Melange, Verkehrt und Einspänner. Josef Mugler

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Melange, Verkehrt und Einspänner - Josef Mugler

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Film erinnerte, den sie vor nicht allzu langer Zeit gesehen hatte. Einer der beiden hatte ein Glas mit Flüssigkeit, vermutlich Wasser, in der Hand.

      Er sagte zu Anke: „Mädchen, wenn du versprichst, still zu sein, dann nehmen wir dir das Klebeband vom Mund und die Fesseln von Händen und Beinen, und du kriegst außerdem was zu trinken.“

      Anke fühlte erneut den Durst. Sie nickte mit dem Kopf. Der andere nahm ihr das Klebeband ab, das tat zwar ein bisschen weh, wirkte aber doch wie eine Befrei­ung. Sie musste plötzlich daran denken, wie sie nach der unsanften Behandlung wohl jetzt aussähe. Aber ihr Verstand drängte sie, sich vielmehr darum zu küm­mern, was das Ganze zu bedeuten habe, und sie setzte an zu fragen. Da fuhr ihr der, der ihr das Klebeband abgenommen hatte, dazwischen, als ob er ihre Ab­sicht geahnt hätte, und sagte:

      „Lass die Fragen, Mädchen! Nebenan ist ein Badezimmer. Sieh zu, dass du wie­der in Ordnung kommst!“ Anke war froh, endlich eine Toilette benützen zu dürfen. Es war ihr egal, dass man die Tür nicht versperren konnte. Die Bewacher ließen sie einige Augenblicke allein.

      Anke beschloss, den Anweisungen zu folgen. Sie glaubte, keine andere Wahl zu haben. Widerstand gegen zwei Männer in einer ihr völlig unbekannten Umge­bung schien ihr aussichtslos.

      „Jetzt trink das! Du hast es bald überstanden, ich meine deinen unfreiwilligen Besuch bei uns. Wir sagen dir gleich, wie es weitergeht.“

      Anke hatte bereits im Badezimmer Leitungswasser getrunken und zögerte.

      „Ist gut für dich. Trink das!“, wiederholte der eine der Maskierten. Das Wasser schmeckte bitter. Sie hatten wohl etwas hinein getan. Anke schauderte bei dem Gedanken und stieß ein Schimpfwort hervor.

      „Reg dich nicht auf, Mädchen! Es ist wirklich gleich vorbei. Du darfst nur nichts über uns erfahren. Deshalb müssen wir dich nochmals ruhig stellen. Brauchst keine Angst haben!“

      Anke war wütend über die hochherzige Fürsorge ihrer Bewacher. Sie riss an den Bändern, mit welchen immer noch ihre Füße so gebunden waren, dass sie keine großen Schritte machen konnte. Sie spürte, dass sie wenig Kraft hatte. Sie sah ein, dass sie sich unmöglich selbst befreien konnte. Dann beschlich sie das Bedürfnis, sich ausruhen zu wollen. Warum nur, wo sie doch eine be­trächtliche Zeit ohnehin nur ruhig da gelegen war? Sie spürte die Schläfrigkeit, aber sie konnte sich nicht dagegen aufbäumen. Sie fühlte wohlige Wärme und Ruhe. Dann verlor sie das Bewusstsein.

      Als Anke erneut zu sich kam, war es genauso dunkel um sie wie vorher. Wieder dachte sie zuerst an einen bösen Traum, konnte nicht glauben, dass sie das wirklich erlebt hatte, was ihr die Erinnerung nach und nach preisgab. Wo war sie jetzt? War sie noch in der Gewalt ihrer Entführer oder der von diesen beauf­tragten Personen? Sie merkte, dass sie nicht mehr gefesselt war. Sollte sie schreien? Sie entschloss sich, zuerst nach Gegenständen in ihrer Umgebung zu tasten. Sie glaubte, einen ihr vertrauten Geruch wahrzunehmen. Oder roch sie sich selbst? Ihre Finger glitten eine Wand hoch, eine tapezierte Wand. Sie setzte sich auf. Langsam erfassten ihre Augen Konturen. Es war doch nicht voll­kommen finster im Raum. Sie konnte die Umrisse eines Fensters erkennen. Das war offenbar verdunkelt, denn die Fensterfläche war schwarz. Dann glitt ihr Blick zu einem Möbelstück, das ein Schrank sein musste. Anke erschrak. Das war ihr Schrank. Und jetzt kam ihr Bewusstsein Schlag auf Schlag voran. Sie war zu Hause, man hatte sie in ihrer eigenen Wohnung abgesetzt.

      Mit einem Ruck – oh je, so schnell ging das nicht, nach der langen Betäubung – unter Aufbietung all ihrer Kraft richtete sie sich auf. Sie fühlte sich elend schlapp. Am liebsten hätte sie sich wieder hingelegt, sie war ja zu Hause, sie war nicht mehr in einer ihr fremden und feindlichen Umgebung. War es wirklich kein Traum gewesen? War sie vielleicht krank? Ja, sie fühlte sich wie nach einer schweren Grippe, wenn man hohes Fieber hinter sich hatte und noch gar nicht gerne auf die Beine will. Ausruhen von einer langen schweren Krankheit, das war die Sehnsucht, die sie wieder auf das Bett, auf dem sie gelegen war, nieder­drücken wollte. Doch das Geschehene forderte sie zum Handeln heraus. Ihr Geist kämpfte gegen ihren schwachen Körper. Was war als Erstes zu tun? Sie zwang sich auf, um wenigstens Licht machen zu können. Ihre teure Decken­beleuchtung tauchte das Zimmer in das gewohnte Licht. Sie schleppte sich zum Fenster. Das hatte einen Rollladen, der den Raum fast völlig vom Außenlicht abschirmen konnte. Sie zog den Rollladen hoch. Wie schwer das fiel! Er musste ja nicht gleich ganz hochgezogen sein! Durch den Spalt, den sie schaffte, drang das graue Licht eines düsteren Novembertages. Es war Tag. Anke fragte sich, welcher Tag es war. Wie lange war sie ohne Bewusstsein gewesen? Wie lange hatten sie die Entführer festgehalten? Sie hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Sie schaute auf die Standuhr auf der Kommode: Es war fast 11 Uhr. Aber welcher Tag war heute? Sie schaltete den Fernseher ein. Da kam ihr in den Sinn, dass sie unmöglich allein in ihre Wohnung hereingekommen sein konnte. Hatten die Entführer sie hier abgesetzt? Wie kamen die in ihre Wohnung? – Natürlich! Sie hatte ja den Wohnungsschlüssel in ihrer Handtasche. Das war also leicht erklärbar. Waren die Entführer womöglich noch hier? Wurde sie nun in ihrer eigenen Wohnung gefangen gehalten? Anke schleppte sich ins Vorzimmer, hielt Nachschau in allen Räumen ihrer kleinen, aber geschmackvoll ausgestatteten Wohnung. Die Tür auf den Korridor war geschlossen. Sie war allein in ihrer Wohnung, sonst niemand hier. Bevor sie jemanden von ihrem Auftauchen in­formieren würde, beschloss sie, eine Dusche zu nehmen.

      Dann rief sie zuerst Herbert an. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass Herbert an ihrer Geschichte zweifelte. Aber er wollte sie immerhin sofort aufsuchen, was bedeutete, dass er die Sache an sich ernst zu nehmen schien. Sie war ernst und es machte keinen Unterschied, ob es wirklich passiert war oder eingebildet. Es war in beiden Fällen ernst. Doch Anke wurde bewusst, dass man auch in ihrer Firma, der Consulting Support, ihr Wiederauftauchen so rasch wie möglich erfahren sollte. Da war doch dieser Gast, den sie vom Flughafen abholen sollte. Wer sich wohl um den gekümmert haben würde? Also beschloss Anke, erst einmal in der Firma anzurufen und dann auch gleich hinzufahren. Ja, und die Polizei wäre auch zu verständigen. Aber das würde sie von der Firma aus machen, nachdem sie mit den klugen Köpfen dort beraten haben würde, was jetzt alles zu erledigen sei.

      *

      Mario Andolfi saß in seinem Büro und konnte sich nicht auf seine Arbeit kon­zen­trieren. Sollte er seine Frau verständigen, in welch merkwürdiger Situation sie plötzlich durch sein Wissen waren? War nicht nur er, sondern waren auch seine Frau und seine Tochter in Gefahr? Wenn es sich um skrupellose Ver­brecher handelte, könnten die sich an seine Familie heranmachen, um ihn zum Verrat von Rons Aufenthalt zu zwingen. Wenn nun aber sein Telefon ebenfalls bereits abgehört würde, dann wäre sein Anruf nur die Bestätigung dafür, dass er der Schlüssel zu Ron war, der einzige Schlüssel, wie er sich nicht ohne stei­gen­des Angstgefühl eingestehen musste. Der Gedanke lähmte ihn so, dass er sich zu keiner Handlung durchringen konnte. Was hatte dieser Priem gesagt? Er solle sich nicht aus dem Büro wagen, bis sie professionellen Schutz organisiert hätten? Wie war es nur möglich, dass er plötzlich zur Schlüsselfigur in einem Kri­mi­nalfall geworden war?

      Andolfis Sekretärin meldete einen Herrn Weissacher, der im Auftrag von Consulting Support hier wäre. Mario war froh, dass sich jemand so schnell um ihn kümmerte. Einen Augenblick durchzuckte ihn der Gedanke, dass dieser Be­sucher von der Gegenseite sein könnte, dass er in eine Falle getappt sein könnte. Aber Weissacher war schon im Zimmer.

      „Alles in Ordnung? Irgendwelche besonderen Vorkommnisse seit dem Telefonat mit Herrn Priem?“

      Weissacher machte auf Mario einen beruhigenden Eindruck. Der schien die Sache professionell anzugehen.

      „Glauben Sie, dass … dass auch meine Familie in Gefahr ist?“

      „Wir werden einen Wagen hinschicken. Geben Sie mir die Adresse!“

      Sie würden einen Wagen hinschicken? War denn hier schon eine ganze

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