Der schwarze Mond. Gabriele Beyerlein

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Der schwarze Mond - Gabriele Beyerlein

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nächsten Mal gibt es mehr, Heulsuse!“

      Ich habe es Papa erzählt und ihm gesagt, dass ich nicht mehr Schulbus fahren will. Da ist Papa am nächsten Morgen mit mir zur Bushaltestelle und hat die großen Jungen zur Rede gestellt, er allein gegen die alle. Ganz ruhig hat er sie angesehen und gesagt: „Ihr seid das also, die es nötig haben, Jüngere zu drangsalieren! Versucht euch doch zur Abwechslung mal an jemandem, der euch gewachsen ist! Wie wäre es zum Beispiel mit mir?“

      Sie haben einfach nichts gesagt und versucht, coole Gesichter zu machen, aber so ganz gelungen ist ihnen das nicht. Da ist Papa ziemlich scharf geworden: „Wenn ich noch ein Mal höre, dass ihr die Kleineren abzockt oder fertig macht, dann setze ich mich im Sportheim mal zu euren Vätern an den Tisch und erzähle ihnen was über euch. Ich kann mir ganz gut vorstellen, was sie von Söhnen halten, die sich an Schwächeren austoben!“ Die Jungen haben ziemlich betreten geguckt, denn sie wussten, dass Papa ihre Väter kennt, vom Sportverein. Und dass er dort viel gilt. Papa war nämlich Vorsitzender vom Sportverein und hat in unserem Dorf einfach jeden gekannt.

      Am Abend habe ich ihm gesagt, dass mich die Großen im Bus haben hinsetzen lassen, und mich bei ihm bedankt und er hat geantwortet: „Wozu hat man denn einen Vater!“ Doch dann hat er mich ganz nachdenklich angesehen und gesagt: „Aber weißt du, ich kann so was nicht immer für dich erledigen. Du musst lernen, dich selbst durchzusetzen. Solche Kerle, die es auf Schwächere abgesehen haben, hält man sich am besten vom Leib, indem man keine Feigheit kennt. Selbstbewusstsein zeigt. Und niemals heult, auch nicht, wenn’s weh tut!“

      Seither habe ich Papa nichts mehr davon erzählt, wenn es wieder mal welche auf mich abgesehen hatten.

      Inzwischen bin ich hellwach. Aber zum Aufstehen habe ich trotzdem keine Lust. Also denke ich mir eine Geschichte aus: Wie ich mit Papa ganz allein eine unbekannte Höhle erforsche und er mich an einem Seil einen tiefen Schacht hinunterlässt und dann selber an dem Seil hinterherklettert, aber das Seil reißt und Papa stürzt ab und bricht sich das Bein und kann sich nicht mehr vom Fleck rühren, aber ich sage: „Keine Angst, Papa, ich hol dich hier raus!“ Und weil es unmöglich ist, ohne Seil den Schacht wieder hinaufzuklettern, erforsche ich die Höhle immer weiter und komme an einen unterirdischen Fluss, dem folge ich, aber dann wird es zu eng und ich muss im Wasser schwimmen und komme durch einen niedrigen Kanal, in dem ich tauchen muss und fast ertrinke, aber dann werde ich im Fluss aus der Höhle hinausgespült, draußen ist finstere Nacht und ich bin mitten im Wald, aber ich renne einfach immer den Fluss entlang, denn ich muss ja Papa retten, und endlich komme ich an ein Haus und klingle einen Mann heraus, der sehr wütend ist, weil ich ihn mitten in der Nacht wecke, aber ich laufe nicht weg und sage ihm, dass er die Polizei anrufen muss, und dann warte ich auf die Bergwacht und die Sanitäter und zeige ihnen die Höhle und die Stelle, wo Papa abgestürzt ist, und als sie ihn hochgezogen haben und er auf der Bahre liegt, nimmt er meine Hand und sagt: „Danke, mein Junge. Du hast mir das Leben gerettet“, und ich sage: „War doch klar!“

      Was ist das eigentlich für ein Krach da draußen? Ein Hubschrauber? Es hört sich fast an, als stehe er über unserem Haus.

      Ich räkle mich noch einmal, dann quäle ich mich aus dem Bett und zieh Shorts und T-Shirt an. Hat ja doch keinen Zweck, noch länger liegenzubleiben.

      Barfuß gehe ich in die Diele hinunter. Unten sitzen Mama und Papa am Frühstückstisch. Jeder hat einen der Zwillinge auf dem Schoß.

      „Du bist schon auf?“, fragt Mama und schaut mich groß an.

      „Wie soll man denn schlafen bei so einem Krach!“, antworte ich, nehme mir einen Becher aus dem Schrank und schenke mir Milch ein. „Haben wir jetzt einen privaten Flughafen, oder was?“

      Papa schüttelt den Kopf: „Leider ist das Ganze gar nicht lustig. Das mit dem Hubschrauber ist die Polizei, sie sucht nach drei vermissten Jungen. Ich hab es vorhin beim Bäcker gehört und im Radio kam es auch schon. Die Jungen sind seit gestern Mittag vermisst, erst haben ihre Eltern das nicht weiter ernst genommen, jeder hat gedacht, sie wären bei dem andern, aber als sie nun nachts nicht nach Hause gekommen sind ...“

      „Die armen Eltern“, meint Mama. „Ich würde wahnsinnig vor Angst. Obwohl es ja wahrscheinlich gar nicht so schlimm ist, wie es aussieht. Drei Jungen auf einmal! Ich glaube nicht, dass drei Jungen gemeinsam etwas zugestoßen ist. Das Ganze ist bestimmt bloß ein Dummejungenstreich, vielleicht haben sie im Wald übernachtet und in ein, zwei Stunden stehen sie vor ihren Haustüren und können die ganze Aufregung gar nicht verstehen.“

      „Jens, dass du dir nie einfallen lässt, über Nacht einfach wegzubleiben, ohne uns Bescheid zu geben!“, droht Papa.

      „Ich bin doch nicht blöd“, murmle ich. Obwohl, zu gönnen wäre es ihnen schon, dass sie sich mal so richtig Sorgen um mich machen würden ...

      „Übrigens sind die drei gestern Vormittag auf dem Flohmarkt zum letzten Mal gesehen worden. Vielleicht hast du sie ja auch bemerkt, Jens?“, fragt Mama. „Du hast uns doch erzählt, dass du dort deine Lego-Eisenbahn verkauft hast!“

      Drei Jungen auf dem Flohmarkt? Plötzlich klopft mein Herz. Trotzdem zucke ich bloß die Achseln. „Und wenn schon. Ich wüsste es ja gar nicht, wenn es so wäre.“

      „Sie sind zwischen zwölf und dreizehn Jahren alt“, sagt Papa. „Und einer von ihnen, der übrigens hier in der Straße wohnt, hat eine Narbe im Gesicht. Eine Klassenkameradin hat beobachtet, wie sie auf dem Rathausplatz bei einem alten Mann irgendwelchen Krempel gekauft haben. Danach wurden sie von niemandem mehr gesehen. Die Polizei sucht jetzt nach dem Mann, aber es scheint, dass keiner ihn kennt. Himmel! Meine Straßenbahn!“ Er springt auf, drückt Mama Anne auf den Schoß, nimmt seine Aktentasche, ruft im Rausgehen: „Übrigens, Jens, heute Abend toben wir beide uns mal mit den Rädern aus, zur Burg hoch, ja?“, und weg ist er.

      Ich starre ihm nach.

      Nicht wegen dem Fahrradfahren auf die Burg. Das ist okay, auch wenn der Burgberg ganz schön steil ist, aber mit meinem Mountainbike schaffe ich das schon, Papa und ich unternehmen öfter solche Sachen, und das finde ich echt cool. Doch daran zu denken habe ich jetzt keine Zeit.

      Die drei Jungen -

      Ich weiß, wo sie hingefahren sind, nach dem Flohmarkt. Vielleicht war ich der Letzte, der ...

      Soll ich zur Polizei gehen?

      Aber der Brunnen war bestimmt das Geheimnis der Jungen, und wenn sie nun in Wirklichkeit gar nicht in Gefahr sind, wenn die drei nur ein Abenteuer erleben in ihrem Rollenspiel und es gerade ganz spannend ist, und dann kommt die Polizei und scheucht sie aus dem Brunnen, und ich bin schuld daran -

      Dann kann ich es vergessen, dass ich jemals mit ihnen mitspielen kann.

      Ob ich Mama frage?

      Da klingelt das Telefon. Ich gehe hin. Es ist Karin, Mamas Freundin von daheim. Ich gebe Mama den Hörer. Wenn Mama mit Karin telefoniert, dauert es ewig. Ich kenn das.

      „Ich geh mal kurz weg!“, sage ich. Mama nickt und winkt mir zu. „Stell dir vor, was hier in der Nachbarschaft passiert ist“, erzählt sie Karin. „Drei Jungen sind über Nacht ...“

      Ich ziehe die Tür hinter mir zu. Ehe ich etwas unternehme, muss ich wissen, ob die drei noch in dem Brunnen sind. Ob sie vielleicht gar nicht gefunden werden wollen.

      Ich nehme mein Fahrrad und radle den Weg durch den Wald zum Brunnen. Der Hubschrauber hat inzwischen abgedreht. Ein Stück vor der alten Mauer steige ich vom Rad und lehne es an einen Baum. Stimmen höre ich nicht. Ich schlage die Zweige zurück und spähe

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