Der Shaolin. Karl-Heinz Jonas

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Der Shaolin - Karl-Heinz Jonas

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Ein dumpfes Dröhnen war in seinem Kopf, körperliche Schmerzen verspürte er kaum. Am meisten schmerzte Sun Ling, dass er all diese Männer gut kannte. Sie waren einmal seine Freunde gewesen! Er wollte sich wehren, doch seine Arme und Beine gehorchten ihm nicht. Langsam sackte er auf den Boden und blieb reglos liegen. Er schaute in die wutverzerrten Gesichter der Männer, die noch immer auf ihn einschlugen.

      Das Dröhnen in seinem Kopf wurde immer stärker; die Schläge nahm er nur noch aus weiter Ferne wahr, als gehörte dieser furchtbar gepeinigte Körper gar nicht zu ihm. Dann spürte er, wie er an Händen und Füßen gepackt und über den Rand eines tiefen Abgrunds geworfen wurde. Und plötzlich verstand er die Worte, die die Männer noch immer schrien. „Schande über dich und deine Hurentochter!“ „ Schande über euch!“ „Schande!“ „Schande!“

      Er fiel und fiel, und mit zunehmender Geschwindigkeit verstärkte sich das unerträgliche Dröhnen in seinem Schädel. Die Schreie der Männer wurden durch das Echo vervielfacht: „Schande! Schande!“

      Nahm denn diese Schlucht gar kein Ende? Wann würde ihn der Aufprall endlich von seinen Qualen erlösen?

      Es war jedoch nicht der Aufprall, sondern die vertraute Stimme der über alles geliebten Tochter, die ihn aus seinen furchtbaren Gedanken in die Wirklichkeit zurückholte – in eine Wirklichkeit, die wohl nicht schlimmer sein konnte.

      Alles Blut war aus seinem Gesicht gewichen, die Augen waren ausdruckslos. „Meine Tochter geschändet, geschwängert. Geschwängert von einem Mönch. Und du liebst ihn trotzdem?“ Er sah Jiao fassungslos an.

      „Ja, Vater, ich liebe ihn.“

      „Weiß er, dass er Vater wird?“

      „Nein, Vater.“

      Vater! Dieses Wort war es, das ihn sich an Jiaos Geburt erinnern ließ. Wie er das erste Mal sein Kind in den Armen hielt, sein eigen Fleisch und Blut! Er erinnerte sich an das unbeschreibliche Gefühl, das er empfunden hatte, als ihn die Augen der Tochter anstrahlten, die kleinen Händchen nach ihm griffen, und er spürte, dass ihm dieses kleine Wesen alle Liebe schenkte, die in seinem winzigen Herzen wohnte. Als ihm klar wurde, dass ihm dieses kleine Geschöpf viel mehr bedeutete als selbst das eigene Leben. Wie er gelitten hatte, wenn Jiao erkrankt war, wie er des Nachts kein Auge schließen konnte, aus Angst um das Leben seines Kindes. Und wie schnell die Qualen vergessen waren, wenn er Jiao außer Gefahr wusste.

      Wäre es nicht die größte Strafe für einen Vater, all das niemals empfinden zu dürfen? Jawohl, diese Strafe war gerecht. Dieser Li Ning hatte kein Recht auf sein Kind!

      „Er weiß es nicht“, flüsterte er mit kraftloser Stimme. „Das ist gut. Und er soll auch nicht erfahren. Niemals!“

      Mühsam erhob er sich. Mit gebeugtem Rücken und gesenktem Kopf, als sei er in den letzten Minuten um Jahre gealtert, ging er zur Tür. Immer wieder schüttelte er den Kopf und wiederholte dabei die Worte: „Niemals sollst du es erfahren, du Schuft. Niemals.“

      Mutter und Tochter sahen einander ebenso traurig wie hilflos an.

      Kapitel 5

      Fünf Jahre waren vergangen. Für Li Ning waren es fünf Jahre des intensivsten Trainings – aber auch des Vergessens.

      In jüngster Zeit hatte er nur noch sehr selten an Jiao denken müssen. Auch taten die Gedanken an das schöne Mädchen nicht mehr weh. Sicher hatte sie längst den richtigen Mann gefunden und war glücklich verheiratet.

      Ek Chen hatte er ganz vergessen.

      Nur das Kung Fu hatte es in diesen fünf Jahren für ihn gegeben. Das Kung Fu, das ihm geholfen hatte zu vergessen, und das er gemeinsam mit seinem Meister vervollkommnet und in wesentlichen Punkten erweitert hatte.

      Li Ning befand sich gemeinsam mit vier weiteren jungen Mönchen und Meister Shu auf dem Weg zum benachbarten Kloster.

      „Haben noch weitere Klöster Einladungen zu dem Turnier erhalten, Meister?“

      „Ja, Bruder Ning. Es werden sicher Brüder aus vielen Klöstern am Start sein. Ihr wisst, dass bis vor einigen Jahrzehnten unsere Kampkunst ein streng gehütetes Geheimnis war. Dann hat unser Kloster den Bitten unserer Glaubensbrüder nachgegeben, sie in unserer Kampfkunst zu unterrichten. Um die Fortschritte dieser Mönche festzustellen, wurde irgendwann begonnen, im Abstand von einigen Jahren Vergleichswettkämpfe durchzuführen. Dies ist zur Tradition geworden, und um der Chancengleichheit willen wechseln die Orte dieser Veranstaltungen. Und ihr könnt mir glauben, nicht immer haben Kämpfer aus unserem Kloster den Sieg davongetragen.“

      Meister Shu schmunzelte.

      „Ihr werdet uns doch keine Angst machen wollen, Meister.“ Auch auf Li Nings Gesicht erschien ein Lächeln.

      „Nein, natürlich nicht. Ihr alle habt fleißig trainiert und werdet sicher gut abschneiden. Trotzdem dürft ihr die anderen Mönche nicht unterschätzen.“

      Li Ning nahm sich vor, die Worte des Meisters ernst zu nehmen.

      Obwohl das stundenlange Wandern mit Gepäck ungewohnt und daher recht anstrengend war, freuten sich die jungen Mönche doch, auf diese Weise einen Teil ihrer Heimat kennenzulernen.

      Als die Wanderer nach sechs Tagen ihr Ziel erreichten, waren sie von dem Treiben im gastgebenden Kloster überrascht. Sie waren bei weitem nicht die ersten, die angekommen waren, und stündlich wurden es mehr. Es herrschte eine Stimmung wie auf einem Volksfest.

      Meister Shu und seine jungen Kämpfer wurden vom Abt des Klosters auf das Herzlichste begrüßt, ebenso wie alle anderen auch. Sie erfuhren, dass Kämpfer aus zwanzig Klöstern ihre Teilnahme angekündigt hatten. Kämpfer aus der gesamten Provinz Henan würden also am Start sein!

      Meister Shu hatte in jungen Jahren des öfteren an solchen Turnieren teilgenommen und auch mehrmals gewonnen. Doch eine solch große Teilnehmerzahl war auch in seinen Augen ungewöhnlich.

      Bis zum Turnierbeginn waren noch zwei Tage Zeit. Sie wurden genutzt, um sich an die ungewohnte Atmosphäre zu gewöhnen, andere Mönche kennenzulernen, aber auch, um noch ein wenig zu trainieren. Im Einvernehmen mit seinem Meister achtete Li Ning darauf, die neuen Techniken noch nicht zu zeigen. Diese würde er erst im Wettkampf anwenden.

      Endlich war es soweit, der Wettkampftag brach an. Alle Teilnehmer und deren Meister waren schon sehr früh auf den Beinen, um sich so gut wie möglich auf den Wettkampf vorzubereiten.

      Dann versammelte man sich auf dem Kampfplatz, um der Eröffnung beizuwohnen.

      Die Eröffnungsworte des berühmten Meisters Tang Fu brachten für alle Anwesenden eine Überraschung.

      „Liebe Brüder, verehrte Meister“, begann er. „Ich bin sehr glücklich, dass so viele Kung-Fu-Kämpfer den Weg in unser Kloster gefunden haben. Zeigt es doch, wie intensiv unsere traditionelle Kampfkunst in den Klöstern unserer Provinz betrieben wird. Dies freut mich umso mehr, da am heutigen Tag auch in allen anderen Provinzen des Reiches der Mitte ein ebensolches Turnier stattfindet. Die Sieger dieser Turniere werden an den erstmals stattfindenden Meisterschaften des gesamten Reiches teilnehmen. Deshalb möge der Beste von euch den Sieg davontragen und unsere Provinz Henan bei den großen Meisterschaften würdig vertreten.“

      Nach den letzten Worten

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