde aber noch Walzer getanzt neben all den modernen aufkommenden Tänzen. Da sah ich dann auch Mama und Papa sich beschwingt im Kreise drehen. Dabei bemerkte ich, Mama sah Papa an, als hätte sie sich gerade eben erst in ihn verliebt.

      Ich lächelte, schmiegte mich tiefer in Konrads Arm und drehte mich mit ihm. Auch uns überkam ein Gefühl inniger Verbundenheit.

      Onkel Oskar, der Onkel aus Hannover von Karl-Heinz, hatte eine besondere Überraschung für das Brautpaar. Plötzlich hupte es laut und vernehmlich vor der Kneipe. Onkel Oskar hatte sein Geschenk geholt. Geschmückt mit einer großen Schleife auf der Motorhaube, stand da ein kleines Auto.

      Traudel rannte aufgeregt hinaus und zog Karl-Heinz mit sich. Neugierig folgten die Gäste, neugierig kamen Kinder auf der Straße dazu und blieben Passanten stehen.

      „Soll der für uns sein?“, fragte Traudel ungläubig und drückte ihre Hände an die Brust.

      „Was dachtest du?“, fragte Onkel Oskar selbstgefällig. „Ein Kfz-Meister in meinem Betrieb, der kein Auto besitzt, wo gibt es denn so was?“ Und er blickte verschmitzt über den Rand seiner silbern eingefassten Brille. Dabei lachte er zufrieden, dass sein kleiner Schmerbauch vergnügt dazu auf und ab hüpfte. Er hatte sich extra einen neuen dunklen Anzug zu der Feier gekauft und eine schwarze Fliege umgebunden. Seine dünnen, mit weißen Fäden durchzogenen dunklen Haare hatte er besonders sorgsam von dem tiefen Scheitel aus gleichmäßig über den Kopf verteilt.

      Ich sah wohl Konrads sehnsüchtigen Blick nach dem Auto. Auch Onkel Oskar sah es. „Lassen Sie man, junger Mann“, wollte er ihn trösten, „das dauert nicht mehr lange, dann haben auch Sie ein Auto. Nicht umsonst bauen sie jetzt hier in der Stadt das erste Stück einer Stadtautobahn. Die Zukunft gehört dem Auto. Da führt nichts dran vorbei. Bald geht keiner mehr zu Fuß.“

      Ich sah ihn zweifelnd an.

      „Bestimmt! Glauben Sie mir, kleine Frau! Ich kann das in meiner Autowerkstatt spüren“, bekräftigte er seine Worte.

      Helmut Bruns, Konrads Freund aus Kriegstagen, den wir seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatten, besaß bereits ein eigenes Auto. Wie oft war er mit uns durch die Stadt gefahren, damals, als unsere Freundschaft mit ihm noch bestand, hatte es Konrad nichts ausgemacht. Doch jetzt, da immer häufiger dieser oder jener plötzlich ein Auto vor der Tür stehen hatte, spürte ich, wie gern auch er eins hätte. Zunächst aber war uns das nicht möglich, ohne einen Kredit aufzunehmen – und davor scheute er zurück.

      Kaufen auf Kredit, das wurde jetzt üblich. Man hatte Arbeit, man verdiente sein Geld und konnte somit in die Zukunft planen. Die Wirtschaft in West-Berlin entwickelte sich zwar nicht so schnell und so gut wie in der Bundesrepublik - bedingt durch die Insellage der zweigeteilten Stadt innerhalb der DDR -, aber es ging spürbar aufwärts.

      Darüber redeten die Alten auch auf Traudels Hochzeit. Vielleicht taten sie sich sogar wichtig mit dem, was sie bereits erreicht hatten. Die Jungen aber tanzten lieber in die Nacht hinein. Eigentlich waren Konrad und ich schon fast ein altes Ehepaar, doch an diesem Tag fühlte ich mich um Jahre zurückversetzt. Ich sah ihn mit den verliebten Augen der ersten Tage, sein schmales Gesicht unter dunklen Haaren, und schmiegte mich beim Tanzen enger an seine schlanke

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