7 Monate Herbstgefühle. Anke-Larissa Ahlgrimm

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7 Monate Herbstgefühle - Anke-Larissa Ahlgrimm Glückszahl 7

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heller zu strahlen als die Sonne. Wir waren unser eigener Sonnenschein.

      ∞

      [18. September, 2016]

      Ich war in meiner Schulzeit einige Male von Kanada nach England und wieder zurückgeflogen. Ich hatte mehr Zeit im Flugzeug verbracht, als so einige Businessmänner. Und wenn mich eine Sache störte, dann waren es Kinder, die einem gegen die Rückenlehne traten und während des ganzen Fluges nie aufhörten.

      Deswegen war es nun etwas komisch – und auch ironisch –, dass ich nun neben eben solch einem Kind saß und verzweifelt versuchte es davon abzuhalten.

      „Ly, bitte“, sagte ich streng und griff nach ihrem rechten Bein, das nicht nur wiederholt gegen den Sitz vor ihr hämmerte, sondern auch mein linkes Bein öfter streifte. Es war gerade mal eine halbe Stunde seit dem Abflug vergangen und ich war mit meinen Nerven schon bald am Ende. „Behalte doch einfach mal deine Beine bei dir.“

      „Nö“, flötete die Blondine, riss ihr Bein aus meinem Griff und fuhr mit ihrer Tortur des Flugzeugsitzes fort. Ich stieß ein tiefes Seufzen aus. Wer hatte nochmal die Idee gehabt, dass wir am Sonntagabend nach Hause fliegen würden? Natürlich hatte das ganze Vorteile. Wir hatten so viel Zeit wie möglich mit unseren Familien verbringen können. Außerdem würden wir so gegen Mitternacht in New York ankommen und konnten alle nochmal eine Runde schlafen, bevor der Alltag wieder losging. Der Nachteil lag auf der Hand. Lilac hatte heute Abend noch nicht wirklich geschlafen und während des Fluges würde sie es vermutlich auch nicht tun. Sie mochte Flugzeuge einfach nicht. Ihr Element war das Wasser, nicht die Luft. Sie traute sich nicht mal von ihrem Sitz aufzustehen und Haven hatte sie auf dem Hinflug geradezu auf die Toilette zerren müssen. Dies hatte auch zu mehr als nur einem alarmierten Blick der Stewardessen geführt. Ich war diejenige gewesen, die dann allen erklärt hatte, dass das normal war – auch wenn ich das nicht wirklich hatte beurteilen können.

      „Entschuldigung, Miss?“, riss mich eine weibliche Stimme aus meinen Gedanken und ich drehte meinen Kopf zu der Stewardess, die neben mir im Gang stand und sich zu mir herunterbeugte. „Da wir ja nun auf der Reiseflughöhe angekommen sind, werden ein paar Kinder die Chance haben das Cockpit zu besichtigen. Hätte ihre Tochter daran Interesse?“ Mein Blick schweifte zu Lilac, welche nun dabei war mit ihrem Vater Sticker an das kleine Fenster zu kleben. Ihre Folter der Sitze hatte sie kurzzeitig pausiert. Jedoch war ich mir sicher, das würde nicht lange anhalten.

      Ich wandte mich wieder an die junge Frau und schüttelte meinen Kopf. „Ich fürchte, nein. Sie ist kein großer Fan von Flugzeugen und sie hat sich bereits beim Hinflug mit Händen und Füßen gewehrt“, lachte ich leise. Die Stewardess stimmte in mein Lachen ein und sah dann ebenfalls kurz zu meiner ‚Tochter‘. Ich musste mich nicht mal umdrehen, um zu bemerken, dass Lilac wieder mit dem Treten angefangen hatte. Mein linkes Bein war nämlich erneut Opfer geworden. So unauffällig wie möglich rutschte ich etwas mehr in den Gang, in der Hoffnung meine Beine wären nun außerhalb der Gefahrenzone. Trotz meiner Bemühungen schien die Frau mich zu durchschauen.

      Wissend blickte sie mich an, bevor sie sich erneut vorbeugte, um mir etwas zu zuraunen. „Wir werden gleich irgendwo einen Disney Film zeigen, also können sie ja schon mal den richtigen Kanal suchen.“ Sie zwinkerte mir einmal zu, bevor sie weiter den Gang entlang schritt, um eine weitere Familie mit Kindern anzusprechen. Es brauchte nur einen weiteren Tritt gegen mein Schienbein, bevor ich ruckartig Lilacs Beine – dieses Mal beide – festhielt.

      „Minette, wie wäre es, wenn du jetzt einen Film anschaust? Mir wurde gesagt, es läuft ein Disney Film“, erklärte ich ruhig und sah Lilac so streng an wie es ging. Vielleicht würde sie ja verstehen, was ich von ihr wollte.

      Das kleine Mädchen verzog skeptisch ihren Mund. „Welcher Film denn?“ Ich stockte und hoffte innerlich, dass Lilac meine Unsicherheit nicht bemerkte. Fast schon hilflos sah ich zu Haven, welcher bereits seine Kopfhörer aus der Hosentasche zog.

      „Lilo & Stitch“, antwortete er für mich und überreichte die Kopfhörer seiner Tochter, welche sofort Feuer und Flamme war. Es war einer ihrer Lieblingsfilme und ich dankte jedem, der entschieden hatte, diesen Film heute zur Verfügung zu stellen. Während Lilac damit beschäftigt war die Kabel auseinander zu wickeln und dann erwartungsvoll auf den kleinen Fernseher zu starren, sah ich lächelnd zu Haven und formte ein ‚Danke‘ mit meinen Lippen. Mein Freund zwinkerte mir lediglich zu und beugte sich dann zu seiner Tochter runter, um mit ihr leise zu sprechen.

      Zehn Minuten später war Lilac so sehr vom Film gefesselt, dass Haven und ich uns über ihren Kopf hinweg unterhalten konnten.

      „Das Wochenende ist viel zu schnell vergangen“, seufzte Haven und strich sich eine lose Locke aus der Stirn. Ich nickte zustimmend. Bis zu unserem nächsten Besuch würden mindestens drei Monate vergehen und in dieser Zeit konnte so viel passieren.

      „Meinst du, wir werden eines Tages wieder nach England ziehen?“, fragte ich nachdenklich. Haven schien ebenfalls für einen Moment zu überlegen.

      „Vielleicht. Ich sehe nichts, was dagegen spricht.“ Er zuckte mit den Achseln. „Im Moment bin ich sehr glücklich in New York. Wenn sich das mal ändert, können wir ja nochmal darüber reden.“ Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Wir könnten darüber reden, hatte er gesagt. Nicht nur Haven oder ich alleine. Wir beide würden das entscheiden – natürlich mit Lilac gemeinsam.

      „Ich bin auch glücklich“, sagte ich leise und sah zu Lilac zwischen uns. Ihre kleinen Lippen bewegten sich zu den Dialogen und ich konnte wetten, dass sie in Gedanken jedes Wort mitsprach. Ihre blauen Augen waren auf den Monitor gerichtet und selbst wenn das Flugzeug nun Turbulenzen haben würde, nichts würde sie vom weiterschauen abhalten. „Ich bin wirklich verdammt glücklich.“

      IX

      [4. Oktober, 2016]

      „LEONDRE, DU ARSCH“, kreischte ich aufgebracht und stolperte ein paar Schritte zurück. Der junge Arzt konnte sich ebenfalls gerade noch aufrecht halten, allerdings ließ er die Gefäße fallen, dessen Inhalte er gerade noch auf mir ausgeleert hatte. Mit seinen blauen Augen sah er mich überrascht an.

      „Oh Gott“, stieß er aus. Ich musste tief Luft holen, um ihm keine runterzuhauen. Ich stand mitten in einem Gang des Krankenhauses. Ich hatte bereits meine normale Kleidung an, da ich nun Feierabend hatte und nach Hause gehen konnte. Aber nun war ich klitschnass und von meinen Kleidern tropfte – um ehrlich zu sein wusste ich nicht, was es war. Es waren mehrere Flüssigkeiten gewesen, eine ähnelte auf jeden Fall Blut und der Geruch von Urin stieg mir in die Nase. Was zum Teufel hatte Leo da mit sich herum geschleppt?

      „Leondre Turner“, sagte ich immer noch wütend und versuchte krampfhaft bei dem strengen Geruch meinen Mageninhalt in mir zu behalten. Außerdem durfte ich nicht anfangen auf Französisch mit ihm zu schimpfen. Andererseits würde er mich ja gar nicht verstehen …

      „Bitte nenne mich nicht Leondre“, hörte ich den brünetten Mann murmeln, während er mit einem Papiertuch über mein Shirt fuhr. Ruckartig nahm ich ihm das Tuch aus der Hand und tupfte mich selbst damit ab.

      „Fass mich nicht an.“

      „Entschuldigung.“ Leos Stimme war noch immer leise, weshalb ich ihn für einen Moment stumm betrachtete. Er hatte dunkle Augenringe, seine sonst perfekt gestylten Haare standen in alle Richtungen ab und ich war mir ziemlich sicher, dass er seinen Kittel falsch herum trug.

      „Schon in Ordnung“, seufzte ich, obwohl eigentlich nichts in Ordnung war. Ich wollte nur noch nach Hause und zu Haven und Lilac. Ich hatte morgen frei, weswegen

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