Dame in Weiß. Helmut H. Schulz

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Dame in Weiß - Helmut H. Schulz

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der verdient meine ungeteilte Bewunderung ...«

      In ihren Glasschränken standen Tauftassen und Sammeltassen, das. Hutschenreuther, die Bowle, Kristallgläser; der warme goldene Ton der Mahagonimöbel verbreitete etwas von Geborgenheit, von den Bildern meiner Kindheit, die mit dieser Wohnung verbunden gewesen sind und bleiben werden, solange Verena hier haust und ihre Teezeremonie abhält, obwohl sie eigentlich Kaffee bevorzugt.

       Kapitel 2

      In leuchtenden Bildern stehen mir die Taten meines Großvaters vor Augen; ich höre seine laute, barsche und manchmal heisere Stimme. In unbestimmten Abständen vergiftete sich mein Großvater mit großen Mengen Alkohol.

      Oft versammelte er ein paar Leute um sich, bewirtete sie mit Schnaps und setzte ihnen reichlich Essen vor. Die Wohnstube des Hauses in Wendisch-Rietz enthielt allerlei Gerümpel aus den alten Tagen, die Sägen großer Fische, ein präpariertes Krokodil, Muscheln und Buddelschiffe. In seinem Ohrenstuhl saß der alte Mattias, die tätowierten Unterarme aufgestützt, richtete einen unbarmherzigen Blick auf einen seiner Gäste, und sicher kam die Stunde, wo er anfing zu singen: Oh, this is the tale of John Cherokee/ Alabama John Cherokee!

      Er verlor den Faden, es dauerte, bis, er sich eingesungen hatte. Seine Freunde unterbrachen ihn mit nebensächlichen Fragen, meine Großmutter sah, dass ihr Mann den Punkt überschritten hatte, wo er sich unterhalten wollte. Jetzt suchte er Leute, die ihm zuhörten, Publikum. Leise begann er zu summen: Oh, die Zeit war hart und die Heuer klein, / Hau ab, Jonny, hau ab ...

      Noch immer hatte er keinen Ton, kein Lied gefunden, aber in ihm summten und brummten die Melodien seiner Jugend. Dann fiel er mit tiefer Stimme, die Tischgespräche übertönend, ein: De Hoffnung war hundert Tag unterwegs. / To my way, hay, hooday, / Se seilt von Hamburg na Valparais, / A long time ago. / Se seilte good, se seifte hart, / Se haar so ne gode un kostbare Fracht. / Un as de 0ol nu flucht un gnattert, / Dor keem de Düvel över de Reling klattert...

      Seine Hände schlugen den Takt, es hielt ihn nicht mehr auf seinem Stuhl, er sprang auf und begann zu tanzen. Vor meinen Augen verwandelte sich der trinkende hemdsärmlige Bauer in einen unternehmungslustigen Piraten.

      »Was glotzt du«, fuhr er einen der Männer an, die er kannte und schätzte; jetzt hasste, verhöhnte er sie und feuerte sich selbst immer neu an: Wie klein und wie hübsche war Ane Madam. / Oho, Ane Madam, Ane Madam. / Sie hatte ein Kind und dazu keinen Mann, / Oho, Ane Madam ...

      Meine Großmutter fasste ihn unter, sie wollte ihn wieder auf seinen Stuhl setzen, aber der schwer bezechte Mann machte sich sanft los, umfasste sie mit plumper Ritterlichkeit und zwang sie, mit ihm zu tanzen. Es kamen immer mehr Leute, Frauen und Halbwüchsige, setzten sich, bekamen ihren Teil an Essen und Trinken; meiner Großmutter hing feuchtes Haar in die Stirn, Hände krachten auf die Tische, draußen sank die Nacht, der eine oder andere stand auf, um zu füttern oder um zum Angeln zu fahren, aber die Mehrzahl der Leute blieb, wenn der alte Mattias seine großen Stunden hatte.

      Ich lag vergessen auf dem Sofa in der Wohnstube, schlief manchmal ein, wachte auf und sah die Lampe über dem Tisch schwanken, dahinter das leuchtend rote Gesicht des Alten ...

      Anderentags schlief er länger, stand auf und schlurfte träge durch das Haus, auf Suche nach einer Tätigkeit. .Es war leicht, ihm etwas einzureden.

      »Ein Schiff mit Segeln, bau ein Schiff mit Segeln.«

      Ich sah zu, wie er mit der Stichsäge die Form des Rumpfes ausschnitt, wie er mit Schleifpapier den Rumpf glättete, ihm Gestalt gab, und bekam eine Ahnung von den Schwierigkeiten planmäßiger Arbeit. Mattias ruhte nicht eher, als bis er das Spielzeug fertig hatte, es drängte ihn, seine Arbeit zu erproben.

      »Ob es wohl schwimmt?«

      Er sah mich zweifelnd an, lächelte, seiner Sache nicht ganz gewiss, und ging mit hinunter zu einer flachen Stelle am Wasser.

      Dort lagen seine beiden Boote. Er löste die Persenning, wir kletterten in die Plicht. Mattias befahl, das Segel zu setzen, ich wusste schon Bescheid, schäkelte das Horn in die Fall und fierte das große Segel -ein anderes hatten wir, nicht: Mein Großvater hob die Spiere leicht an, denn ich besaß nicht genügend Kraft. So segelten wir hinaus, er am Ruder, ich auf der Ducht, das Spielzeugboot festhaltend.

      Und es schwamm. Das Spielzeugboot krengte, es fuhr in unserem Windschatten. Er atmete auf.

      »Die Segel müssen so bleiben«, der Alte stellte etwas an dem kleinen Schiff, es trieb ab, und wir blieben zurück.

      Es war ein milchig trüber Tag, mein Großvater gähnte vor Müdigkeit, ein fauliger Geruch stieg vom Wasser zu uns auf. Im Schilf zeigten sich vereinzelt oder dicht zusammen stehend die braunen Zigarren der Rohrkolben. Er schnitt eine Anzahl davon für eine hohe Bodenvase ab, und wir fischten unser Spielzeugboot auf, um zurückzufahren. Jetzt schwang der Baum herum das Boot drehte sich im Stern, und mein Großvater ließ das große Segel weit heraus.

      Instinkt trieb Mattias zur Arbeit, er reparierte Uhren und Badewannen - in einer blauen Schilfleinenjacke, den breiten Strohhut auf dem Kopf, im Korb abgeschnittene Edelreiser, machte er sich daran, seine Bäume zu veredeln. Er setzte die Reiser auf, manchmal sehr verschiedene auf einen Stamm, sodass wir vielleicht einmal verschiedene Sorten Obst von ein und demselben Baum ernten würden. Und dieser große, unordentliche Obstgarten mit Bäumen und Sträuchern wurde nur gemäht, einmal im Herbst lockerte mein Großvater die Baumscheiben, aber da die Wasserleitung nicht bis in den Garten reichte, mussten wir auf Regen warten.

      Er liebte Regen, und zwar den leisen, die tröpfelnde Nässe, die bei völliger Windstille aus tief hängenden dunklen Wolken fiel.

      »Warum bleibst du nicht immer hier?«

      Er dachte über meine Frage nach, die er sich vielleicht selbst öfter gestellt hatte, und antwortete: »Werde ich schon noch. Ich habe bald genug.« Er schnüffelte den nassen Erdgeruch ein, »zum Leben braucht man Geld, und Geld muss verdienen, wer keines hat. Ich hatte keins, bald hab ich genug und scheiß dann auf die Stadt. Dann zieh ich hier raus, hier will ich mal sterben.«

      Ernsthaft erörterte er meine nächste Frage: »Ziegen? Nee, Ziegen treten alles unter die Füße, aber Schafe, die sind genügsam, geben Fleisch und Wolle.«

      Er hielt Kleinvieh, Hühner und Enten, auch Kaninchen. Wenn mein Großvater nicht da war, kümmerten sich die Nachbarn um Futter und versorgten auch das Pferd.

      Kam der Tag, wo mein Großvater wieder nach Berlin zurück musste, um seine Geschäfte zu betreiben, so ging eine Verwandlung mit ihm vor. Früh zog er Hemd und Hose an, band sich eine Krawatte um und fuhr den Wagen aus der Remise.

      Nach dem Frühstück setzten wir uns ins Auto. Mein Großvater steuerte mit der gespannten Aufmerksamkeit, mit der er auch am Ruder seines Bootes saß; eine Aufmerksamkeit, die auf alles vorbereitet ist ...

      Ich erinnere mich an heiße Nachmittage.

      Der alte Stadel hatte seinen Rausch, einen, der ihn in eine unerhörte Heiterkeit versetzte. In den angewinkelten Armen trug er einen Amboss aus der Werkstatt, setzte sich in passende Entfernung und schleuderte leer getrunkene Flaschen dagegen. Den Klang des splitternden Glases begleitete er mit Bemerkungen von biblischer Kraft.

      »Da, peng, das war der Hohlkopf von deinem Vater oder der von deiner Mutter, dieser Lehrerziege. Eine ganze Generation von Steißtrommlern. - Komm her, mein Kind«, ich ging hin, »so wie ich, so sitzt Gottvater und scheißt auf uns, auf dich, auf mich, auf uns alle.

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