Wounded World. Tessa Koch

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Wounded World - Tessa Koch

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zu hören, als ich einen Blick über meine Schulter werfe, sehe ich Marsha sich langsam aufsetzen. Es ist noch immer dunkel, doch die Sonne wird bald aufgehen, es beginnt bereits zu dämmern. Sie schiebt eine Strähne aus ihrem Gesicht, sieht sich um. „Fährst du schon die ganze Nacht?“, fragt sie leise.

      „Liam hat eine Pause gebraucht“, erwidere ich, werfe einen Blick auf seine schlafende Gestalt.

      „Ich denke, dass wir alle eine brauchen.“ Marsha rutscht so nah wie möglich an die Mittelkonsole heran, lehnt sich dann seitlich an Liams Sitz. „Du siehst erschöpft aus, Kindchen.“

      Ich muss leise lachen. „Wir alle sehen erschöpft aus. Niemand wird in diesen Zeiten richtig schlafen können.“

      Marsha sieht erst zu Lexi und Bender, dann zu Liam. „Die drei anscheinend schon.“

      Wieder lache ich leise. „Liam schläft immer wie ein Stein. Ich hingegen wache bei dem leisesten Geräusch auf.“ Meine Brauen ziehen sich leicht zusammen. „Es ist mir ein Rätsel, wie er so tief schlafen kann.“

      „Er fühlt sich sicher in deiner Nähe“, sagt sie schlicht.

      „Ich fühle mich bei ihm auch sicher.“ Der bissige Unterton in meiner Stimme ist unüberhörbar.

      Nun lacht Marsha leise. „Oh, so habe ich das nicht gemeint, Kindchen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr ein tolles Team seid und beide einander tief vertraut.“ Ich nicke nur nachdrücklich. „Doch als du von Washington erzählt hast, dem Adam und seiner Clarissa und dass sie dich zurückließen … Ich habe gesehen, wie du ihn währenddessen angesehen hast. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich denke nicht, dass er dir das jemals antun könnte.“

      „Ich auch nicht. Eigentlich“, füge ich dann nach kurzem Zögern hinzu. „Ich weiß, dass er es nicht tun würde. Er hatte schon in mehreren brenzligen Situationen die Gelegenheit mich zurückzulassen und hat mir dennoch immer geholfen. Aber ich habe trotzdem Angst. Ich wurde schon einmal alleine zurückgelassen. Und es war einfach nur furchtbar.“

      Marsha seufzt leise. „Wir alle haben Angst alleine zu sein. Lexi ist ein tolles Mädchen, weißt du. Sie ist gerade erst achtzehn geworden, noch so jung. Sie ist immer so fröhlich gewesen, bis das alles hier begann. Jetzt hat sie ihre ganz Familie verloren und seitdem nur noch mich.“ Kurz schweigt sie. „Aber ich bin alt, ich habe nicht mehr die Kraft und die Schnelligkeit, um uns beide zu schützen. Ich wusste, dass wir die Stadt verlassen müssen, doch ich wusste auch, dass ich es nicht schaffen würde. Und der Gedanke sie alleine in dieser Welt zu lassen … Daher habe ich ihr gesagt, dass wir bleiben sollten, in meinem Haus. Sie verlässt sich auf mich, vertraut mir, so wie Liam dir.“

      Ich nicke langsam. „Es ist schwierig stark zu bleiben.“

      „Aber wir müssen stark bleiben, für sie.“

      „Ja.“ Kurz schweigen wir beide. „Ich werde auf sie aufpassen, Marsha“, sage ich dann leise. „Falls dir je etwas passieren sollte, werde ich auf sie aufpassen. Ich werde ihr schießen beibringen und ihr zeigen, wie sie sich verteidigen kann. Und dir auch, damit ihr beide für den Notfall bereit seid. Dafür bitte ich dich, dasselbe für mich zu tun. Ein Auge auf Liam zu haben, falls mir etwas zustoßen sollte.“ Wieder sehe ich zu seiner schlafenden Gestalt. „Er macht Witze, wirkt stets gefasst und gewappnet. Doch ich weiß, dass er Angst hat, große sogar. Er ist sehr sensibel.“

      „Das glaube ich auch.“ Ihre Hand fasst meine Schulter, drückt sie kurz. „Abgemacht, Kindchen. Aber lass uns doch auch gleich, wenn wir schon Abkommen schließen, eines machen, in dem wir einander versprechen, so lange wie möglich durchzuhalten, okay?“

      Ich lache leise, nehme eine Hand vom Steuer und lege sie auf ihre. „Das klingt sehr gut.“

      Auch sie gluckst. „Ich bin euch wirklich sehr dankbar, dass ihr uns mitgenommen habt. Nach allem, was ihr erzählt habt und was ich auch selber gesehen habe, ist es nicht mehr selbstverständlich auf die Hilfe anderer Überlebender zu setzen.“

      „Das stimmt wohl.“ Ich sehe wieder John, Keith und ihre Freunde vor mir. „Man muss mehr denn je aufpassen, wem man vertrauen kann und wem nicht. Leider.“

      „Solange wir einander vertrauen, wird alles gut werden.“

      Ich muss über ihren Optimismus lächeln. Die Sonne geht langsam auf, ich betrachte den orangefarbenden Himmel. Trotz oder vielleicht wegen all der Erlebnisse der letzten Tage kann ich mich kaum satt sehen an diesem Bild, dieser Idylle und Friedlichkeit, die es ausstrahlt. Liam neben mir rührt sich, er streckt sich, öffnet dann langsam die Augen. Er blinzelt gegen die ersten Sonnenstrahlen an, reibt sich den Schlaf aus den Augen und setzt sich dann auf.

      Erst sieht er zu mir, dann zu Marsha, die noch immer zwischen unseren Sitzen durchschaut. Anschließend wandert sein Blick aus dem Fenster, auf die leere Straße, auf der wir gerade unterwegs sind. „Wo sind wir?“, fragt er und gähnt im nächsten Moment.

      Mein Blick huscht kurz zu der Karte, die ausgebreitet auf dem Armaturenbrett liegt. „Ich glaube, der Ort heißt Summertown. Vor einer halben Stunde etwa sind wir an Columbia vorbei.“

      „Was? Wir sind schon in Tennessee?“ Mit einem Mal ist er hellwach.

      Ich muss tatsächlich schnauben. „Schon? Ich musste in der Nacht zweimal wenden, das eine Mal kam eine Herde Parasiten auf uns zu, das andere Mal versperrten mehrere Wagen die Fahrbahn. Und weil ich Nashville so weitläufig wie möglich umfahren wollte, sind wir etwas vom Kurs abgekommen. Aber ich glaube, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist, der Interstate wird nicht anders aussehen als die anderen zuvor.“

      „Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin, Kleines.“

      „Macht doch nichts.“ Ich lächle ihn an. „Du musst auch irgendwann mal schlafen. Außerdem haben Marsha und ich uns nett unterhalten.“

      „Genau“, stimmt diese munter zu.

      „Dann bin ich ja beruhigt.“ Er blickt sich um. „Wollen wir wieder tauschen, Blondie? Es scheint recht ruhig hier zu sein. Und wenn du die ganze Nacht durchgefahren bist, solltest du jetzt mal etwas schlafen.“

      „Ich wäre auch dafür, dass wir kurz anhalten, ich müsste mal“, sagt Marsha. „Und ich glaube, dass Bender auch etwas Auslauf vertragen kann.“

      Ich sehe mich in der ruhigen Kleinstadt um, weder Parasiten noch Menschen sind zu sehen. Mein Blick gleitet über abgestellte Fahrzeuge, deren Türen noch offen stehen, eingeschlagene Fensterscheiben und auf der Straße verteilte Lebensmittel. An einigen Hausfassaden sehe ich blutige Handabdrücke. „Na gut, lasst uns mal schauen, was wir hier so finden.“

      Marsha weckt Lexi auf und holt eine Hundeleine aus deren Umhängetasche, während ich in der Mitte einer Kreuzung anhalte. Liam holt den Revolver aus dem Handschuhfach, dem er dem toten Mann damals abgenommen hat. Mein Blick fällt auf mein inzwischen leeres Handy, erinnert mich an meine tote Tante und das dieses Virus in Deutschland ebenfalls ausgebrochen ist. Dann klappt er das Handschuhfach wieder zu.

      Er dreht sich zu den anderen beiden um. „Hier, eine von euch nimmt den Revolver. Wenn euch jemand oder etwas zu nahe kommt, versucht ihr erst zu fliehen. Ihr schießt nur, wenn es wirklich nötig ist, und dann immer auf den Kopf zielen.“ Er sieht die beiden eindringlich an, übergibt Lexi dann den Revolver, nachdem Marsha ihm bedeutet hat, ihn ihr zu geben.

      Ich ziehe den Hammer und einen der Schraubenzieher aus meinem Gürtel

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