Trissa, Hexe von Eichstätt. Lars Gelting

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Trissa, Hexe von Eichstätt - Lars Gelting

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wenn ein schwerer Riegel vorgeschoben wird. Man hatte sie gefangen und eingesperrt wie ein gefährliches Raubtier.

       Als ihr das bewusst wurde, hatte sie der Narbige bereits losgelassen, entfernte sich von ihr. Willenlos ließ sie es geschehen, dass der andere Büttel sie am Strick zu sich heranzog. Sie konnte ihn nur schattenhaft erkennen, roch seinen sauer-faulen Atem, während er ihre Armfesseln löste und sie versuchte, das sie umgebende Dunkel zu durchdringen, irgendetwas zu erkennen. Die Hände waren frei! Sie zog sie nach vorn und hielt augenblicklich die Luft an: Ein stechender Schmerz in ihren Armgelenken ließ sie Augen und Zähne zusammenpressen, die Arme nur vorsichtig weiter nach vorn bewegen.

       Zunächst blinzelnd dann allmählich deutlicher erkannte sie das unregelmäßige Gestein der Turmwand. Links, wenige Schritte von ihr entfernt nahm sie die Umrisse einer Tür wahr. Tief eingelassen in das Gestein der Turmmauer war die eigentliche Tür für sie unsichtbar.

       Licht! Sie drehte sich, suchte das Turmrund ab, suchte zu erfassen, zu erkennen und traf doch nur wieder auf den Narbigen. Schon halb umgewandt, damit beschäftigt, den Docht einer Öllampe einzustellen, hielt er diese dicht vor sein eines verbliebenes Auge, eine vom zuckenden und flackernden Lampenlicht narbig verzerrte Fratze. Sie zog unwillkürlich die Schultern ein wenig hoch, zog sich zusammen, blickte wider Willen unverwandt in das entstellte Gesicht, bis ein raues „Komm her!“ ihre Erstarrung löste.

       Der Narbige wandte sich ihr zu, hielt die Lampe in der Rechten, so dass nur seine unversehrte Gesichtshälfte beleuchtet wurde. Zaudernd setzte sie Schritt vor Schritt, angstvoll zitternd, bebend und konnte ihren Blick doch nicht von dem Gesicht abwenden. Sein Kopf ruckte zur Seite, das heißt mehr auf den Boden in dem Bereich hinter ihm. Wieder kam sein hartes, keine Verzögerung duldendes „Runter!“ Verwirrt schaute sie abwechselnd in sein Gesicht und an ihm vorbei, verstand nicht, musste den Hals lang machen und erkannte dann undeutlich eine große, aufgeklappte Bodenluke. Sie machte noch einen Schritt, schaute unverwandt in die dunkle Öffnung, in der sie die erste Stufe einer breiten Holztreppe erkannte. Panik stieg in ihr auf, schlagartig, ließ ihren Atem fliegen. Sie war stehen geblieben – unbewusst. Jäh fuhr sein Oberkörper vor, ließ ihr keine Zeit für eine eventuelle Fluchtbewegung. Wie eine eiserne Klammer umfasste seine Hand ihren Arm, löste sofort den stechenden Schmerz in den Schultergelenken aus, schob sie kurzerhand zur Luke und die Treppenstufen hinunter in eine undurchdringliche Dunkelheit hinein.

       Suchend, überaus vorsichtig stieg sie erst eine, dann noch zwei-drei Stufen abwärts, die Angst sprichwörtlich im Nacken. Blieb dann – das kalte, raue Gestein der Turmwand ertastend – stehen: Vor ihr verschwand die Treppe wie in einem dunklen Gewässer. Zunächst noch gehalten am grauen Gestein, schien sie bald im Nichts zu versinken. Das Turminnere ein schwarzes Loch, aus dem es kalt herauf wehte. Wildes Entsetzen sprang sie an! Alles in ihr wehrte sich dagegen, weiter in diese undurchsichtige, kalte Finsternis hinabzusteigen. Mit beiden Händen suchte sie Halt, griff ins Leere, setzte sich rasch, um nicht zu stürzen, wurde unnachgiebig wieder hochgezerrt und weitergeschoben.

       Unverhofft drangen Geräusche aus der Tiefe herauf, verwirrten sie, ließen sie einen Moment verharren; der Narbige schob sie weiter! Nicht weit unter ihr, so schien es, war jemand in der Dunkelheit, hantierte dort herum, so dass sich seine Geräusche dumpf hallend mit ihren Geräuschen im Turminneren vereinten.

       Etwas zaghaft bewegte sich dann ein Lichtschimmer über das graue Gestein, wurde fast von diesem verschluckt, sprang unruhig hierhin, dorthin, verdünnte zunehmend die Dunkelheit unter ihr und leuchtete dann schließlich klar von unten herauf. Dort, wo die Treppe endlich den sicheren Boden berührte, erkannte sie jetzt den anderen Büttel, den Älteren. Eine Laterne hochhaltend blickte er ihnen vom Grund des Turmes entgegen, regungslos, teilnahmslos, bis sie ihn, nun rascher abwärts steigend, fast erreicht hatten. Als er sich wortlos umdrehte, sich mit seiner Laterne wieder entfernte, spürte sie, wie angeflogen, die Kälte, die sie dort unten umgab. Kälte, Feuchtigkeit und ein penetranter Gestank nach Abfall, Dreck, Ungeziefer – und Mensch.

       Wieder zaghafter nahm sie die letzten Stufen, spürte dann endlich den Lehmboden unter den Füßen und folgte, vorwärtsgeschoben, dem sich entfernenden Licht.

       Richtungsweisend wie ein trügerisches Strandfeuer leuchtete es ihr aus einem Gang entgegen, der ziemlich breit und abgerundet wie eine Höhle aus dem Turm hinauszuführen schien. Der Narbige schob sie weiter und im schwachen Licht erkannte sie rechts und links an den Seiten des Ganges Holzverschläge, den ihr bekannten Ziegenställen nicht unähnlich.

       Sie stockte, stemmte sich gegen die drängende Hand und wurde einfach weiter in den Gang hineingeschoben, musste dort, zwischen den Verschlägen, den Kopf einziehen, um nicht an die niedrige Gewölbedecke anzustoßen. Sie streckte vorsichtig die Hände zur Seite, tastete sich im Dämmerlicht rechts und links an den Verschlägen entlang. Der Narbige schob sie weiter, gab ihr keine Möglichkeit, sich auf die Enge im Gang einzustellen, schob sie vier-fünf Schritte in den Gang hinein. Vor ihr stand der andere Büttel, ebenfalls vornüber gebeugt, die Laterne in der Linken. Sie konnte nicht weiter, berührte mit dem Kopf die Decke, zuckte vor – im selben Moment stieß sie der Narbige durch eine schmale Öffnung in den Verschlag auf der Linken. Sie stolperte hinein, schlug mit dem Kopf an die Decke, die sich, der Gewölberundung folgend, allmählich wieder zum Boden neigte, vor ihr eine flache Kiste mit Stroh.

       Sie verstand, fuhr herum und konnte gerade noch eine zusammen geknüllte Decke auffangen, die ihr der Narbige zuwarf. In der Öffnung erschien der Ältere, wies mit der Laterne in der Hand auf einen Krug am Boden: „Wasser!“, wies dann seitwärts, die grobe Holzwand entlang auf einen Eimer am Ende des Verschlages: „Wenn´s musst!“ Teilnahmslos trat er dann zurück, verschloss das stabile Gatter und schob ruckend einen schwergängigen Riegel vor.

       Unfähig zu jeglicher Reaktion, die Decke fest gegen ihren Leib gepresst, folgte Therese den beiden bei ihren wortlosen Verrichtungen. Sah, bebend und kurzatmig, wie sie sich entfernten, wie sich das Licht immer weiter von ihr entfernte, wie die Finsternis – rasch wie ein Luftzug – aus dem Turm zurück in den Gang gezogen kam. Hörte noch ihre schweren Schritte, die sich auf der Treppe polternd nach oben entfernten und spürte dann, wie alles in ihr einem Erdrutsch gleich zusammenbrach. Ihr Kopf fiel nach hinten. Müde prallten ihre Augen an der Decke dicht über ihr ab, durchmaßen eher kraftlos den finsteren Verschlag, glitten verzweifelt über die rohe Holzwand. Alle Drangsal, alle Verzweiflung, die sich als großer, ihr Inneres ganz ausfüllender Schmerz angesammelt hatten, brachen nun mit Schluchzen, Heulen, Winseln als gewaltiger Ausbruch aus ihr hervor. Zwischendurch fuhr sie herum, riss und rüttelte wild an den rauen Holzstäben des Gatters. Lehnte dann wieder mit Rücken und Kopf am Gatter, willenlos treibend im Strom ihrer Verzweiflung.

       Irgendwann ließ sie sich mit nicht enden wollendem Tränenfluss auf den klobigen Hocker vor der Strohkiste fallen, umschlang ihren Körper mit beiden Armen wie im Schmerz, sehnte in ihrer totalen Verlassenheit Mann und Kinder und Lina herbei, bettelte darum wie ein kleines Kind.

       Jäh fuhr sie in die Höhe, saß plötzlich stockgerade auf ihrem Hocker, vergaß für einen Moment das Atmen und krallte ihre Hände in Kleid und Oberschenkel. Von der anderen Seite des Ganges, nur drei Schritte von ihr entfernt, schaute sie jemand an. Schaute ebenfalls durch die Stäbe eines Gatters, schweigend und unbeweglich. Einen Moment lang geschah gar nichts. Vom Schreck wie gelähmt drängte sie ihren Blick durch den Tränenvorhang, die Gatterstäbe, das schwache Licht auf dem Gang in das Gesicht auf der anderen Seite. Es war ein müdes Gesicht, das Gesicht einer alten Frau, die sehr weit unten durch das Gatter guckte. Offensichtlich saß oder lag sie auf dem Boden.

       Lange, graue Haare zu Strähnen verklebt, fielen dicht am Kopf herunter, rahmten ein ausgemergeltes, faltiges Gesicht ein. Wie ein gefangenes, eingebrochenes Tier saß

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