Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr страница 26

Автор:
Серия:
Издательство:
Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

Скачать книгу

an und Rosanna fragte: „Wollen sie sich versetzen lassen und aus unserem Dorf weggehen?“ „Aber nein“, antwortete unsere Lehrerin, „denkt nicht weiter darüber nach, wir Menschen verändern uns.“ Dieser erste Nachmittag, den wir bei Madame nackt verbrachten, war für uns der Einstieg in eine fremde Welt. Wir ahnten damals nicht, wie weit wir in diese Welt eintauchen würden und wie viel Zeit wir in dieser Welt verbringen würden. An den Donnerstagen fuhr Frau Kofer, wie immer, zunächst Lindtraud heim. Rosanna und ich begleiteten sie. Reinhild konnte nicht mit, sie half ihrer Mutter beim Ändern von Kleidung. Rosanna saß neben Frau Kofer. Lindtraud und ich saßen hinten. Frau Kofer sagte: „Ihr dürft ohne Scheu schmusen, denn ihr wisst, dass ihr es bei mir könnt.“ Lindtraud und ich genossen schmusend die Fahrt. Frau Kofer hatte von Gerners einen Korb mit Lebensmittel bekommen. Gerners wollten ihr die Lebensmittel schenken. Frau Kofer sagte zu Frau Gerner: „Sie brauchen das Geld, ihre Familie hat für die Lebensmittel gearbeitet. Ich lebe alleine und bin relativ wohlhabend, ich freue mich über ihre Lebensmittel. Wenn sie kein Geld nehmen möchten, sparen sie es für ihre Kinder.“ Frau Kofer umarmte Frau Gerner und verabschiedete sich. Frau Gerner hatte feuchte Augen und war sehr gerührt. Frau Kofer umarmte Lindtraud ebenfalls. Sie stellte den Lebensmittelkorb neben sich und sagte: „Rosanna, setze dich zu Louis, ihr könnt jetzt schmusen.“ Rosanna sagte: „Des wär unfair, weil dr Louis grad mit der Lindtraud gschmust hat.“ „Aber Rosanna“, sagte Frau Kofer, „kein Mensch gehört einem andern, deshalb darfst du, wenn du möchtest, mit Louis schmusen.“ Wir schmusten und hatten ein schlechtes Gewissen.

      In diesem Jahr war ein sogenanntes Wühlmausjahr, die Landwirtschaft litt unter den vielen Wühlmäusen. Es wurde über den Büttel bekannt gegeben, dass alle Kinder Wühlmäuse fangen sollten. Auf dem Rathaus könne jedes Kind, zwei Wühlmausfallen erhalten. Für das Fangen von Wühlmäusen könnten sich Kinder Taschengeld verdienen. Mein Freund, Hartmut, war ein Jahr jünger als ich, deshalb war er nicht in meiner Klasse. Er war mein einziger Freund. Wir gingen gemeinsam aufs Rathaus. Frau Stark, die auf dem Rathaus die Fallen verteilte, erklärte uns: „Ihr kriegt für zwei Wühlmäuse fünfzig Pfennig, bringet mir aber ja nit die Mäuse, sondern nur die Schwänze von den Mäusen.“ Hartmut und ich bekamen je zwei Wühlmausfallen, es handelte sich um Bügelfallen aus festem und starkem Draht mit einem Federmechanismus. Die Falle setzte man in einen Wühlmausgang, wenn die Maus durchging und mit dem Kopf an das Ende der Falle stieß, klappte diese zusammen und zerquetschte die Wühlmaus. Mein Freund, Hartmut, und ich suchten auf einer Wiese die Wühlmausgänge, wir hatten eine kleine Schaufel mitgenommen, gruben damit einen Gang auf, setzten die gespannte Falle in Wühlmausgang und schütteten wieder Erde darauf. Wir steckten einen Stock mit einem großen Blatt in die Erde, damit wir unsere Falle wieder finden konnten. Wir gruben unsere vier Fallen in die Gänge der Wühlmäuse. Am nächsten Tag bat ich Lindtraud, Rosanna und Reinhild, mit mir aufs Rathaus zu gehen, um noch mehr Fallen zu besorgen. Frau Stark war entsetzt und sagte: „Ja wellet ihr Mädle au Mäus fange, ekelt es euch nicht.“ Als Frau Stark ihnen die Fallen gab, schüttelte sie missbilligend den Kopf. Rosanna schenkte mir die Fallen und sagte: „Louis, wenn ihr Mäus gfange hen, möcht i mit dir aufs Rathaus, damit d' Frau Stark sieht, dass mir Mädle des au könnet.“ Nachmittags hatten wir von unseren vier aufgestellten Fallen eine tote zerquetschte Wühlmaus gefangen. Wir gruben weitere Gänge auf und hatten, dank der Fallen die wir von den Mädchen hatten, zehn Fallen aufgestellt. Nach der Schule gruben Hartmut und ich unseren Fallen aus. Wir hatten erneut zwei tote Mäuse. Mit meinem Taschenmesser schnitt ich den toten Mäusen die Schwänze ab. Ich sagte zu Hartmut: „Mir sammlet se, un wartet bis mir zehn hen, dann brenge mer se aufs Rothaus.“ Ich sah die Schwänze der Wühlmäuse an und überlegte, dass man mit Knetmasse solche Schwänze herstellen könnte. Ich sagte: „Hartmut, mir müsset die drei Schwänz doch glei ufs Rothaus bringe, mir brauchet Geld, damit mir in Hirschers Lade Knetmasse kaufe könnet, no könne mir Schwänz aus Knete mache on dr Frau Stark bringe.“ Wir brachten die drei Schwänze aufs Rathaus und bekamen 75 Pfennig. Wir kauften beim Kolonialwarenhändler für 50 Pfennig ein Päckchen Knete. Da wir keine Schwänze hatten, mussten wir, um die Farben unserer Knete richtig zu mischen, warten bis wir wieder Mäuse hatten. Anderntags schauten wir nach unseren Fallen. Wir hatten diesmal erneut zwei zerquetschte Mäuse. Ich schnitt mit meinem Messer die beiden Schwänze ab. Die Wühlmäuse hatten einen graubraunen Schwanz. Wir hatten Knetmasse in blau, grau, gelb, rot und grün. Wir mischten zunächst kleine Mengen. Aus grau, gelb, blau und etwas rot bekamen wir die Schwänze annähernd hin, am Schwanzende fügten wir rot bei, weil die echten Schwänze am abgeschnittenen Ende etwas getrocknetes Blut hatten. Wir schauten die echten und die gefälschten Schwänze an und waren mit unserer Arbeit zufrieden. Wir hatten zwei echte und nahmen zunächst nur einen falschen Schwanz dazu. Die drei Wühlmausschwänze brachten wir in einer Schachtel aufs Rathaus. Frau Stark staunte: „Ihr hen doch geschtern scho drei brocht. Do sen ihr aber tüchtig gwe.“ Ich sagte: „Die drei Mädle aus meiner Klass, hen sich doch geekelt, sie hen uns ihre Falle gchenkt.“ Jetzt hemer zehn Falle ufgeschtellt un fanget damit Wühlmäus.“ Frau Stark ging mit uns aufs Klo, da sie selbst die Schwänze nicht anfassen wollte, sollten wir sie aus der Schachtel einzeln zählen und ins Klo werfen. Sie gab uns eine Mark, dafür mussten wir einen Zettel unterschreiben. Sie sagte: „Es freut mi, dass ihr die Falle von de Mädle kriekt hen, denn s’ wär ja nit normal wenn Mädle sich vor dene Mäus nit ekle dätet. On s’ wär natürlich schad, wenn i dene Falle geh hät, on die wäret zu nix nutz.“ Wir rechneten aus, dass wir aus einer großen Packung Knetmasse für eine Mark, 30 bis 35 Schwänze kneten könnten. Dafür bekämen wir fünfzehn Mark, dies war für uns im Jahre 1951 viel Geld. Ich sagte: „Hartmut, mir müsset trotzdem saumäßig vorsichtig sei on jetzt nit glei zehn Schwänz bringe, sonscht glaubt mers uns nit, un prüfts womöglich.“ Wir schauten am Dienstag nach unseren Fallen und hatten vier Mäuse gefangen. Wir brachten nachmittags sieben Schwänze aufs Rathaus. Frau Stark war begeistert und sagte: „Ihr seid die Beschte. I han no zwei Falle übrig, die hat niemand abgeholt. Die geb i euch.“ Wir unterschrieben Frau Stark wieder eine Quittung für 1,75. Nachmittags gruben wir neue Löcher und stellten alle Fallen auf. Ich sagte: „Hartmut, jetzt kann i zwei Tag nit gucke, mir gucket am Freitag nach der Schul.“ Hartmut fragte: „Wieso kasch jetzt zwei Tag nit kontrolliere?“ „Weil i doch immer am Mittwoch un Dunschtig nachmittags bei unserer Lehrerin lerne muss“, antwortete ich. Hartmut meinte: „Vielleicht hen mer am Freitig bsonders viel Mäus gfange.“

      Als ich am Mittwoch klingelte, war ich der letzte, die Mädchen waren schon da, saßen ohne Kleider am Tisch und warteten auf das Diktat. Madame sagte zu mir: „Wir besprachen, dass wir uns in meiner Wohnung gleich ausziehen. Wenn es nicht warm genug ist, heize ich, aber im Sommer brauchen wir keine Heizung.“ Ich fand es, zwar komisch, denn ein Diktat und Rechenaufgaben hätte ich gerne mit Hemd und Hose geschrieben. Da ich der Einzige war, der es seltsam fand, wollte ich kein Spielverderber sein. Mir gefiel es, die Mädels nackt zu sehen. Lindtraud wollte mir beim Ausziehen helfen und knöpfte meine Hose und mein Hemd auf. Madame sagte: „Du bist heute zu spät gekommen, wir haben auf dich gewartet. Beim nächsten Mal gibt es eine Strafe von drei Stockschlägen. Ich habe von meinen Lehrerkollegen erfahren, dass du der beste Wühlmausfänger im Dorf bist, das finde ich toll.“ Lin sagte: „Wir drei haben ihm und seinem Freund auch unsere Fallen gegeben.“ Madame fragte: „Louis, wie stellt ihr die Fallen?“ Ich erklärte es ihr. Sie sagte: „Wenn morgen das Wetter ordentlich ist, machen wir einen Lehrgang, dann kannst du uns deine Fallen zeigen.“ Ich antwortete: „Das wär klasse, no nehm i au glei a Schraubglas mit, damit i die Schwänz nei do kann.“ Wir hatten zunächst ein kompliziertes Diktat, bei dem sogar Ros einen Fehler hatte. Ich hatte fünf Fehler. Dafür gelang mir ein sehr schöner Aufsatz. Ich schrieb über die Schäden, die Wühlmäuse anrichteten und wie wir Wühlmäuse mit Fallen fingen, dabei beschrieb ich die Funktion der Fallen. Als ich meinen Aufsatz vorlas, bestätigte Lin, dass ihr Vater oft grantig wäre, weil so viele Wühlmäuse auf unseren Felder wären. Madame schlug vor: „Wenn wir morgen Abend Lin nach Hause fahren, nimmst du deinen Freund, deine Schaufel und deine Fallen mit, dann können wir eure Fallen auf Gerners Feldern aufstellen und Lins Familie helfen, die Mäuse zu dezimieren. Wenn man sich gegenseitig hilft, nennt man dies ein Netzwerk. Lin war begeistert und sagte: „Wenn dr Lus meim Vater Wühlmäus fängt, no wär er vielleicht neme so grandig. No dät dr Louis bei ihm groß rauskomme.“

Скачать книгу