Kristallblut. Patricia Strunk

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Kristallblut - Patricia Strunk Inagi

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Hin und wieder ließ er sich ihr gegenüber zu einer freundlichen Geste hinreißen, nur war sie sich nie schlüssig, was ihn dazu antrieb. Er war jemand, der für das einstand, woran er glaubte. Davon abgesehen war er alles andere als ein einfacher Charakter. Ihn als in sich gekehrt zu beschreiben, wäre geschmeichelt gewesen. Er war ungesellig bis an die Grenze zur Unhöflichkeit und ihr gegenüber die meiste Zeit so kurzangebunden, wie man es von einem Angehörigen des herrschenden Volkes erwarten konnte. Doch ein Gutteil seiner Distanziertheit war auf den tragischen Vorfall in Hakkon zurückzuführen, bei dem Rondars Kinder den Tod gefunden hatten, und an dem er sich selbst die Schuld gab. Wenn er seinen Schutzschild ausnahmsweise sinken ließ, konnte er unerwartet weich sein. Ishira ertappte sich dabei, dass sie gern glauben wollte, dass er Kenjin aus Anteilnahme half und nicht aus Berechnung.

      Der Shohon lachte. „Ich bewundere Eure Hartnäckigkeit. Also gut, soll der Junge ohne Fesseln essen.“

      Auf einen Wink trat Kenjins Bewacher einen Schritt näher, beugte sich herab und band die Fesseln los. Ishira wagte ihr Glück kaum zu fassen. Doch das Lächeln, das sich auf ihrem Gesicht auszubreiten begann, als die Lederstreifen zu Boden fielen, erstarb umgehend, als sie die roten Striemen sah, die die Fesseln hinterlassen hatten. Abwesend rieb ihr Bruder seine Handgelenke. „Warum setzt dein Kettenhund sich für uns ein?“ fragte er misstrauisch.

      Sie zuckte mit den Schultern. Instinktiv wusste sie, dass es Kenjin nicht gefallen würde, wenn sie ihrem Begleiter gute Absichten unterstellte. „Das weiß ich nicht, aber ich bin froh, dass wir mit ihm und Telan Mebilor überhaupt Fürsprecher haben.“

      Still aßen sie ihren Eintopf, dessen Geschmack diesmal durch die Zugabe frischer Wildkräuter, die die Köche unterwegs gefunden haben mussten, abgewandelt wurde.

      „He, Mädchen!“ rief der Bashohon zu ihnen herüber. „Komm wieder her und unterhalte uns!“

      Ishiras Mund verzog sich bitter. Als ob er ihre Musik hören wollte! Er versuchte doch lediglich, jede weitere Unterhaltung zwischen ihr und Kenjin zu unterbinden. Widerstrebend richtete sie sich auf – und plötzlich wusste sie, was sie tun konnte. Sie umschloss die Hände ihres Bruders mit ihren. „Ich werde mich ein wenig dankbar erweisen.“

      Kenjins Gesicht ließ deutlich seinen Widerwillen erkennen, dass seine Schwester sich ihm zuliebe bei den Gohari anbiederte, aber bei ihrem Tonfall horchte er auf. „Was hast du vor?“

      Ishira lächelte flüchtig. „Warte es ab.“

      Sie kehrte ans Feuer der Heerführer zurück. „Ich danke Euch für Eure Freundlichkeit, Deiro“, sagte sie mit einer erneuten Verbeugung an den Shohon gewandt. „Wünscht Ihr, dass ich jetzt spiele?“

      Als Helon nickte, ließ sie sich zwischen Mebilor und Rohin nieder, die einladend zur Seite gerückt waren, und schlug den Stoff zurück, der das Rehime schützte. Liebevoll ließ sie ihre Finger über das glattpolierte Holz wandern, bevor sie den Bogen zur Hand nahm. Nachdem sie das Instrument gestimmt hatte, spielte sie einige einfache Melodien, um ihre Finger geschmeidig zu machen. Die Töne schwangen sich auf wie unsichtbare Vögel und schraubten sich höher und höher in den abendlichen Himmel, ließen ihn mit ihrem Klang erstrahlen. Beiläufig registrierte Ishira, dass die Gespräche um sie herum nach und nach verebbten. Der Shohon saß entspannt da, eine Schale mit Mishuo im Schoß, und blickte versonnen vor sich hin. Beruk schaute zwar immer noch brummig drein, doch selbst er war still geworden. Mebilor wiegte seinen Kopf im Takt der Musik leicht hin und her und lächelte Ishira beifällig zu. Der einzige, dem sie anmerkte, dass er am liebsten aufgestanden und gegangen wäre, war Kiresh Yaren, auch wenn er sich bemühte, dies nicht allzu deutlich zu zeigen. Er hatte den Ellbogen in die Hand gestützt, die Finger an der Nasenwurzel, den Blick gesenkt. Ein uneingeweihter Betrachter hätte diese Geste vielleicht als Müdigkeit interpretiert, doch Ishira kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er litt. Er war kein großer Musikliebhaber – zumindest nicht ihrer Musik. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, was ihm daran so missfiel. Obwohl es ihr eigentlich gleichgültig sein konnte, hätte sie ihn gern einmal zum Lächeln gebracht. Wie er mit heiterer Miene wohl aussehen würde?

      Gütige Ahnen, welche Gedanken hatten sich da bloß in ihren Kopf verirrt? Energisch schloss sie die Lider und vertiefte sich in ihr Spiel, bis sie die Vorstellung eines lächelnden Kiresh aus ihrem Geist verbannt hatte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Idee, die ihr kurz zuvor gekommen war, und überschlug im Geiste deren Erfolgsaussichten. Wenn sie vorgab, die Aura eines Amanori zu spüren und dadurch bewies, dass sie ihr Wort hielt, konnte sie die Gohari vielleicht dazu bringen, ihr mehr Vertrauen zu schenken. Mit etwas Glück würden die Heerführer Kenjin die Fesseln nicht wieder anlegen lassen und ihm erlauben, sich frei zu bewegen. Andererseits war es nicht unbedingt ratsam, die Gohari grundlos in Alarmbereitschaft zu versetzen. Eine solche Fehlinformation konnte sie schnell ihre Glaubwürdigkeit kosten. Aber hatten sie und Kenjin überhaupt noch etwas zu verlieren?

      Plötzlich spürte Ishira im Magen eine leichte Vibration – wie eine innere Resonanz. War etwa tatsächlich eine der Echsen in der Nähe? Nein, es fühlte sich anders an. Eher wie die Energieströme innerhalb des Kristalls. Eine der Kristalladern musste ganz in der Nähe verlaufen, vielleicht sogar irgendwo unter ihnen.

      Nach und nach mischte sich in das Vibrieren der Energie ein anderes Wispern. Schwächer, dafür aber vielschichtiger – und irgendwie vertrauter. Oder sollte sie sagen: weniger fremdartig? Wie Stimmen unterschiedlicher Tonlagen. Sie glichen sich dem Fluss der Melodie an, bis sie mit ihm verschmolzen waren. Als hätten sich einzelne Fäden zu einem neuen, dickeren versponnen.

      „Was ist denn mit den Raikari los?“ raunte jemand.

      Irritiert öffnete sie die Augen. Einige der Söldner waren aufgestanden und starrten zu ihr herüber. Ein eigenartiges Gefühl der Zusammengehörigkeit überschwemmte Ishira, als hätte die Musik in ihr und diesen Männern etwas wachgerufen, das tief in ihnen geschlummert hatte. Mit derselben unerklärlichen Gewissheit erkannte sie in einem der Stehenden den Raikar wieder, den sie früher am Abend versehentlich angerempelt hatte, obwohl sie weder vorhin noch jetzt sein Gesicht sehen konnte.

      „Jetzt erzähl‘ mir einer, diese schwarzen Kerle haben etwas für Musik übrig“, brummte Beruk. „Als ob sie sich nicht auch so schon seltsam genug aufführen würden.“

      „Was ist so seltsam daran, Gefallen an Musik zu finden?“ gab Mebilor zurück.

      Der Bashohon schnaubte. „Aus Eurer Sicht vermutlich nichts. Aber seht sie Euch doch an, wie sie da stehen: so ein Verhalten ist doch nicht normal.“

      Der Heiler zuckte mit den Schultern. „Darüber, was für einen Krieger ‚normal‘ ist, möchte ich mir kein Urteil anmaßen.“

      Um Rohins Mundwinkel und die einiger anderer Telani zuckte es bereits wieder verdächtig. Augenscheinlich genossen sie die Wortgefechte zwischen Mebilor und dem Bashohon. Ishira war hingegen alles andere als nach Lachen zumute. Was war das gerade gewesen? Kälte kroch ihr Rückgrat entlang und ließ sie unbewusst die Schultern hochziehen. Bevor das Zittern ihre Hände erreichte, ließ sie den Bogen sinken – und zerschnitt damit das unsichtbare Gespinst zwischen ihr und den Raikari. Die fünf Söldner standen noch einen Augenblick reglos da, bevor sie sich wieder setzten. Ishira entspannte sich etwas. War die Aufmerksamkeit der Männer doch nur ihrer Musik geschuldet gewesen? Hatte sie sich den Rest eingebildet?

      Erst als sich die Heerführer für die Nacht zurückzogen, erinnerte Ishira sich wieder an ihren Plan. Die Raikari hatten ihn gründlich durchkreuzt.

      KAPITEL II – Er kann lachen

      In aller Frühe stand Yaren auf, um den Bau der Rampen zu beaufsichtigen.

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