Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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lediglich in ihren Augenwinkeln blitzte es ein wenig. „Die Burschen des Ortes sind damals schreiend und pfeifend von der Altmühl her durch den ganzen Ort hinter und neben dem Karren hergelaufen. Es war, als hätte ich am Pranger gestanden – und ich hatte nichts getan.“

      „Die Büttel, der Wallert und der andere, was haben die gemacht? Immerhin mussten die dich doch unversehrt zum Turm bringen. Die hätten doch nur schneller zu fahren brauchen.“

      „Ich glaube, die haben das genossen! Gar nicht bewusst und ganz sicher auch, ohne sich abzusprechen. Sie haben es ganz einfach aus der Situation heraus genossen! Sind langsamer gefahren, damit die sonst so lieben Mitmenschen, die überall an der Straße und in den Hauseingängen standen und in den Fenstern und Luken lagen, sich an meiner Angst, an meinem Entsetzen weiden konnten. Ich wusste schon während dieser Fahrt genau, dass ich verloren war. Wer einmal so durch die Stadt gefahren worden ist, der gehört nicht mehr dazu, den kann man nicht mehr zurück unter die Menschen schicken. ...

       Ein kleiner Junge, gerade so groß, dass er über die Wagenkante oberhalb des Rades schauen konnte, rannte an der Hand seiner Schwester neben dem Wagen her, die kleine Hand voller loser Steinchen. Als er in einem günstigen Moment nach ihr warf, trafen sie einige der Steinchen ins Gesicht, was mit lautem Johlen und Pfeifen bejubelt wurde.

       Gleich darauf verließ der Karren durch das obere Tor die Stadt. Sie blickte auf die dicken Mauern, an denen sie vorbeifuhren, auf die zwei Frauen, die, mehrere Kinder eilig nachziehend, unbedingt gleichzeitig mit dem Karren das Tor passieren mussten. Und dann, als der Karren nach links schwenkte und sie sich vorsichtig umwandte, sah sie das Haus des Scharfrichters! Schräg gegenüber dem Stadttor lag es so, als wolle sein Bewohner stets sehen, wer da herangekarrt wurde. Schritt für Schritt zog das Pferd sie näher an das Haus heran, geriet dieses deutlicher in ihr Blickfeld. Sie kannte das Haus, war unzählige Male hier vorbei gegangen, heute wirkte es dunkel, bedrohlich ruhig, als würde es auf sie warten.

       Ebenso der Platz, den sie überquerten. Er war ihr von unzähligen Gängen her nur zu bekannt. Von ihrem Sünderkarren herunter, angebunden und gedemütigt, fühlte sie sich jetzt fremd hier, erschauerte vor dem Turm, der allmählich grau und massig neben ihr auftauchte. Verstand auch nicht, warum all die Menschen dem Wagen ebenso gefolgt waren wie die Burschen, die sie den ganzen Weg durch die Stadt geärgert und gepeinigt hatten.

       Als der Karren endlich direkt vor dem Turm anhielt, blickte sie wie ein gefangenes Tier unsicher und verängstigt herunter. Sah um sich herum hastende Bewegungen, sah die sich rasch bildende Runde. Sah endlich diese Menschen, die ihr alle so bekannt waren und die jetzt in einem schweigenden Kreis um den Karren neugierig hin und her schwankten. Schlagartig übertrug sich etwas auf sie, was sie nicht erklären konnte, aber sie spürte, dass eine gewisse Spannung in der Luft lag. Auf irgendetwas wartete diese Meute, irgendetwas sollte mit ihr geschehen.

       Ihre Angst steigerte sich zur Panik, ließ sie herumfahren als sie spürte, dass sich jemand hinter ihr bewegte. Einer der Büttel war zu ihr nach hinten auf den Karren gestiegen und machte sich an ihren Füßen zu schaffen. Ein bulliger Kerl, auf dessen strohigen, roten Haare sie angewidert hinabsah. Ihr Blick hetzte zurück auf die Umgebenden, raste an den gespannten, geifernden Gesichtern entlang, die sie doch alle kannte und schrak zurück, als sich der Rothaarige vor ihr erhob: Sie schaute in ein verwüstetes und entstelltes Gesicht. Von der Nase bis zum Ohr, dort wo sich normalerweise der Jochbogen erhob, fehlte die linke Gesichtshälfte. Geblieben war unterhalb der Stirn eine einzige, flach zum Ohr hin fliehende Narbe.

      „Runter!“ er wies mit dem Kinn auf die Wagenseite, die ihm gegenüber lag und auf der sie über das Rad hinunter steigen sollte. Der andere Büttel, etwas älter als der Narbige, saß noch immer wie teilnahmslos auf dem Bock, während sich der Soldat mit der Turmtür beschäftigte.

       Verzweifelt versuchte sie diese winzige Chance, die nur sie als solche sah, zu nutzen. Spürte nicht, wie die Spannung der Umstehenden einem Höhepunkt zustrebte, kletterte ruhig über Rad und Radnarbe hinunter. Dann, mit beiden Füßen auf dem Boden, raffte sie hastig den Strick mit ihren auf dem Rücken gefesselten Händen – der Narbige stand immer noch auf dem Karren – und rannte einfach los, das Strickende hinter sich herziehend.

       Blind rannte sie gegen die feixende, gaffende Meute an, hinter ihr sprang jemand plump auf den Boden, und vor ihr öffnete sich der Kreis für einen winzigen Durchschlupf, starrten ihr fiebrig glänzende Augen entgegen. Sie beugte sich vor, glaubte die Lücke schon erreicht zu haben, hindurch schlüpfen zu können, als sie hinter sich den älteren Büttel ächzen hörte: „Hier bleibst! Verdammte Hex!“ Ein fürchterlicher Ruck am Seil riss ihre Arme nach hinten, riss sie zu Boden und jagte ihr den ersten brennenden Schmerz in die Schultergelenke. Ihren eigenen Schrei nahm sie nicht wahr, weil sie im nächsten Augenblick roh und kraftvoll an den Haaren vom Boden hochgezogen wurde. Und während sie nun der eine Büttel wie eine Ziege unnachgiebig am Strick hinter sich herzog, zerrte der Narbige rüde an ihren Haaren, bog ihren Kopf weit in die Nacken.

       Die Meute um sie herum hatte endlich ihr Schauspiel, johlte und klatschte. ...

      Ich glaube, ich habe damals fortwährend geschrien „Helft mir doch!“ und „Warum hilft mir den keiner?“ Hatte im Kopf: Da war eine Lücke! Sie hätten dich durchgelassen!

      Erst viele Jahre später habe ich verstanden, was da insgesamt – schon während der Fahrt durch den Ort – passiert ist: Es ging gar nicht um mich.“ Sie schob sich ein Stück Brot in den Mund, kaute ruhig und nachdenklich darauf herum. „Wer dort auf dem Wagen saß und nachher in den Turm gezerrt wurde, der stand für alle sichtbar außerhalb der Gemeinschaft, hatte keine Rechte mehr und war deshalb das Opfer aller. Ob derjenige überhaupt schuldig war oder nicht, niemanden interessierte das. Und deshalb hat mir auch niemand geholfen. Irgendwie ist es wie ein Spiel: Es reicht, dass dich jemand, der die Macht dazu hat, außerhalb des Kreises stellt. Sofort bist du aller Rechte beraubt und selbst deine Freunde demütigen dich mit Leidenschaft!“

      Für einen langen Moment war es still, starrten sie sinnend in die Dunkelheit.

      Pater Gregor löste sich von der Hauswand, an der er schon eine ganze Weile gelehnt hatte und goss sich bedächtig Obstwein aus dem Krug in seinen Becher „Wenn man bedenkt, dass sich dieses Schauspiel damals in wenigen Monaten fast dreißig Mal wiederholt hat, so könntet ihr wohl Recht haben.“ Einen kurzen Moment hielt er inne und sah einer Fledermaus hinterher, die in hektischem Zick-Zack-Flug dicht über ihm hinweg geflogen war. „Jedes Mal gab es solch einen miesen Umzug?“ Er hatte die Fledermaus aus den Augen verloren und drehte sich aus der Hüfte halb zu Franz herum: „Jedes Mal! Nur bei der Lisbeth war es wohl anders, die haben sie morgens ganz früh geholt. Die irre gewordene Lisbeth!“

      Einen Schluck Wein aus seinem Becher trinkend, setzte er sich ihr gegenüber auf den dicken Holzklotz – etwas näher zum Feuer. „Allen Frauen, die in den Turm geworfen wurden, erging es so wie euch. Jedes Mal durchliefen sie den gleichen Spießrutenlauf. Nur leider hatte die Einkerkerung für alle diese Frauen einen anderen Ausgang, als das bei euch der Fall war.“

      „Ja – ich hatte, Gott sei Dank, einen Schutzengel, mein lieber Pater.“ Sie nahm ihren Blick aus dem Feuer, wandte sich ihm fast ein wenig ruckartig zu und suchte gleichzeitig Rückhalt an der Hauswand, „Nur damals, am Turm, ahnte ich noch nichts von meinem Glück. Als die beiden Kerle mich wie ein Stück Vieh in den Turm zerrten, hatte ich mich bereits aufgegeben. ...

       Der Narbige zog ihren Kopf so gefühllos und rücksichtslos nach hinten in den Nacken, dass ihr das Atmen schwer fiel. Sie verlor die Orientierung, wurde immer weiter gezogen und ehe sie sich versah, erschien dicht über ihrem Kopf das Mauerwerk und dann – hoch oben – Balken : Sie war im Turm. So, als hätte jemand den Docht einer Öllampe herunter

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