Der schwarze Mond. Gabriele Beyerlein

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Der schwarze Mond - Gabriele Beyerlein

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wenn ich dann noch immer nicht weiß, warum der Wald so anders ist, wo ich überhaupt bin und wie ich wieder nach Hause –

      Darüber wollte ich doch nicht nachdenken!

      Der Rabe trippelt auf dem Fahrweg nach rechts. Also gehe ich auch nach rechts.

      Auch der breite Weg ist nicht geteert. Abdrücke von Hufen sind darauf zu sehen. Pferdeäpfel. Und tiefe Fahrrillen. Aber keine Reifenspuren. Eher sehen die Rillen so aus, als wären hier Schlitten langgezogen worden. Oder Kutschen mit eisenbeschlagenen Rädern.

      Da sind sie wieder, die Ameisen. Diesmal unter der Haut.

      Nochmal versuche ich zu rennen, mit letzter Kraft. Ich muss einfach.

      Der Rabe fliegt ein Stück voraus, lässt sich dann auf einen Baum am Wegrand nieder und krächzt laut. Als ich ihn eingeholt habe, krächzt er noch einmal und fliegt vom Weg weg in den Wald hinein auf den nächsten Baum. Dorthin führt kein Weg. Auch kein Pfad.

      Der Rabe hüpft auf seinem Ast herum. Keuchend bleibe ich stehen. Nein, in dieses Dickicht folge ich ihm nicht! Ich bleibe auf dem Fahrweg, bis ich aus dem Wald gefunden habe, das ist sicherer. Denn wenn ich den Weg erst einmal verloren habe und in dem Dickicht stecken bleibe und nie mehr –

      Ich schleppe mich weiter. Hinter mir schreit der Rabe. Irgendwie fühle ich mich ohne ihn noch verlorener.

      Plötzlich, wie aus dem Nichts, steht mir ein Schäferhund im Weg. Ein sehr magerer, seltsamer Schäferhund. Steht zum Sprung geduckt da, den Schwanz steif nach hinten gestreckt, und knurrt.

      Ich bleibe stehen wie angewurzelt. Der Hund fletscht die Zähne. Diese riesigen Eckzähne –

      Das ist kein Hund! Das ist ein Wolf!

      Der Schweiß läuft an mir runter, ich kann keinen Muskel mehr rühren.

      Ich glaube, es ist auch besser, keinen Muskel zu rühren. Ich hab nicht die geringste Ahnung von Wölfen, aber der da, der macht den Eindruck, als würde er mir an die Kehle springen, sobald ich nur einen Mucks von mir gebe. Bestimmt riechen Wölfe die Angst. So wie Hunde.

      Die Zeit bleibt stehen. Der Wolf knurrt. Ich bin erstarrt. Dann, endlich, klappt der Wolf sein Maul zu, lässt seinen Schwanz baumeln und gibt sich harmlos.

      Meine Muskeln sind so verkrampft, dass sie wehtun. Langsam stoße ich die Luft aus. Trete ein bisschen von einem Fuß auf den anderen, schüttle ganz leicht meine Arme, schau immer den Wolf dabei an. Die größte Gefahr scheint vorüber. Aber der Weiterweg ist mir gesperrt.

      Rückwärts, Schrittchen für Schrittchen, ziehe ich mich vorsichtig zurück und lasse den Wolf dabei nicht aus den Augen. Er beobachtet mich. Verhält sich ruhig.

      Meine Entfernung zu ihm wird immer größer. Endlich wage ich es, mich wieder umzudrehen und ganz normal zu gehen. Neben mir krächzt es. Mein Rabe sitzt immer noch auf dem gleichen Baum. Soll ich ihm vielleicht doch in das Dickicht folgen?

      Hinter mir knurrt es. Da ist er wieder, der Wolf. Langsam kommt er näher, und näher. Er drängt mich vom Weg ab. Auf den Raben zu.

      Es bleibt mir nichts anderes übrig, als diesem in den Dschungel zu folgen.

      4

      Erst führen sie mich hierher, und plötzlich sind sie verschwunden!

      Die ganze Zeit bin ich dem Raben gefolgt, zwischen Laub- und Nadelbäumen, durch Dickicht und sumpfige Stellen, über Wurzeln und umgestürzte Baumriesen, stundenlang. Sobald ich nur mal stehenbleiben wollte, war der Wolf da und hat mir die Zähne gezeigt.

      Irgendwie war das sogar gut. Die Angst vor dem Wolf hat die andere Angst vertrieben. Aber jetzt bin ich wieder allein. Ganz allein.

      Ich befinde mich an einem kahlen, felsigen Hang. In dem vertrockneten Busch genau vor mir hat der Rabe noch einmal ein Mordsspektakel aufgeführt, dann ist er auf- und davongeflogen.

      Ich schaue mir den Busch genauer an und sehe, warum er verdorrt ist: Er ist gar nicht angewachsen, sondern jemand hat ihn abgehackt und zwischen die Steine geworfen.

      Da! Was war das?

      Der Busch schreit, es schreit aus dem Busch, hohl, verzerrt, fern – eine Kinderstimme, Jungenstimme, schreit sie nicht „Hilfe!“?

      Eine Gänsehaut kriecht mir den Rücken hinunter, ich zerre den Busch zur Seite, ein dunkles Loch tut sich dahinter auf, ein Spalt, ich bücke mich, es ist ein Gang, der schnell höher wird. Ein finsterer Höhlengang.

      Aus dieser Finsternis kommt die Stimme. Sie schreit wirklich um Hilfe. Dann bricht sie ab, aber jetzt schreit eine andere, die in ein Schluchzen übergeht.

      Sie sind es, die Jungen – aber die Stimmen klingen viel jünger – ich muss sie retten –

      Retten?

      Vielleicht sind sie irgendwo abgestürzt. Oder haben sich verlaufen ...

      Wenn ich da reingehe, passiert mir bestimmt das Gleiche wie denen. Und damit ist ihnen auch nicht gedient. Da muss die Feuerwehr helfen oder die Bergwacht, jedenfalls Männer, die sich mit Höhlen auskennen. Wenn ich endlich einem Menschen begegne, werde ich sagen, dass Kinder da drinnen sind und dass man sie retten muss.

      Langsam gehe ich von der Höhle weg. Da, plötzlich, packt mich eine Hand. Ich fahre herum und sehe einen bärtigen Mann mit seltsamen schwarzen Kleidern: einer schwarzen Kniebundhose, einer silbern bestickten schwarzen Weste, einem schwarzen Samtumhang, einem riesigen Hut mit Feder und einer Art zu kurz geratenem Spazierstock.

      „Weißt du nicht, dass du hier in höchster Gefahr schwebst?“, stößt er hervor und zerrt mich mit sich.

      Ich bringe kein Wort heraus. Neben ihm her stolpere ich den Hang hinunter – und schreie auf. Der Wolf ist wieder da, und diesmal greift er an. In großen Sätzen rennt er auf uns zu, die Zähne drohend gebleckt. Gleich springt er mir an die Kehle, und dann –

      Schnell suche ich hinter dem Rücken des Mannes Schutz. Dieser lässt mich los, hebt einen Stein auf, schleudert ihn gegen den Wolf, trifft ihn am Kopf, der Wolf jault auf, klemmt den Schwanz ein und zieht sich in den Wald zurück.

      Meine Knie sind so weich, dass ich fast hinfalle.

      Der Mann wirft dem Wolf noch einmal einen Stein hinterher, geht ihm ein paar Schritte nach.

      Vorsichtshalber passe ich genau auf, ob der Wolf zurückkommt. Vielleicht an einer anderen Stelle. Da sehe ich etwas zwischen den Bäumen. Nein, nicht den Wolf. Einen großen, dürren, weißhaarigen Mann. Mit der einen Hand macht er mir ein Zeichen, dass ich zu ihm kommen soll. Die andere Hand streckt er nach mir aus.

      Und plötzlich gehe ich auf ihn zu. Ich will das nicht, ich will weglaufen, mich verstecken, aber ich gehe immer näher zu ihm hin. Es ist wie ein Sog. Ich will nicht, ich will nicht, ich muss -

      „Aribor!“, schreit hinter mir der schwarze Mann. „Donnerkeil und Flammenstrahl treffe dich mit Höllenqual!“

      Der weißhaarige Mann schwankt, taumelt, fällt zu Boden, windet sich, stöhnt.

      Merkwürdig, ich habe

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