Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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       Langsam, geradezu vorsichtig zog der Narbige die Raußbacher auf den Gang, versuchte sie dort aufzurichten. Therese presste sich kerzengerade gegen die Holzwand im Rücken, schloss die Augen, wandte den Kopf hin und her und kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit: Beide Hände der Raußbacher waren wohl zu doppelter Größe angeschwollen, schauten unförmig als dunkle, verkrustete Klumpen aus den Ärmeln ihres dünnen Leinengewandes. Sie sackte zusammen, wimmernd, das Gesicht qualvoll verzerrt. Der Narbige hielt sie fest, griff ihr unter beiden Armen durch und hob sie etwas hoch, so dass der Ältere ihre Knie greifen konnte. Als der sie anhob rutschte der Leinenkittel hoch. Therese sah das Bein, schaute rasch zur Seite, wollte nicht hinsehen und konnte doch nicht anders: Ein fast schwarzes Bein ragte unter dem Kittel hervor. Angeschwollen, als wolle es gleich platzen, ließ es sich nicht mehr knicken. Ragte dem Alten unter dem Arm durch. Sie schleppten sie aus dem Gang, als wäre sie schon tot.

       Therese suchte den Eimer, musste sich übergeben, schleppte sich auf allen Vieren zur Strohkiste, ließ sich einfach hineinfallen, starrte mit weit geöffneten Augen an die Gewölbedecke, unfähig, zu weinen, zu denken, eigentlich zu allem.

       Nie zuvor hatte sie so etwas gesehen. Sie wagte nicht weiter zu denken, schaute nur nach oben, immer nach oben, während sie am ganzen Körper zitterte. ...

      Mit lautem, trockenen Knacken flog ein großer Funken aus dem Feuer in die Stille, ließ sie zusammenzucken. Franz drückte sich langsam von der Bank hoch, ging um den Tisch herum und blieb dann ein wenig abseits stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, mit dem Rücken zur Hauswand.

      „Die Raußbacher wurde damals am Tag nach eurer Flucht oben auf dem Berg verbrannt!“ Sinnend erinnerte sich der Pater, schaute dabei abwesend auf den Tisch.

      „Davon wird sie nichts mehr gemerkt haben!“ Es war nur eine leise Bewegung, mit der sie den Kopf schüttelte.

      „Wusstet ihr, dass es im Turm so zugeht? Wusstet ihr von diesen Dingen?“ Entsetzen und Fassungslosigkeit schwangen mit in dieser Frage, die Franz in die Dunkelheit hinaussprach.

      Der Pater vergewisserte sich nicht; er wusste, dass er gemeint war, „Franz, heute weiß ich es, damals wusste ich es nicht! Aber ich hätte es wissen können, es war gängige Praxis, so zu verfahren. Die Richter und Scharfrichter handelten tatsächlich nach den entsprechenden Reichsgesetzen und nach dem ´Malleus maleficarum´. Als angehender Jesuit hätte ich mich damals schon damit beschäftigen können. Ich habe es erst getan, nachdem ich selbst betroffen war – leider!“

      Franz wandte sich ihm zu, indem er über die Schulter auf den Sitzenden hinunterschaute, „Was ist dieser „Malleus ...?“ Aufschauend der Pater „malleficarum“!

      Therese führte kurzerhand weiter, was der Pater so vielleicht doch nicht formuliert hätte: „Es ist der „Hexenhammer“, das verfluchte Erklärungs- und Regelwerk, in dem die Kirche festgelegt hat, woran Zauber und Hexerei zu erkennen sind. Es beschreibt genau, wie man ihnen beikommen kann und mit welchen Mittel vor allem die Inquisition diese bekämpfen soll. Ein schauderhaftes Werk. Das sollte unbedingt verbrannt werden!“

      Es dauerte eine ganze Weile, ehe der Pater sich vorsichtig zu einer Entgegnung durchrang „Ihr solltet nicht so hart mit der Kirche ins Gericht gehen! Bei all den Umwälzungen und Verwirrungen des letzten Jahrhunderts musste sie etwas tun. Und wer will sagen… Bitte lasst mich ausreden!“ Er hob beschwichtigend seine Hand, stoppte so Thereses sehr wahrscheinliche Entrüstung, „Wer will sagen, ob nicht doch der Böse hier und da seine Hand im Spiel hat, um Gottes Kirche zu vernichten. Ob er sich dabei nicht doch braver, gottesfürchtiger Menschen bedient. Und wenn das so ist – wie soll die Kirche ihm dann beikommen, wenn nicht über diese Menschen. Es gibt den Satan! Das steht außer Frage!“

      „Mein lieber Pater!“ Selbst das schwache Licht verbarg Thereses Erregung nicht. Bis auf die äußerste Kante der Bank war sie vorgerutscht, stützte sich vornüber gebeugt mit beiden Händen auf dem Tisch ab, und wie schon einmal am Nachmittag sprühten ihre Augen Funken, als wollte sie die Wald anzünden. Ihr vollkommen zugewandt, entgeistert, mit geöffnetem Mund schaute Franz sie an, erkannte sie für einen Augenblick nicht!

      „Was redet ihr da? Wenn ihr die Umwälzungen in der Kirche meint, so lagen und liegen die Ursachen doch in erster Linie in der Kirche selbst begründet. Hätte sie all diejenigen auf die Scheiterhaufen gebunden, die mit großem Ernst und unnachsichtig vom Volk den letzten Groschen, Kasteiung und größte Gottesfurcht verlangten, selbst aber in einem Übermaße Schlemmerei und Hurerei betrieben, die Scheiterhaufen hätten ein Jahrhundert gebrannt. Danach hätte die Kirche ihren Frieden gehabt. Der „Böse“, von dem ihr redet, der sucht sich für sein Werk sicher nicht die alten, wirklich gottesfürchtigen Weiber wie etwa die Raußbacher oder die Lisbeth, das glaubt ihr doch selbst nicht! Dessen Helfer findet die Inquisition am ehesten hinter den verschlossenen Klostertoren und den Toren der Bischofpaläste, hinter denen auf Kosten der Armen geprasst und geschwelgt wird und wo am wenigsten Gottesfurcht herrscht. Dort müsste sie suchen, nicht bei den gichtgeplagten alten Weibern. So! Und dann… Ich bin noch nicht fertig, lasst jetzt mich ausreden!“

      Pater Gregor, der sich mit gequältem Gesicht vorgebeugt und zu einer Entgegnung angesetzt hatte, fuhr geradezu verunsichert ein Stück zurück.

      „Noch etwas: Wo gibt es das, dass jemand, der einer Schuld bezichtigt wird, nur auf Grund der Beschuldigung selbst und ohne jede Möglichkeit der Verteidigung zu Tode gequält werden kann? Ihr habt es selbst in meinem Prozess erlebt: Ich war schon verurteilt bevor der Prozess überhaupt begann.“ Sie setzte sich wieder zurück an die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute den Pater mit leicht schräg gelegtem Kopf an. Immer noch glitzerte es in ihren Augen.

      Einen Moment sagte niemand etwas.

      6. Der Prozess

      Darf ich auch mal was fragen?“ Stefan hatte die Unterarme auf den Tisch gelegt und den Kopf in beide Hände gestützt.

      „Ah, Stefan! Wir haben schon gedacht, du wärest am Schlafen!“ Therese nahm sich einen Kanten Brot, um etwas davon abzubrechen.

      Stefan ganz ruhig, „Ja, habe ich auch schon! Aber hier hat jemand so fürchterlich schrill herumgekeift, da kann man nicht schlafen!“

      Therese zog eine Grimasse, „Du kleiner Mistkerl, pass bloß auf!“ und tat so, als suchte sie einen Gegenstand, mit dem sie nach ihm werfen könne. Sie streckte den Kopf auf langem Hals vor, machte große Augen: „Was wolltest du fragen?“

      „Ihr habt vorhin von dieser alten Frau gesprochen, die so schwer verletzt war. Diese beiden Kerle haben die doch wieder abgeholt, wohin haben sie die gebracht? Die lebte doch noch!“

      Therese holte tief Luft, lehnte sich dabei langsam wieder an die Wand zurück, „Die lebte noch, irgendwie ja, Stefan. Aber die haben es fertig gebracht, diese Arme noch einmal zu verhören!“

      „Was? Das war doch bestimmt gar nicht mehr möglich! Was sollte die denn noch sagen?“ Angewidert blickte Franz zum Pater, dessen Blick versonnen geradeaus an der Hauswand ruhte, zu Therese, die ruhig mit dem Kopf nickte

      „Die haben sie stundenlang verhört! Stundenlang!“ Sie blickte ihn an, nickte ernst, „Solange, bis die Arme endlich gesagt hat, was sie hören wollten.“

      „Was sie hören wollten? Und dann?“

      „Nichts ‚dann‘! Die haben sie wieder runter geschleppt und vermutlich einfach in ihrer Kiste sterben lassen.“ Sie wandte sich ab, verschränkte

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