Der Shaolin. Karl-Heinz Jonas

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Der Shaolin - Karl-Heinz Jonas

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mehr sorgte er sich um Jiao. Was sollte aus ihr werden, wenn jemand das Geschehene erführe? Eine Frau durfte nur mit ihrem Ehemann intim sein – und dieser würde er niemals sein können!

      Die Verantwortung lag allein bei ihm. Durch seine Unbeherrschtheit hatten sie sich eines der schlimmsten Vergehen schuldig gemacht. Niemand durfte jemals davon erfahren; ihre Liebe musste für immer ein Geheimnis bleiben!

      Je mehr er sich dem Kloster näherte, desto mehr plagte ihn sein schlechtes Gewissen. Wie sollte er nur seinen Brüdern unter die Augen treten?

      Zum Glück begegnete ihm im Hof kaum jemand, und den wenigen schien nichts aufzufallen. Er glaubte schon, niemand würde etwas bemerken, da begegnete ihm der Meister. Ein Ausweichen war unmöglich, und gerade den Meister würde er nicht täuschen können! Keiner kannte ihn so gut wie Meister Shu, und niemand konnte den Menschen ihre Gedanken so sicher von den Augen ablesen wie er. Li Ning wusste, dass sein Blick für den Meister wie ein offenes Buch war. Vor Scham schlug er die Augen nieder.

      Meister Shu verriet jedoch mit keinem Wort, keiner Geste, sein Wissen über Li Nings schlechtes Gewissen.

      An den nächsten Tagen verhielt sich Li Ning äußerlich völlig normal. Seine Brüder schienen nichts gemerkt zu haben, und der Meister tat weiterhin, als sei nichts geschehen.

      Li Ning wagte selbstverständlich nicht, die Besuche bei der Familie Ling fortzusetzen, das konnte er Jiao unmöglich antun. Und wenn er sie schon nicht glücklich machen konnte, musste er versuchen, sie zu vergessen!

      Beim Training gelang ihm das wenigstens teilweise. Doch spätestens abends, wenn er allein in seiner Kammer war, kehrte die Erinnerung zurück. Die Sehnsucht nach Jiao und sein schlechtes Gewissen führten in seinem Inneren einen aussichtlosen Kampf.

      L Ning wusste sich irgendwann nicht mehr zu helfen und beschloss, sich dem Meister anzuvertrauen. Er war sich durchaus bewusst, welche Konsequenzen daraus für ihn erwachsen konnten. Er lief Gefahr, in Schande aus dem Kloster ausgestoßen zu werden, was praktisch seinen Tod bedeutet hätte. Ein ausgestoßener Mönch war ein Mann, der seine Ehre verloren hatte und zwangsläufig dazu verurteilt, sich das Leben zu nehmen. Doch alles wäre Li Ning lieber gewesen als der jetzige, unerträgliche Zustand.

      Eines Abends, als er den Meister im Garten bemerkte, suchte er, wie zufällig, dessen Nähe.

      „Bruder Ning“, sprach der Meister seinen Lieblingsschüler an. „Du möchtest etwas Wichtiges mit mir besprechen?“

      „Ja, Meister. Es ist mir nicht möglich, mein schändliches Verhalten länger für mich zu behalten.“ Wie sollte er es dem Meister nur sagen? Doch dann sprudelten die Worte nur so aus seinem Mund: „Meister, ich habe unserem Kloster große Schande bereitet.“ Schamrot, mit gesenktem Kopf, beichtete er sein Vergehen.

      Lange währte das Schweigen des Meisters, sehr lange. Zu ungeheuerlich musste die Tat in seinen Augen sein.

      Li Ning fürchtete das Allerschlimmste.

      „Nun, Bruder Ning“, begann Meister Shu endlich. „Auch ich war einmal jung. Auch ich habe hübsche Mädchen kennen gelernt, und auch ich habe sie begehrt. Doch dass du dich so weit vergessen konntest, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich muss dir sicher nicht sagen, dass ich sehr enttäuscht bin. Du bist dir der möglichen Folgen deiner Tat bewusst?“

      „Ja, Meister.“

      „Du wirst sie nie wiedersehen.“

      Diese Worte fuhren Li Ning wie Messerstiche ins Herz. Ihm war, als höre sein Blut auf zu fließen. Aber er hatte keine Wahl. Und war er sich dessen nicht schon vorher bewusst gewesen? Hatte er es nicht schon selbst so beschlossen? Trotzdem brachte er die Worte nur mit Mühe über die Lippen: „Nein, Meister. Niemals.“

      „Gut. Dein Verhalten kann ich nicht billigen, doch kann und will ich dich nicht verurteilen. Dies zu tun, ist einzig unserem Herrn vorbehalten. Aber ich verlasse mich auf dein Wort. Du wirst sie nie wiedersehen.“

      „Nein, Meister“, wiederholte Li Ning. Obwohl ihm das Herz brechen wollte, so war er doch auch erleichtert. Der Meister hatte ihn nicht verurteilt, und er würde ihn auch nicht verraten. Tiefe Dankbarkeit erfüllte den jungen Mönch.

      Doch auch die tiefste Dankbarkeit konnte die Erinnerung an Jiao nicht völlig verdrängen. Abends, wenn er einzuschlafen versuchte, erschien ihm das Bild der jungen Frau, als sei sie gegenwärtig. Er glaubte sie zu spüren, sie in den Armen zu halten. Und wenn er in die Wirklichkeit zurückgekehrt war, fühlte er sich allein und unglücklich. Die Wiederholung des schönsten Erlebnisses seines Lebens würde für immer ein Traum bleiben. Nie wieder würde er den Duft ihrer Haare einatmen, nie wieder die Sehnsucht in ihren Augen lesen und nie wieder ihren verlangenden Körper spüren. Nie wieder!

      Oft holte ihn nun auch wieder dieser furchtbare Traum ein, in dem ihm Jiao als Ermordete erschien. Und wenn er erwachte, war er ebenso schweißgebadet wie beim ersten Mal.

      Kapitel 3

      Jiao ging ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, der Pflege ihrer Blumen. Doch ihre Gedanken waren woanders. Immer wieder wanderte ihr Blick zum Eingang des Gartens, und jedesmal war ihre Enttäuschung groß. Seit nun schon drei Monaten waren ihre Blicke vergeblich. Li Ning kam nicht, und der Grund dafür war ihr unbegreiflich. Sicher war es ihre Schuld. Niemals hätte sie sich ihm hingeben dürfen! Verachtete er sie am Ende deshalb? Aber sie hatte doch gespürt, dass sein Verlangen ebenso groß gewesen war wie das ihre. Warum also kam er nicht?

      Jiao fühlte sich schwach und elend. In jüngster Zeit hatte sie häufig mit Schwindelanfällen zu kämpfen und musste sich des öfteren übergeben. Auch hierfür hatte sie keine Erklärung und machte ihre Sehnsucht dafür verantwortlich.

      „Jiao, Li Ning war lange nicht hier.“ Wie ein Schlag ins Gesicht trafen sie die Worte ihrer Mutter, die sich ihr unbemerkt genähert hatte.

      „Nein“, hauchte sie, ihrer Stimme kaum mächtig.

      „Er kommt nicht mehr?“

      Sie glaubte das Rauschen eines Sturmes zu hören, doch kein Lüftchen regte sich. „Ich weiß es nicht.“ Lauter und lauter wurde das Rauschen in ihren Ohren.

      „Du hast dich ihm hingegeben?“

      Alles um sie herum schien in Bewegung geraten zu sein. „Du weißt….?“ Sie sah die Blumen auf sich zukommen, dann spürte sie nichts mehr.

      „Jiao, Jiao, komm zu dir.“

      Wie aus weiter Ferne drang die Stimme der Mutter an ihr Ohr. Nur langsam kam sie wieder zu sich, aber damit kam auch die Erinnerung an die letzten Worte ihrer Mutter zurück. Sie wusste es also! Was würde sie jetzt tun? Wusste auch der Vater schon davon? Welch eine Schande hatte sie ihren geliebten Eltern angetan. Wenn sie doch wenigstens sterben könnte! Mühsam erhob sie sich.

      Frau Ling las die Verzweiflung in den Augen ihrer Tochter und nahm sie in die Arme, wie schon seit Jahren nicht mehr. Mit einem tiefen Seufzer umschlang Jiao den Hals ihrer Mutter. Sie war nicht länger in der Lage, die Tränen zurückzuhalten.

      „Weine nur, mein Kind. Weinen erleichtert.“

      Als Jiaos Tränen versiegt waren, hielt Frau Ling sie noch immer in den Armen. Sie musste ihrer Tochter jetzt sehr weh tun, aber es hatte

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