Die Pferdelords 11 - Die Schmieden von Rumak. Michael Schenk
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„Er dachte dabei an einen Pfeil und nicht an einen Bolzen“, erwiderte die Elfin. „Immerhin bin ich erfreut, dass du dir ein paar Weisheiten meines Volkes gemerkt hast.“
Nedeams verzog das Gesicht, und er hob Neliana mit vorwurfsvollem Gesichtsausdruck an. „Sie hat mich schon wieder genässt.“
„Nun, so war es ja ganz praktisch, dass du noch keine Zeit gefunden hast, deine Kleidung zu wechseln“, erwiderte Llaranya mit einem bezaubernden Lächeln.
Der Pferdefürst sah das verlegene Gesicht Nelianas und konnte einfach nicht anders, als in das Lachen seiner Frau einzustimmen.
Kapitel 5
Das menschliche Königreich von Alnoa war bedeutend größer als die Marken des Pferdevolkes und um einiges älter. Ebenso von mächtigen Gebirgen geschützt, die nur an wenigen Pässen für den Feind begehbar waren, hatte sich das Königreich entwickelt und von vielen seiner alten Traditionen gelöst. Dampfmaschinen arbeiteten in den Fabriken der großen Städte, Dampf trieb die Schiffe an, und Dampfkanonen schützten die Wälle der Festungen. Der Handel blühte und brachte den Menschen Wohlstand und Bequemlichkeit. Seit das Pferdevolk den Seefrieden mit den Schwärmen der See vermittelt hatte, befuhren die Handelsschiffe wieder die Meere. Händler aus fernen Ländern, wie dem Menschenreich Telan, kamen in die Hafenstadt von Gendaneris oder sogar den Fluss Genda hinauf bis zur Hauptstadt Alneris.
Die Hauptstadt des Königreiches war sicherlich eine Besonderheit, denn sie war um einen Kratersee erbaut worden, der über den Genda direkte Verbindung mit dem Meer hatte. Vor vielen Jahrtausenden hatte dort ein beeindruckender Berg gestanden, dessen hoher Kegel das Land weit überragte. Dann hatten Beben die Erde erschüttert, und der hohe Berg war in einer Wolke aus Feuer und Asche verschwunden. Glühendes Gestein war seine Flanken hinabgeflossen, und das Land war für lange Zeit in Finsternis versunken, bis die Sonne erneut hervorbrach. Aus dem Bergkegel war ein großer Krater mit steil aufragenden Seiten geworden.
Wenn man sich ihm vom Land her näherte, sah er wie ein steiler Kegel aus, dessen Spitze man abgetrennt hatte. Das Gestein wies die verschiedensten Schattierungen von Schwarz über Grau bis Braun auf, war scharfkantig und stieg vom Fuß des Berges immer steiler an. Oben, auf dem Rand des Kraters, erhob sich in strahlendem Weiß das typische glatte Mauerwerk alnoischer Baukunst. Eine hohe und massive Wehrmauer, die sich um den gesamten Krater zog, unterbrochen von achteckigen Türmen mit Plattformen, auf denen schwere Dampfkanonen standen. Überragt wurde diese Anlage von dem gewaltigen Turm, der sich inmitten des Kratersees auf einer Insel erhob. In seiner enormen Größe wirkte er trotz seines Durchmessers schlank und filigran, unterbrochen von zierlich aussehenden Balkonen und Brüstungen, bis die Spitze des Turms in der Plattform endete, auf der sich die Signalstation befand.
Der Turm war umgeben von säulengetragenen Gebäuden und Grünflächen. Hier wirkten König und Kronrat des Reiches von Alnoa. Geschwungene Brücken führten über den großen Kratersee zu seinem Rand. Die Häuser der Stadt folgten dem Verlauf der Kraterwände, zogen sich ringförmig herum und stiegen immer höher an, sodass die Stadt ein wenig den Eindruck vermittelte, die Häuser seien die Zuschauer in einem riesigen Amphitheater, dessen Bühne der Königspalast bildete. In der Stadt dominierte der weiße Stein, den die Bauherren des Reiches bevorzugten, und dies hatte dazu geführt, dass man die Stadt auch die „Weiße Stadt“ nannte. Sie war das politische und kulturelle Zentrum des Königreiches.
Der begrenzte Raum des Kratersees war Hauptankerplatz der königlichen Flotte, und die Schiffe aus fernen Ländern nutzten meist Gendaneris als Anlaufstelle. Ein reger Warenaustausch herrschte zwischen der Hauptstadt und den Städten des Reiches.
Das Königreich von Alnoa bestand aus Provinzen mit ihren Hauptstädten und Dörfern, die dem König Tribut zollten, ansonsten jedoch eigenständig blieben. Sie unterhielten eigene Stadtmilizen, die nicht dem Oberbefehl des Königs unterstanden, und entsandten ihre Ratsherren, um sich durch diese im Kronrat vertreten zu lassen. Nur die Präsenz der königlichen Gardekavallerie zeigte an, dass die Provinzen Bestandteil eines geeinten Reiches waren.
Der König Alnoas war eher ein Repräsentant als ein Befehlshaber, und er musste auf die Wünsche der verschiedenen Interessengruppen Rücksicht nehmen. Nur im Kriegsfall, wenn das Reich unmittelbar durch einen Feind bedroht wurde, war seine Herrschaft uneingeschränkt. Dies führte immer wieder zu Spannungen im Kronrat, der für die goldenen Schüsselchen der Schatzkammer meist eine bessere Verwendung sah, als sie für die Garde auszugeben.
Venval ta Ajonas, König des Reiches und seiner Provinzen, hatte oft genug das Gefühl, eher ein Verwalter oder Kaufmann zu sein, als der Herrscher eines mächtigen Reiches. Manchmal wünschte er sich, allein über die Geschicke Alnoas bestimmen zu können, aber er war klug genug, die Weisheit zu erkennen, die darin lag, die Macht im Frieden zwischen dem Kronrat und dem König zu teilen. Ein absoluter Herrscher konnte sein Volk zu neuen Höhen führen, es aber ebenso rasch zugrunde richten.
Der König hatte keine beeindruckende Statur, doch selbst seine Widersacher mussten seine Klugheit und weise Regentschaft anerkennen, auch wenn man sich oft genug aneinander rieb.
Venval ta Ajonas wurde wieder einmal von Sorgen geplagt und hatte, auf den Rat eines besonderen Gastes hin, seinen Freund und Gardekommandeur Daik ta Enderos zu sich gerufen. Eher widerwillig musste Venval dabei auch die Anwesenheit des Adligen Welbur ta Andarat hinnehmen, der augenblicklich als Schatzmeister des Reiches fungierte.
Die Zusammenkunft fand in den privaten Arbeitsräumen des Monarchen statt. Sie befanden sich in den oberen Ebenen des Königsturmes. Von den zierlichen Balkonen hatte man eine prachtvolle Aussicht über die Kraterstadt Alneris und das umliegende Land. Ein Ausblick, der für den Gast des Königs höchst selten und sehr erfreulich war, wie er unumwunden zugab. Es war ein ungewöhnlicher Gast, dem man mit großem Respekt und zugleich auch mit instinktivem Unbehagen begegnete, denn er verfügte über keinerlei Ländereien und war doch überaus mächtig – Marnalf, der Graue Magier des Pferdevolkes.
Zur Zeit des ersten Bündnisses der freien Völker hatte es drei weiße Zauberer in ihren Türmen gegeben. Sie hatten die Balance zwischen den Mächten des Guten und des Bösen gehalten und sich dabei der Unterstützung ihrer Gehilfen, der Grauen Wesen, bedient. Niemand wusste genau, wie die Magier einst auf die Geschicke anderer Lebewesen eingewirkt hatten, sicher war nur, dass sie verschwunden waren und dass der Schwarze Lord seitdem immer stärker zu werden schien. Die einst gutmütigen Grauen Wesen hatten sich in bösartige Kreaturen verwandelt, die ihre Kräfte gegen jene wandten, die sie einst beschützt hatten. Nur eines von ihnen, Marnalf, war dem Bösen nicht verfallen, und dies machte den Magier zu einem einsamen Wesen. Seine eigene Art war ihm nun Feind, und jenen, auf deren Seite er stand, galt er aufgrund seiner Fähigkeiten als unheimliche Kreatur.
Äußerlich war Marnalf ein würdevoller alter Mann mit langem, wallendem Bart. Die graue Kutte, die einst das Zeichen seiner Zunft gewesen war, trug er nur noch selten. Er bevorzugte farbenfrohere Gewänder und Umhänge. Nur den langen Stab hatte er beibehalten, dem man magische Kräfte zuschrieb. Tatsächlich diente der verzierte Stock nur als bequeme Stütze und Konzentrationshilfe, denn das Holz besaß nicht die geringsten Zauberkräfte.
Marnalf stand an der steinernen Brüstung des Balkons und hatte seinen Stab in die Armbeuge gelegt. Er schien völlig in Gedanken versunken, und weder Venval ta Ajonas, noch sein Freund Daik ta Enderos wagten es, ihn zu stören. Marnalf diente dem König des Pferdevolkes und war auf Venvals Bitte hin nach Alneris gekommen. Die Berichte, die der König Alnoas aus der Ostprovinz erhielt, stellten ihn vor ein scheinbar unlösbares Rätsel.
Das Gesicht des kleinwüchsigen Gardekommandeurs Daik ta Enderos wirkte unbewegt. Nur das leichte Wippen auf