Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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hat, du kannst Deiner Mutter sagen, dass ich bemerkt hätte, dass du dich erkältet hättest, sie bräuchte dich nicht mehr entschuldigen. So und jetzt legen wir wieder unsere Augenverbände an und fahren nach Hause.“ Sie legte uns wieder die Augenbinden an und brachte zunächst Linde und mich zu ihrem Auto. Wir legten uns wie schon auf der Hinfahrt hinten ins Auto und stellten uns schlafend. Als Gerda im Auto saß, fuhr sie los. Es ging, wie ich am Motorengeräusch hörte, nicht Bergauf, erst nach einiger Zeit bemerkte ich, dass sie in zweiten Gang schaltete und dachte, jetzt beginnt die Hornfleeger Steige. Dr. Tina wohnt nicht in Hornfleeg. Ich behielt mein Wissen für mich. Linde gab mir ihre Hand und streichelte mit der andern mein Gesicht. Ich streichelte ebenfalls ihr Gesicht. Als ich meinen Kopf neben ihren legte spürte ihren Atem. Als wir den Forchenmühl erreichten, ging es bergab. Frau Kofer ließ ihr Auto rollen, es wurde leiser, deshalb konnte ich beurteilen, wo wir waren. Dann fuhr sie auf den Weg, der zu Gerners führte. Sie hielt an und nahm uns die Binden ab. Wieder blinzelten wir in das helle Licht. Sie hielt hinter der Abbiegung zu Gerners, man konnte fast das Haus sehen. Wir stiegen aus und beobachteten, wie die beiden Mädchen nach Hause gingen. Frau Kofer sagte: „Wir warten noch, falls der schreckliche Seiler, den beiden auflauert.“

      Als Frau Kofer mich nach Hause brachte, umarmte sie meine Mutter. Meine Mutter sagte: „Hoffentlich war mein Louis auch brav und hat nichts angestellt.“ Frau Kofer sagte: „Dein Sohn war sehr lieb und hilfsbereit.“ Frau Kofer erklärte meiner Mutter, dass sie mich am Wochenende gerne zwei Tage mitnehmen würde. Meine Mutter hatte nichts dagegen. Sie bat Frau Kofer ins Wohnzimmer. Das Wohnzimmer lag neben dem Zimmer von meinem Bruder und mir. Mein Bruder war nicht zu Hause, deshalb konnte ich, wenn ich das Ohr an einer bestimmten Stelle an die Wand lehnte, hören dass meine Mutter vom Holzplatz und dem Sägewerk erzählte: „Frau Poller, Hartmuts Mutter, hat anscheinend ihren Sohn und das Flüchtlingsmädchen erwischt, wie sie im Sägemehlkeller sich gegenseitig ihr Geschlecht anfassten. Frau Poller erzählte, Hartmut wäre halt eine Sau, sie hätte ihn fürchterlich verhauen, aber eigentlich wär das Flüchtlingsmädchen schuld, weil Jungs immer an solche Schweinereien dächten, dürften es Mädchen nicht zulassen. Das Flüchtlingsmädchen wär evangelisch und würde ihre Sünden nicht beichten. Angelika, dieses Saumensch, würde von ihrer Mutter nicht verhauen und weiterhin mit Hartmut und andern Jungs Schweinerein machen. Flüchtlinge hätten keine Moral, deshalb hätte man sie im Dorf nicht aufnehmen dürfen, man sollte sie wieder wegschicken.“ Meine Mutter hatte eine laute Stimme, ich verstand jedes Wort. Sie fragte Frau Kofer: „Haben sie in der Schule und ihrer Klasse bemerkt, dass Kinder sich mit sexuellen Dingen beschäftigen. Ich dachte, weil Louis oft mit Linde zusammen ist, ob sich bei beiden sexuell was anbahnen könnte.“ Ich hörte Frau Kofer reden, verstand sie jedoch schlecht und hörte nur Wortfetzen. Ich glaube, Frau Kofer beruhigte meine Mutter, sie hielt das Theater für hochgespielt. Meine Mutter hatte, die Wohnzimmertüre geöffnet, weil es im Wohnzimmer etwas stickig war, denn es wurde selten benutzt. Ich öffnete deshalb ganz leise meine Zimmertüre und hörte das Gespräch jetzt deutlich. Frau Kofer sagte: „Martha, ich finde es normal, wenn Kinder im Alter von Hartmut, Louis und den Mädchen, eine gewisse Neugier für das andere Geschlecht entwickeln und finde es unproblematisch. Vielleicht kann ich mit Frau Poller reden.“ Meine Mutter sagte: „Ich wäre ihnen dankbar, sonst richtet sich der Dorftratsch gegen Flüchtlinge und unsere evangelische Gemeinschaft. Die Flüchtlingsfamilie sollte nicht dem Dorftratsch ausgesetzt würden.“ -In den fünfziger Jahren nannte man Ehen, die zwischen Katholiken und Protestanten geschlossen wurde, Mischehen. Es gab zur damaligen Zeit die ersten Ehen und Freundschaften zwischen Flüchtlingen und Einheimischen, die dem Dorftratsch ausgesetzt waren. Für abgeschiedene Dörfer wirkten sich derartige Partnerschaften positiv aus. In einsamen Gehöften gab es durch Inzucht behinderte Menschen. Wegen der Flüchtlingskinder wurde der Klassenteiler an Schulen heraufgesetzt. Für eine Klasse mit über 40 Schülern hätte es außerordentlich gute und engagierte Lehrer bedurft. Leider waren solche Lehrer selten.- Schüler unserer Klasse wurden um unsere Lehrerin beneidet, denn wir hatten eine engagierte Lehrerin, die ihr Hobby zum Beruf gemacht hatte. Ich hörte, wie Frau Kofer sagte: „Liebe Martha, ich werde diesen Dorftratsch, den Frau Poller angezettelt hatte mit meinen Kollegen im Lehrerzimmer besprechen.

      Als ich mich am Mittwoch auf meinen Platz setzte, vermisste ich Linde, nicht nur weil ich keine Vesper hatte. Ich musste an Gerda denken, die vom schrecklichen Seiler vergewaltigt wurde. Ich bemerkte gerade noch die Klingel zur großen Pause. Rosanna teilte ihr Vesperbrot mit mir und sagte: „Du d’ Linde kommt wieder, sie isch wahrscheinlich nit so arg krank, do musch nit so traurig sei, die isch sicher nächschte Woch wieder da. Frau Kofer bemerkte, dass mich heute der Unterricht, auch nach der großen Pause, wenig interessierte. Sie wusste, welche Gedanken mich beschäftigten. Meine Mutter bat mich, nach dem Essen noch bei Blisters, der Kolonialwarenhändlerin Mehl und Zucker zu kaufen. Ich beeilte mich, denn ich wollte nicht zu spät zum Förderunterricht kommen. Da in dieser Nachkriegszeit elfjährige Kinder noch keine Uhren hatten, wusste ich, als ich die Treppe zur Wohnung von Madame hochsprang nicht, ob ich zu spät kam. Als ich ins Esszimmer kam sah ich, dass ich eine viertel Stunde zu spät kam. Madame und meine beiden Mitschülerinnen warteten erwartungsvoll auf meine Entschuldigung. Madame sagte: „Du weißt, dass es heute für dich 17 Hiebe gibt, denn du warst genau 17 Minuten zu spät. Ich erklärte, warum ich zu spät kam. Ros verteidigte mich und sagte: „Dr Louis war doch heut eh scho so traurig, weil ihm sei Lindtraud fehlt“. Ren lachte: „Jetzt müsse mir scho zwei schtrafe, denn d’ Ros hat von der Lindtraud gschproche.“ Ich hatte mich rasch ausgezogen. Madame wollte Ros zuerst bestrafen und bat sie, sich übern Tisch zu legen. Sie bekam von jedem von uns mit der Rute eins auf ihren Po. Bei mir war es eine kleine Tortur, denn ich bekam zunächst von Ren und von Ros Schläge. Madame sagte: „Ros, wenn du so sanft schlägst, muss ich dir die Bestrafung abnehmen.“ Ich biss die Zähne zusammen und stöhnte. „Lus“, sagte Madame, „du warst heute sehr tapfer, du hast nicht gejammert und dich auch nicht beklagt, denn eigentlich konntest du nichts dafür, weil du für deine Mutter einkaufen musstest. Aber du hast inzwischen verstanden, dass man Schuld ist, wenn andere warten müssen, deshalb wurdest du bestraft. Wie beim letzten Mal besprochen, werden wir ab sofort, sowohl bei mir, und in der Schule, nicht mehr alemannisch sprechen, sondern ausschließlich hochdeutsch. Zunächst gibt es für diesen Bereich für jedes falsch gesprochene Wort, oder für jeden Grammatikfehler einen Hieb. In einer Woche gibt es zwei, das steigert sich bis zu zehn Hiebe in zehn Wochen. Also strengt euch an.“ Madame fragte uns, ob wir schon etwas von dem Dorftratsch gehört hätten, der über Hartmut und Angelika erzählt würde. Ros erzählte: „Der junge Vikar hat im Religionsunterricht darüber gesprochen, er nannte zwar keine Namen, aber jeder hat gewusst wen er meinte.“ Dies bestätigte Ren und sagte: „Meine Mutter hat sich über den Vikar geärgert, weil er beide Kinder an Pranger stellte. Meine Mutter erklärte mir nicht, was ein Pranger ist, obwohl ich sie fragte.“ „Wie denkt ihr darüber?“ fragte Madame. Ren meinte: „Ha mir waret doch dabei, mir hen no glacht, weil er ihr unter ihr Kleid glotzt hat, on schier Schtielauge kriegt hat. Wie mir ihm dann im Segmehlkeller no beim fege helfe wolltet, hat dr Hartmut gesagt, er könnt des mit dr Angelika alleinigs, no han i denkt, dass die zwei mitnander schpielet, wenn i aber dra denkt het, dass sei Mutter in Segmehlkeller schpringt on die zwei erwischt, dann wär i nit gange, sondern hät se gwarnt. Jetzt schtelle mir uns mal vor, was d’ Leut sage dätet, wenn se wüsstet, was mir mitnander machet“. Ren hatte lange gesprochen. Ros sagte: „Do brauch i jetzt gar nix meh derzu sage, weil i s’ gleiche denk.“ Ich sagte: „Die Mutter von Hartmut ist ein Tratschweib, sie hat manches Gerücht in die Welt gesetzt. Wenn wir drei und Lin behaupten, dass wir bis zum Schluss dabei waren und sagen, dass an dieser Geschichte keine wahres Wort ist, können wir der Frau Poller mit ihrer Lügengeschichte eins auswischen. Vielleicht überlegt sie sich künftig, ob sie weiterhin solche Gerüchte verbreiten möchte.“ Madame und die Mädels schauten mich verwundert an und Madame sagte: „Deine Idee ist vielleicht gar nicht schlecht, wir müssen sie noch prüfen, aber zunächst wird Ren eine Tracht Schläge bekommen, dass ihr hören und sehen vergeht. Wir hatten vereinbart, dass wir hochdeutsch reden und du hast einen endlosen Satz alemannisch gesprochen. Ich habe 48 alemannische Worte gezählt, bei Ros sieben und was mich völlig überrascht hat, Lus hat als Einziger daran gedacht. Bevor wir entscheiden, ob wir Lus Idee umsetzen, müssen wir erst die Strafen erledigen, sonst steht sie unsrer Ren und Ros bevor. Für

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