Kinder erzieht man nicht so nebenbei. Wilma Burk

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Kinder erzieht man nicht so nebenbei - Wilma Burk

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mit“, moserte Konrad.

      „Wieso? Du musst nichts mehr tragen, da spielt es doch jetzt keine Rolle mehr, wie viel ich einpacke“, erwiderte ich und schob noch ein zusätzliches Ersatzpaar Schuhe unter den Beifahrersitz.

      War das schön, im eigenen Auto aus der Stadt hinauszufahren. An den Grenzkontrollstellen ging auch alles bereits geregelter zu, doch noch immer mit langen Wartezeiten, mit möglichen Schikanen und beklemmendem Gefühl. Die Kassen für die SED-Machthaber in Ost-Berlin klingelten zunehmend durch die Einnahmen der Straßenbenutzungsgebühren pro Auto in westlicher D-Mark. Es bewahrheitete sich wirklich - wie es Onkel Oskar vorhergesagt hatte – auf den Straßen fuhren mehr und mehr Autos. Was mochten wohl die Einwohner der DDR links und rechts der Autobahn empfunden haben, wenn sie die anwachsende Autolawine gen Westen vorbeirollen sahen?

      Wenn irgend möglich, hielt Konrad auf der Transitstrecke durch die Zone (wie wir noch immer zum Gebiet der DDR sagten) auf keinem Parkplatz an. Wir atmeten erst auf, wenn wir den letzten Posten der DDR hinter uns hatten und uns die grünen Zöllner der Bundesrepublik begrüßten.

      Unsere erste Reise mit dem Auto ging zu Onkel Anton, Papas Bruder, in die Alpen nach Immenstadt. Bei ihm hatten wir schon einmal einen Urlaub verbracht. Auch er hatte vor ein paar Jahren Berlin verlassen und sich aus dem Staub gemacht, weil er der Standhaftigkeit der Stadt dem Osten gegenüber misstraute. Jetzt war er Koch in einem erstklassigen Hotelrestaurant und hatte hier zugleich eine liebevolle Lebenspartnerin gefunden.

      Mit großem Hallo begrüßte er uns. „Was denn“, rief er, als wir mit dem Auto vorfuhren, „ist das Wirtschaftswunder jetzt bis nach Berlin vorgedrungen?“ Und er lachte dabei. Dann wies er auf ein Auto, das vor seinem Haus stand. „Das ist meins“, sagte er voller stolz.

      „Donnerwetter!“, bewunderte Konrad ihn gebührend. „Der ist natürlich ein bisschen größer als unser.“

      Da lachte Onkel Anton, zwinkerte mit einem Auge, wies auf seinen vor Lachen zitternden umfangreichen Leib und sagte: „Bei euerm Auto brauchte ich wohl einen Schuhanzieher, um hineinzukommen.“ Mir schien, er musste wirklich noch zugenommen haben in der Zeit, in der wir uns nicht gesehen hatten. Dafür war sein Kranz dunkler Haare schmaler geworden.

      Vroni, seine Lebensgefährtin, liebte ihn so wie er war. Wir fühlten uns wieder wohl bei den beiden, liebevoll umsorgt von Vroni in ihrem Haus. Wir genossen es, jetzt nicht nur in der Nähe des Ortes herumwandern zu können, sondern auch weiter in die Berge hinein zu fahren. Manchmal klammerte ich mich ängstlich an meinen Haltegriff, wenn es steil bergan ging. Dann lachte Konrad mich aus. „Angsthase!“, schalt er mich. Doch bald hatte ich mich auch daran gewöhnt und vertraute seiner Fahrkunst.

      Zuerst wussten wir nicht, warum uns mitunter ein entgegenkommender Autofahrer anhupte, bald aber erkannten wir, dass es West-Berliner waren, die sich auch auf Reisen befanden. Das war bereits zur Gewohnheit geworden. So weit ab von Berlin, fühlte man sich miteinander verbunden. Bald hupten und winkten auch wir eifrig mit. Selbst in einem Lokal wurden Wildfremde so begrüßt, als wäre Berlin ein Dorf und sie die besten Bekannten, nur weil sie zufällig auch aus West-Berlin waren.

      Wir passten uns den Geflogenheiten an, kauften Kniehosen und Stiefel, wie wir es bei den andern Touristen sahen, die durch die Berge wanderten. Vor den Gattern auf den Almwiesen blieben wir nicht mehr hilflos stehen wie bei unserer ersten Reise. Auch an den Kühen dahinter gingen wir jetzt fast furchtlos vorüber.

      Als wir nach vierzehn Tagen bei Onkel Anton wieder abfuhren, waren wir zu erprobten Alpenfahrern geworden. Drei Filme hatten wir verknipst, damit man uns auch glauben sollte, wo wir überall gewesen waren: an Wasserfällen, vor steilen Felswänden, auf serpentinenreichen Pässen. Sogar mit einer Kuh habe ich mich ohne Furcht fotografieren lassen.

      Eigentlich wollten wir noch einen Abstecher zu Traudel nach Hannover machen. Doch der Umweg war uns zu weit und Urlaubstage hätte es auch gekostet. „Einmal, zu verlängerten Feiertagen kommen wir bestimmt“, hatte ich Traudel vertröstet auf einer Ansichtskarte aus den Bergen.

      Traudel stand kurz vor ihrer Niederkunft. Mama war bereits ganz außer sich, dass sie nicht bei ihr sein konnte. Doch Papa meinte, das würde sie sicher allein schaffen, sie solle lieber hinterher hinfahren, wenn sich Traudel daran gewöhnen musste, ein Kind zu haben.

      *

      Und dann kam endlich die heiß ersehnte Nachricht, Traudel hatte ihr erstes Kind zur Welt gebracht. Sie hatte es nicht leicht dabei gehabt.

      „Das mache ich nicht noch einmal mit“, sagte sie mir am Telefon. „Karl-Heinz soll sich nicht einbilden, dass wir uns noch ein Kind anschaffen.“

      „Das sagt man so“, lachte Mama. „Sie soll froh sein, dass es ein gesundes Mädchen ist.“

      Sie nannten es Susanne, und wenn ich es richtig mitbekam, war Karl-Heinz ganz vernarrt in seine kleine Tochter.

      „Der meint glatt, es besser zu wissen als ich, wann ich sie stillen muss“, empörte sich Traudel.

      Bald aber begann sie auch darüber zu klagen, dass es ein Problem sei, wieder im Betrieb mitzumachen. „Da denkst du schon am Morgen, den Berg Arbeit kannst du gar nicht schaffen“, stöhnte sie.

      So stand sie nun da mit dem Kind, dem Haushalt und dem Betrieb, in den es sie zog. Wir waren in Berlin und sie allein in Hannover. Nur der Onkel von Karl-Heinz, dem der Betrieb gehörte, war der einzige Verwandte, den sie dort hatte. Die Frau Jäger im Büro neben der Werkstatt, die seit Jahren für den Onkel arbeitete, war nie verheiratet gewesen, hatte keine eigenen Kinder, wusste nicht damit umzugehen.

      „So schwierig habe ich es mir nicht vorgestellt“, teilte mir Traudel mit. Und sie war gerade erst zwanzig Jahre alt. „War ja Pech, dass Susi so früh bei uns kommen musste“, fügte sie hinzu.

      „Das hört sich an, als würdest du deine Tochter nicht mögen, als wäre sie nur eine Last.“

      „Bist du verrückt!“, wehrte sie sofort ab.

      Mama wurde unruhig. Papa spürte es und lachte. „Sie geht mir hier ein, meine Familienglucke“, meinte er. Und er redete ihr zu, zu Traudel nach Hannover zu fahren. Noch nie habe ich Mama so strahlend gesehen wie an dem Tag, als sie begann ihren kleinen Koffer zu packen.

      „Ich bleibe aber nur ein paar Tage“, versicherte sie Papa, denn sie sorgte sich um ihn. Wie sollte er ohne sie zurechtkommen, er, aus der alten Generation, der sich vielleicht einmal Bratkartoffeln machen konnte, aber ob ihm schon ein Spiegelei gelingen würde? Mama bezweifelte das. Sie fuhr mit großen neugierigen Augen los, als wir sie mit unserem Auto zum Interzonenzug zum Bahnhof-Zoo brachten.

      *

      Papa kam in den Tagen, da Mama bei Traudel war, nach der Arbeit zu uns. Ich kochte Essen für uns drei. Er lobte meine Küche. „Bei dir schmeckt die Kartoffelsuppe anders als bei Mama“, meinte er.

      „Besser?“, fragte ihn Konrad scherzhaft.

      Da lachte er etwas hilflos: „Wenn ich jetzt ja sage, und du erzählst es Mama, dann gibt es Ärger mit ihr“, antwortete er und zwinkerte mir zu. „Mama scheint es ja gut in Hannover zu gefallen. Hoffentlich hat sie überhaupt noch Lust wiederzukommen“, erzählte er dann, sah mich verschmitzt mit seinen grauen Augen an und griff mit seinen schlanken knochigen Händen nach den Spielkarten.

      Doch so war es nicht. Mama versäumte nie, mich zu fragen, ob Papa richtig esse, ob er genug Brot zu Hause hätte und ich immer für ein sauberes Oberhemd für ihn sorgte. Halb war sie hier,

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