Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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teilnehmen, weil die Franzosen unsere Erbfeinde sind.“ Alle Eltern waren erstaunt. Frau Kofer kannte den Hosenladen Stauch, da sie bei ihm Herrenkleidung für ihre Verwandte in Amerika kaufte. Sie wusste, dass er einer der Nazis war, die sehr früh in die NSDAP eintraten. Sie reichte ihm die Hand und antwortete: „Lieber Herr Stauch, ich würde zunächst ihren Sohn bedauern, wenn er an der Klassenfahrt nicht teilnehmen könnte, denn es wäre schade für ihn. Ich überlege jedoch, wie es wohl wäre, wenn Franzosen sagen würden, die Kinder von den Eltern, die Frankreich überfallen haben, wollen wir in unserem Land nicht sehen. Dies könnte ich vielleicht verstehen, denn die Soldaten, die für Hitler und das deutsche Vaterland in Krieg zogen, haben Frankreich überfallen und bis zum Kriegsende besetzt. Die Franzosen sagen glücklicherweise, Kinder die uns heute besuchen, können nichts dafür, dass ihre Väter unser Land überfallen und besetzt haben. Wir wollen nie wieder einen Krieg in Europa, deshalb zeigen wir den Kindern, dass wir keine Feinde sind, damit die Kinder der Nazis nicht denken, wir wären ihre Erbfeinde. Herr Stauch, wenn alle Menschen so dächten wie sie, dann müssten die Völker, die eine Grenze zu Deutschland haben, weiterhin Angst vor dem nächsten Krieg haben. Ich wünsche mir so sehr, dass wir in zehn Jahren, wenn meine Schulkinder in unserer jungen Demokratie zur Wahl gehen, ein Europa haben, das keine Kriege mehr führen muss und vielleicht keine Grenzen mehr hat. Deshalb wurde ich Lehrerin und dafür möchte ich arbeiten. Ich bin sehr stolz auf meine Klasse, weil sie in geheimer Wahl ein Mädchen zur Klassensprecherin gewählt hat. Rosanna ist die erste Klassensprecherin unserer Schule.“ Alle Eltern spendeten unserer Lehrerin anhaltend Beifall, auch Frau Friedrich und andere Frauen, die mit einem ex Nazi verheiratet sind. Herr Stauch war verlegen und entschuldigte sich. Er sagte: „Ich hae es nicht so gemeint, Frau Kofer, sie haben mich überzeugt.“ Er nahm seine Brieftasche aus dem Sakko und spendete, für jeden sichtbar, zwanzig Mark. Frau Kofer bedankte sich bei Herrn Stauch und sagte: „Es freut mich, dass ich sie überzeugen konnte.“ Herr Niep, der Fabrikant, der einen blauen Borgward Hansa fuhr und im Unterdorf eine Fabrik für Drehteile besaß stand auf und sagte: „Liebe Frau Kofer, wir hatten in unserem Dorf noch nie eine so ausgezeichnete Lehrerin, ich habe kein Verständnis, dass ein Vater sich überlegt, ob sein Sohn auf einen Schulausflug darf. Mein Sohn würde mit dieser Lehrerin in jedes Land reisen. Auf diesen Ausflug freut sich mein Sohn schon seit Tagen. Die Meinung von Herrn Stauch finde ich, in unserer heutigen Zeit problematisch. Wie können wir Deutsche unsere Waren und Produkte exportieren, wenn es bei uns noch Väter gibt, die ein solches Denken verbreiten. Wenn ich von ihnen, Herr Stauch, noch einmal eine solche Meinung höre, kaufen wir bei ihnen keine Kleidung mehr. Möglicherweise überlegen andere Eltern sich das ebenfalls. Mein Sohn bedauert, dass er ins Gymnasium gehen wird, aber nur, weil er dort keine Frau Kofer als Lehrerin hat. Ich dachte, wie kommt eine Lehrerin dazu, ihrer Klasse eine Omnibusfahrt zu spenden, deshalb habe ich ebenfalls eine anonyme Spende für diesen Ausflug vorbereitet. Ich war nicht so klug, wie Frau Friedrich, sonst hätte ich ebenfalls eine Schachtel auf ihren Tisch gelegt.“ Herr Niep gab Frau Kofer einen Briefumschlag. Frau Black, die Ehefrau eines Mannes, der eine kleine Kammfabrik hatte und einen grünen Opel fuhr, stand ebenfalls auf und steckte einen Schein in den Karton. Auch sie lobte unsere Lehrerin. Ebenso ging Frau Kung vom Kolonialwarengeschäft Hischer zu der Schachtel und steckte einen Schein in den Schlitz. Auch sie meinte, dass Frau Kofer eine Lehrerin wäre, die man jedem Kind wünschen würde. Frau Kofer öffnete den Umschlag von Herrn Niep um das Geld in die Schachtel zu stecken. Meine Mutter sagte: „Ich habe zum ersten Mal bemerkt, wie Frau Kofer verlegen wurde, denn Herr Niep hat fünf 50,00 DM Scheine gespendet.“ Für damals eine unglaubliche Summe. Sie ging zu Herrn Niep, gab ihm die Hand und sagte: „Liebe Spender, ich möchte mich im Namen meiner Schüler sehr herzlich bedanken. Mit diesen Spenden wird unser Ausflug nach Frankreich zu einer Klassenfahrt, die meine Schüler nie vergessen werden. Wir werden mit unserer Klasse in Frankreich in einem Restaurant vorzüglich essen. Bitte machen sie sich keine Sorgen, wenn es etwas später wird. Ich möchte mich bei ihnen, liebe Eltern, bedanken, dass sie mir ihre Kinder für diesen Ausflug anvertrauen. Ich habe an alle Eltern, die ein Auto haben, eine Bitte, können wir vereinbaren, dass sie an dem Abend die Kinder im Schulhof abholen und je nach Ortsteil und Wohngegend, ihre und andere Kinder mitnehmen und nach Hause bringen. Wir haben, soweit ich weiß, mit meinem kleinen Auto, insgesamt sechs Autos. Wenn jeder Autobesitzer zweimal fährt, können wir, Eltern gewisse Sorgen ersparen und alle Kinder nach Hause bringen. Ich denke unser Bus kann gegen neun Uhr im Schulhof sein. Ich habe einen neuen Bus beim Omnibus Firkner aus Tälerbronn gemietet und rufe vom Gasthof Ochsen auf dem Forchenmühl bei Frau Friedrich an. Frau Friedrich ist sicher so nett und ruft die anderen Autobesitzer an, die soweit ich weiß, Telefon haben, denn können wir uns eine halbe Stunde später im Schulhof treffen.“ Alle Autobesitzer und alle Eltern waren einverstanden. Unsere Lehrerin dachte kurz nach und sagte: „Ich hatte in meinem bisherigen Schuldienst noch nie so tolle Schüler mit so netten Eltern, deshalb überlegte ich gerade, ob wir uns am Nachmittag des letzten Schultages nochmals verabreden und mit unseren Kindern diesen Lebensabschnitt feiern. Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns am letzten Schultag auf dem Forchenmühl im Gasthof Ochsen treffen. Ihre Kinder bieten ihnen mit einer Theateraufführung einen unterhaltsamen Nachmittag.“ Frau Kofer hatte geschwindelt, denn wir haben seit Wochen ein Theater eingeübt. Frau Kofer erzählte uns nicht, dass sie unsere Eltern einladen würde. Wir freuten uns immer auf die Proben. Die einzige Mutter, die etwas von unserem Theater wusste, war Frau Gründer, die uns Kostüme nähte oder veränderte. Ansonsten konnten wir von den Kostümen und den Kulissen des Larenbucher Vereinshauses profitieren. Herr Warlau entschuldigte sich nochmals überschwänglich bei Frau Kofer und sagte, er hätte sie damals als er in ihre Klasse stürmte, noch nicht gekannt. Als sich Frau Kofer von Frau Friedrich verabschiedete, sagte Frau Kofer: „Ich weiß nicht, wer von uns beiden älter ist, aber ich denke, wir könnten uns duzen. Ich sage zu den Eltern meines Quartetts ebenfalls du. Ich heiße Esther und bin 29 Jahre alt.“ Frau Friedrich sagte: „Ich heiße Margarete, aber alle sagen Margit zu mir, ich bin 31, also bin ich die ältere und möchte dich, liebe Esther in meine Arme schließen. Wenn du uns demnächst wegen deiner Zahnbehandlung besuchst, möchte ich dich zum Kaffee einladen.“ Esther sagte: „Wenn du noch ein wenig Zeit hast, kannst du schnell in meine Wohnung mitkommen, denn ich möchte dir für meine Zahnbehandlung etwas Gold mitgeben. Dein Mann wollte es für den Zahntechniker.“ Rosa sagte: „Louis, meine Mutter war von Esthers Wohnung begeistert.“

      Wir Kinder hatten, während unsere Mütter und Väter bei der Besprechung waren, im Schulhof gespielt. Wir spielten Ritterkämpfe. Bei diesem Spiel setzt man sich einem anderen auf die Schultern, dann galoppieren die Pferde aufeinander zu. Der Reiter versucht, seinen Gegner vom Pferd zu zwingen. Um zu gewinnen, müssen Reiter und Pferd gut zusammen arbeiten. Das Pferd muss den Reiter geschickt festhalten, um lange oben zu bleiben. Jeder kämpft gegen jeden, bis der letzte Reiter mit seinem Pferd übrig bleibt hat er das Turnier gewonnen. Katharina hatte sich die kleinere Alina auf die Schultern gesetzt, sie waren beide sehr geschickt. Linde hatte Reinhild auf den Schultern, sie kannten sich und hatten Ritterspiele schon oft gespielt. Auch sie kämpften mit viel Geschick. Da wir eine ungerade Zahl von Jungs und Mädchen waren, fragte Rosanna: „Louis, kannst du mich tragen und mein Pferd sein?“ Ich war gerne ihr Pferd und nahm sie auf meine Schultern. Wenn ich den Kopf drehte, konnte ich sie riechen. Wir hatten nur gegen Jungs gekämpft und uns gut gehalten, denn Rosa war ein sportliches Mädchen. Wir hatten bislang sechs Kämpfe gewonnen. Als Erhard mit Claus auf uns zu trabte, sagte ich: „Rosanna, pass auf sie arbeiten mit Tricks.“ „Wir auch“, sagte Rosanna leise zu mir. Erhard fragte mich laut: „Spürsch ihre Fotze im Gnick?“ Bevor ich antworten konnte, sagte Rosanna: „Du bisch ein blöder Sack, glaubsch da müsst i im Louis uf sei Schulter sitze, wenn der mei Fotze spüre will, no kann er des, ohne dass i ihm uf seine Schulter sitze muss.“ Erhard war, durch die Antwort von Rosanna, abgelenkt, ich drückte Rosannas Knie mit meinem Finger, damit sie sich nicht bewegt und Gleichgewicht hielt. Ich stand kurz auf dem rechten Bein und trat Erhard mit meinem linken Fuß in seine gespannte Kniekehle. Das Pferd und sein Reiter fielen in Schulhof. Frau Friedrich kam gerade und sagte: „Rosanna, du hast fürchterliche Gassenausdrücke, wo hast du die nur her? Und wann kann Louis jeden Tag das sehen, wofür du einen Ausdruck gebrauchst, den ich nicht wiederholen möchte?“ Rosanna antwortete: „Aber Mutter, was denkst du denn, das sagte ich nur weil der blöde Erhard so einen Scheiß redet. Glaubst du denn, dass wir so was tun würden?“ „Da bin ich beruhigt,

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