Rache zum Dessert. Monika Clayton
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„Apropos Glück, hast Du eigentlich deinen Text schon?“, fragte Luisa.
„Ja warum?“
„Ach nur so. Hätte mich einfach interessiert.“ Unschuldig zwinkernd legte sie ihren Kopf schief. Sie liebte es, wenn ihre Freundin ihre Rollen zum Besten gab.
Wie zu erwarten, stieg Theresa natürlich darauf ein und tat Luisa den Gefallen. Warum auch nicht. Ein bisschen Übung konnte nicht schaden.
Sie nahm sich eine Serviette zur Hand und faltete sie einmal zur Hälfte. Dann stand sie auf und stellte sich in Pose.
„Für frische Wäsche den ganzen Tag lang“, begann Theresa ihren Text und hielt Luisa die Serviette vors Gesicht. „Ob morgens im Büro, abends beim Sport oder nachts beim Tanzen - mit Slipfresh Ultra fühle ich mich 24 Stunden frei und sauber.“
Theresa ging in ihrer Rolle mehr als auf. Sie zelebrierte das Freiheitsgefühl, welches man nur mit dieser Einlage haben konnte, mit solchem Enthusiasmus, dass sie nicht merkte, wie ihre Stimme immer lauter wurde und andere Gäste interessiert die Darbietung beobachteten.
„Ohne Slipfresh geh ich nicht mehr außer Haus.“ Dann wurde ihr Gesicht ernst. „Inkontinenz kann jeden treffen, aber mit Slipfresh Ultra, können sie wieder den Schritt ins Leben wagen. Und für unterwegs - packen sie ihre Windeln, (das hatte Theresa kurzfristig selbst umgetextet) diskret in die Ultrabox.“
Luisa schmiss sich weg vor Lachen, und der Applaus der anderen Gäste, erinnerte Theresa daran, wie sehr sie diesen Job liebte. Schade nur, dass sie diesem so selten nachgehen konnte.
„Siehst du, in mir schlummert so viel mehr als nur eine gewöhnliche Frau mit Inkontinenz.“
„Ich glaub auch“, gluckste Luisa. „Wollen wir uns noch eine bestellen?“, fragte sie mit dem Blick auf die leere Flasche.
„Nein, lass mal“, wehrte Theresa den Vorschlag ab und erklärte mit einem Hicksen: „Ich warte daheim auf Sven, vielleicht ergibt sich ja noch etwas …?“
Kapitel 6
Dieser Tag hatte zwar, wie schon einige andere davor auch, nicht sehr viel versprechend angefangen, doch Luisa und die Flasche Prosecco hatten es geschafft, Theresa wieder aufzuheitern. Was würde ich nur ohne Luisa tun, überlegte Theresa auf dem Heimweg. Sie war es, die sie anspornte und ermunterte, mit der Schauspielerei weiterzumachen. Sie ist es auch, die sie immer wieder aus knietiefen Motivationslöchern ausgrub und nach einem harten Arbeitstag im Restaurant wieder auf die Beine brachte, wenn auch auf ihre ganz eigene Art.
Übermütig versuchte sie den Schlüssel in das Schloss der Haustür zu stecken, was angesichts der Proseccomenge nicht so leicht war, aber von einem Schloss wollte sich Theresa nicht unterkriegen lassen.
„So ein Mist“, fluchte sie vor sich hin. Ausgerechnet jetzt musste dieses verdammte Flurlicht ausgehen. Im Dunkeln tastete sie sich die Wand entlang zum Lichtschalter. Warum mussten diese Flurbeleuchtungen eigentlich immer mit so einem kurzen Intervall geschaltet werden? Bedachten die Hausbesitzer eigentlich nicht, dass es Menschen gab, denen ihre motorischen Fähigkeiten hin und wieder auch mal abhandenkamen?
Erneut nahm sie die Herausforderung mit dem Schloss auf, als die Tür mit Schwung aufgerissen wurde. Erschrocken fuhr Theresa zusammen und sah sich Sven gegenüberstehen. Im Pyjama funkelte er sie an.
„Ups“, unschuldig blinzelte sie ihn an.
„Sag mal spinnst du? Warum kratzt du so an der Haustür rum?“, knurrte er.
„Rum kratzen? Ich habe die Tür aufgesperrt“, korrigierte sie ihn. „Zumindest war ich gerade dabei.“
Wankend schob sie ihn zur Seite und betrat die Wohnung. „Was machst du eigentlich schon hier?“, wollte Theresa schnippisch wissen, während sie ihre Jacke an die Garderobe hängte und sich die Schuhe nachlässig von den Füßen streifte. „Ich dachte du musst länger arbeiten?“
„Hast du schon mal auf die Uhr geschaut?“ Entrüstet hielt er ihr seine Armbanduhr vors Gesicht, was bei ihr jedoch lediglich ein Schielen hervorrief.
„Nein, wie spät ist es denn?“ Krampfhaft bemühte sie sich, nur den Sven in der Mitte ihres Blickfeldes, anzusehen. Der Prosecco mit Luisa hatte gut getan, aber die Kopfschmerzen morgen waren abzusehen.
„Halb zwölf. Verdammt Theresa, ich muss morgen wieder arbeiten.“ Gereizt stapfte er zurück ins Schlafzimmer.
Die Zeit war schnell vergangen. Dass es schon so spät war, wurde ihr erst jetzt bewusst. Aber andererseits … halb zwölf war ja noch keine Uhrzeit.
Bereits im Flur entledigte sich ihrer Hose, die sie, sehr zu Svens Verärgerung, einfach dort liegen ließ. Er hasste das. Wie so manch anderes auch.
„Lass deinen Mist nicht immer und überall liegen“, zischte er hervor, und ließ sich ins Bett fallen. Demonstrativ zog er sich die Bettdecke über den Kopf.
Wie ein begossener Pudel stand Theresa im Schlafzimmer und starrte ihn unschlüssig an. Egal was jetzt passiert, dachte sie und biss sich dabei auf die Unterlippe um ihre Worte zu zügeln, bleib ruhig und gelassen. Was sie jetzt auf gar keinen Fall wollte, war einen Streit heraufbeschwören, schließlich brannte ihr ja immer noch die Neuigkeit mit dem Werbespot unter den Fingernägeln.
„Musst du morgen auch wieder länger arbeiten?“, fragte sie unbedarft, während sie ihre Hose aus dem Flur aufsammelte und aufs Bett warf.
„Weiß ich doch jetzt noch nicht“, grummelte Sven zwischen den Kissen hervor.
Unter ihrem Pullover, der irgendwie nicht so richtig über den Kopf wollte, nuschelte sie: „Du weißt also nicht, ob deine Affäre morgen Zeit …?“ Erschrocken, hielt sie inne. So ein Mist, das hatte sie doch gar nicht sagen wollen. Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Es war aber auch manchmal wie verhext. Sie dachte sich irgendetwas, und ehe sie sich versah, hatte sie es auch schon ausgesprochen.
Betreten blickte Theresa zur Decke. Jetzt konnte wieder einmal nur ein stummes Stoßgebet helfen. „Bitte, lass es ihn nicht gehört haben. Bitte mach, dass ich jetzt heil wieder aus der Sache raus komme. Ich trinke auch nie wieder Alkohol. Versprochen!“
Leider nahm ihr das Universum ihr Versprechen wohl nicht ab, denn Sven hatte das Genuschel sehr wohl verstanden.
„Spinnst du?“, wütend schlug er die Decke zurück und setzte sich auf. „Manchmal frage ich mich ehrlich, ob du irgendwo zwischen sechzehn und siebzehn stehen geblieben bist.“
Super, vielen Dank auch, stieß Theresa still gen Himmel aus.
„Tschuldigung, ist mir nur so rausgerutscht“, beteuerte sie betreten und blinzelte ihn an.
„Langsam könntest du wirklich anfangen, dich wie eine erwachsene Frau zu benehmen.“ Unbeherrscht stand Sven auf, quetschte sich sein Kopfkissen samt Decke unter den Arm und verließ das Schlafzimmer.
„Waaas!? Sag mal spinnst du“, rief sie ihm hinterher. „Was gehst du schon wieder so in die Luft, du Idiot?“ Soviel also zur Gelassenheit.