Kinder erzieht man nicht so nebenbei. Wilma Burk

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Kinder erzieht man nicht so nebenbei - Wilma Burk

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dir etwas verraten? Ich fange an, meine Rentenzeit herbeizusehnen.“

      „Papa, du bist gerade sechzig geworden. Bis dahin hast du noch ein paar Jahre Zeit“, erinnerte ich ihn.

      *

      Traudel war noch nicht lange fort, da tobte ein böses Unwetter über Berlin. Es wurde fast so dunkel wie in der Nacht. Sturm jagte durch die Stadt, es goss in Strömen, die Straßen waren bald überschwemmt und der Verkehr brach zusammen. Grell blitzte es, es donnerte unaufhörlich und es krachte, wenn ein Blitz einschlug. Der Regen trommelte gegen die Fensterscheiben und der Sturm pfiff durch alle Ritzen. In kurzer Zeit verwandelte sich auch die Straße vor unserem Haus in einen reißenden Bach. Ich hatte es von der Arbeit gerade noch nach Hause geschafft. Ich fürchtete mich wie lange nicht mehr bei einem Gewitter und sehnte Konrad herbei. Ich machte mir Sorgen, wie sollte er bei diesem Wetter nach Hause kommen. Unruhig lief ich ständig ans Fenster.

      Es war bereits spät am Abend, das Unwetter hatte nachgelassen, als ich glaubte zu träumen. Zischend, Fontänen zur Seite spritzend, bahnte sich ein mir wohlbekanntes kleines Auto seinen Weg durch Wasser und Schlamm bis vor unsere Haustür. Nein, ich irrte mich nicht, nach Konrad stieg Helmut Bruns aus, sein Freund aus Kriegstagen. Sie sprangen beide mit großen Schritten auf unser Haus zu.

      Einen Moment lang verharrte ich wie gelähmt. Zwei Jahre war es her, dass wir uns zum letzten Mal gesehen hatten. Davor hatte Helmut nicht nur Konrad, sondern auch mir als Freund sehr nah gestanden. Als ich irgendwann bemerkte, dass er in mich verliebt war, hätte ich mich, von Konrad enttäuscht, beinahe mit meinen Gefühlen zu ihm hin verirrt. Nachdem ich das jedoch erkannt hatte und wir unsere fast gescheiterte Ehe noch retten konnten, gingen wir uns aus dem Weg.

      Und jetzt kam Konrad mit ihm die Treppe hoch, als wäre es nie anders gewesen. Ich hatte nicht mehr viel Zeit zum Überlegen. Ich hörte wie Konrad die Tür aufschloss, hörte sein unbekümmertes Lachen und ging ihnen entgegen.

      Nun also standen wir uns wieder gegenüber, Helmut und ich, nach zwei Jahren. Befangen lächelte ich ihn an. Auch er reichte mir mit einem zwar neugierigen, doch scheuen Lächeln die Hand. Abschätzend musterte er mich, während er sich mit einer hilflosen Bewegung durch seine widerborstigen Haare strich.

      „Wie geht es dir?“, fragte er verhalten.

      „Danke, gut.“

      Konrad tat so, als bemerke er unsere Befangenheit nicht. „Zieh die nasse Jacke aus, Helmut! Und Lass uns erst mal einen Schnaps zum Aufwärmen trinken.“, sagte er und ging voran ins Wohnzimmer.

      Ich nahm Helmut die Jacke ab. Dabei traf mich noch einmal ein fragender Blick aus seinen mir so vertrauten blauen Augen. Dann aber rieb er sich die Hände, wandte sich ab und folgte Konrad, als hätte er es gestern erst getan.

      Ich hängte seine Jacke auf einen Bügel und sah ihm nach. Ich schaute auf seine breiten Schultern und dachte daran, wie gut es mir einmal getan hatte, mich an ihn lehnen zu können. Zugleich spürte ich aber auch, dass für mich von ihm nun keine Anziehungskraft mehr ausging.

      Schon im Laufe des Abends legte sich die Verlegenheit zwischen uns. Konrad beobachtete uns nicht mehr misstrauisch wie früher. Vorsichtig fanden wir zu unserem alten freundschaftlichen Ton zurück, so, wie es war, nachdem wir uns kennengelernt hatten. Und doch bemerkte ich bald, dass eine besondere Vertrautheit zwischen uns bestehen geblieben war. Das aber tat niemandem mehr weh.

      „Den Helmut schickte mir der Himmel“, erzählte Konrad. „Ich stand zusammen mit anderen Fahrgästen im U-Bahnausgang und wusste nicht, wie ich weiterkommen sollte. Alles war überschwemmt. Keine Straßenbahn fuhr mehr. Da kam plötzlich Helmut mit seinem Auto zischend durch das Wasser angefahren und hielt neben mir. Er rief mir nur zu, ich solle schnell einsteigen. Dazu brauchte er mich nicht lange aufzufordern.“

      „Hast du gesehen, wie die andern dich beneidet haben?“, ergänzte Helmut.

      „Doch weit sind auch wir nicht mehr gekommen“, berichtete Konrad. „Die Wassermassen, die da vom Himmel kamen, wurden so bedrohlich und die Straße zu einem reißenden Fluss, dass wir es doch vorzogen, an einer Kneipe zu halten, wo wir die Eingangstür noch erreichen konnten, ohne dass uns Wasser in die Schuhe lief. Hier warteten wir ab, bis der herabstürzende Regen nachließ.“

      Der Zufall also, dieses verheerende Wetter, hatte sie wieder zusammengeführt. Doch wie schafften sie es, sich jetzt so ungezwungen zu begegnen, als hätte es die verwirrende Zeit zwischen uns nie gegeben? Es musste ihnen wohl gelungen sein, sich dort in der Kneipe auszusprechen.

      Ich war erleichtert, als ich spürte, dass nun eine echte Freundschaft ohne jedes Begehren zwischen Helmut und mir möglich wurde. Ich war auch glücklich darüber, dass an unserm Ehezwist, in den Helmut damals hineingezogen wurde, die Freundschaft der beiden nicht zerbrochen war.

      *

      Zwei Jahre war das her, als die Ehe von Konrad und mir fast an unserem Stolz, an dem Kampf, unsere Erwartungen gegenseitig durchzusetzen, gescheitert war. Da hatte sich Helmut große Hoffnungen darauf gemacht, dass ich für ihn frei werden könnte. An jenem Tag aber, als ich unglücklich zu Mama geflüchtet war und bei ihr saß, weil Konrad mich betrogen hatte, als ich begriff, wie viel mir Konrad trotz allem bedeutete, da musste Helmut erkennen, dass seine Hoffnung vergeblich war. Enttäuscht und traurig hatte er mich verlassen. Von da an war jeder Kontakt zwischen uns abgebrochen. Ich ging zu Konrad zurück. Danach suchten wir Helmut nicht und er uns auch nicht.

      Konrad und ich hatten genug damit zu tun, wieder zueinander zu finden. All die Verletzungen, die wir uns zugefügt hatten, mussten wir überwinden und neues Vertrauen zwischen uns aufbauen.

      Ich war bald wieder berufstätig, hatte eine Anstellung in einem Verlag gefunden. Die Arbeit gefiel mir, sie war nicht so eintönig wie in der Versicherung, in der ich früher gearbeitet hatte. Nur machte es mir Schwierigkeiten, wieder Haushalt und Beruf in Einklang zu bringen, nachdem ich schon längere Zeit arbeitslos gewesen war.

      Konrad vertrat noch sehr die Meinung alter Generationen. Er kam nach Hause und tat das Wenige, was eben Männersache war, wie er meinte. Wobei er nicht einmal mehr wie früher Kohlen aus dem Keller hoch zu tragen brauchte, denn wir wohnten in einer zentralbeheizten Neubauwohnung am Rande der Stadt, dort, wo hinter Gärten und Einfamilienhäusern die Felder begannen. Von mir erwartete er, dass sonst alles unauffällig und reibungslos funktionierte. Ich tat mein Bestes. Und doch bockte ich manchmal gegen die einseitige übermäßige Arbeitsbelastung im Haushalt auf, die sich voll auf die Zeit nach einem Arbeitstag im Verlag konzentrierte. Aber ich tat es leise, denn ich war bemüht, keine Spannung in unsere neu wachsende Beziehung zu bringen. Das ging so, bis es Konrad auffiel, wie müde ich oft war. Da setzten wir uns zusammen und sprachen darüber.

      Konrad verstand mich, nur bat er mich, nicht zu erwarten, dass er am Ende ein Verfechter der aufkommenden Emanzipation der Frauen werde. Er könne seine Einstellung zu alldem nicht so leicht ändern.

      Und doch änderte er sich. Er griff zu, wenn er abends sah, dass ich mich plagte. Er scheute sich nicht, einkaufen zu gehen, wenn mir die Zeit dazu fehlte.

      „Zuerst kam ich mir in den Geschäften zwischen den Frauen ziemlich komisch vor“, gestand er mir ein, „und die musterten mich auch so seltsam. Dabei wollen die Frauen heute doch, dass die Männer ihnen bei ihrem Kram helfen sollen, denke ich.“

      Ich wollte das nicht weiter vertiefen, aber eigentlich hätte ich ihn gern gefragt, warum das von ihm gekaufte Brot - zum Beispiel -, das er doch auch aß, mein Kram sein sollte? Ich lachte nur und sagte: „Das kommt sicher daher, dass du mit deiner Aktentasche einkaufen gehst und da Butter und Wurst hineinpackst.“

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