Abraham. Martin Renold
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Haran schloss sich einigen Männern an, die vor die Stadt hinauszogen, um Menschen und Tiere zu retten. Er zeigte großen Mut und trotzte jeder Gefahr. Es war, als setzte er absichtlich sein Leben aufs Spiel.
Er wagte sich zu weit hinaus und wurde, als er seine Hände nach einem im Fluss treibenden Schaf ausstreckte, von einem Baum, der, von ihm ungeachtet, mit dem Geäst voraus auf ihn zukam, mitgerissen. Er wurde unter das Wasser gedrückt. Er griff nach einem Ast und versuchte sich hochzuziehen. Aber er konnte den Atem nicht anhalten, und das Wasser drang ihm in Mund und Nase. Auf einmal war ihm, er habe dies alles schon einmal erlebt. Damals, in der Nacht, bevor die Sonne sich verfinsterte, hatte er geträumt, dass er im Euphrat ertrinke. Wie ein Blitzstrahl, so schnell, ging ihm diese Erinnerung durch den Kopf. Mit letzter Kraft zog er sich an dem Ast, den er nicht losgelassen hatte, hoch, und sein Kopf kam über das Wasser. Er wollte Luft einatmen, aber ein krampfhafter Husten hinderte ihn daran. Plötzlich fühlte er, dass er auf etwas Hartes stieß. Dann verlor er das Bewusstsein. Als seine Kameraden ihn herausholten, war er zwischen Geröll und Zedernstämmen, die von den Bergen herab angeschwemmt worden und hängen geblieben waren, eingeklemmt. Nur sein Kopf ragte aus dem Wasser heraus. Er atmete nur noch schwach.
Die Männer trugen ihn nach Hause. Er hatte eine Wunde am Kopf und Verletzungen an der Brust.
Haran starb noch in derselben Nacht im Haus seines Vaters.
Doch auch dies war noch nicht das Ende allen Unglücks, das über die Familie kam.
Jiska war von Geburt an ein schwaches und kränkliches Kind gewesen. Als sie vier Jahre alt war, raffte sie ein heftiges Fieber dahin.
Sarai, die wie eine Mutter immer für das Kind gesorgt hatte, war besonders traurig und konnte den Schmerz kaum verwinden.
Sanherib und seine Frau, die schon bei Leas Tod Haran stille Vorwürfe gemacht hatten, beschuldigten nun Sarai und ihre Familie offen, sie hätten nicht genügend auf ihre Enkelin aufgepasst.
»Wir hätten Jiska zu uns nehmen sollen, wie das meine Frau gewünscht hat, als Haran verunglückte, aber ihr habt das ja nicht gewollt«, sagte Sanherib zu Terach.
Um ihn zu beruhigen und einen Prozess zu vermeiden, wollte ihm Terach Leas ganze Mitgift zurückgeben.
Da besann sich Sanherib.
»Nein«, sagte er, »nach dem Gesetzt ist Milka Leas Erbin. Sie und Lot sind bei euch in guten Händen, so wie es auch Jiska war. Verzeih mir! Es war meine Frau, die mich gegen euch aufgestachelt hat.«
Terach antwortete:
»Ich verzeihe dir und will auch deiner Frau verzeihen. Es waren ihre Trauer und ihr großer Schmerz, die sie dazu getrieben haben. Unsere Freundschaft soll bestehen bleiben.«
Milka
Milka und Lot hatten mit den Jahren nur noch eine schwache Erinnerung an ihre Eltern. Sie litten nicht mehr unter dem Verlust. Abram und Sarai waren ihnen nun wie Vater und Mutter.
Milka war ein gesundes munteres Kind. Lot bereitete seiner Tante und Erzieherin Sarai mehr Sorgen. Er war oft krank, und alle hofften, er erleide nicht das gleiche Schicksal wie Jiska.
Für Sarai waren die Kinder ein Trost dafür, dass sie immer noch selber keine eigenen Kinder hatte, die sie sich doch so sehr wünschte. Sie hatte sich sogar von Terach eine Statuette der Liebesgöttin Inanna machen lassen, die sie im Schlafgemach aufstellte und zu der sie betete, sie möchte doch bewirken, dass sie schwanger werde. Als Abram dies sah, stellte er sie zur Rede.
»Sag mal, woher hast du diese Statuette?«
»Natürlich aus der Werkstatt unseres Vaters«, antwortete Sarai. »Terach hat sie für mich hergestellt.«
»Du bist doch jetzt bald dreißig Jahre alt«, sagte Abram.
»Ja, und wir haben noch immer keine eigenen Kinder«, antwortete Sarai.
»Aber du verstehst nicht mehr als ein fünfjähriges Kind. Du bist zwar dreißig Jahre alt, aber glaubst du tatsächlich, dass diese Figur aus Holz, die erst einen oder zwei Tage alt ist und die ich heute verbrennen könnte, so dass nur noch graue Asche übrigbleibt, dich erhören und dir ein Kind schenken wird?«, fragte er.
»Ich weiß es nicht, aber ich hoffe es«, erwiderte Sarai.
»Wenn Terach dir aus demselben Holz einen Besenstiel gemacht hätte, glaubtest du dann auch, dass dieser Besenstiel dir zu einem Kind verhelfen könnte?«, fragte Abram weiter.
»Natürlich nicht«, lachte Sarai, unwillig über Abrams unpassenden Vergleich.
»So höre mir gut zu!«, forderte Abram sie nun auf. »Diese Holzfigur kann ebenso wenig wie ein Besenstiel bewirken, dass wir Kinder bekommen. Es ist die Natur. Vielleicht ist mein Same unfruchtbar. Vielleicht ist es auch der Acker deines Leibes. Wenn jemand uns helfen kann, dann ist es jener Geist, der alles Leben auf dieser Erde geschaffen hat und es immer wieder uns Menschen schenkt.«
Mehr erklärte er Sarai nicht. Doch sie war erstaunt über Abrams Gedanken. Woher hatte er die? Doch kaum von Sin-Ta, seinem Lehrmeister. Sie erschrak aber auch über das, was sie von ihm hörte, das doch gar nicht mit dem übereinstimmte, was die Priester erzählten und vom Volk seit Menschengedenken geglaubt wurde. Wenn er solche Gedanken in der Stadt öffentlich aussprechen würde, käme das bald vor die Ohren der Priester. Und die würden ihn bestimmt festnehmen und vor das Gericht des Königs stellen lassen. Das könnte sein Tod sein. Aber zugleich bewunderte sie ihn auch. Sie hatte schon lange gespürt, dass er in seinem Kopf über Geheimnisse nachdachte. Doch so konkret hatte er noch nie mit ihr darüber gesprochen.
»Aber«, sagte sie, »du fertigst ja in der Werkstatt unseres Vaters auch solche Statuetten an. Warum tust du das, wenn du selbst nicht an sie glaubst?«
»Ja, gerade weil ich sie selbst schaffe, kann ich nicht an sie glauben«, antwortete Abram. »Dass ich sie trotzdem herstelle, bedrückt mich. Aber wovon sollten wir sonst leben? Ich wäre glücklich, wenn sich der Traum unseres Vaters nicht zerschlagen hätte und wir jetzt als Nomaden durchs Land ziehen könnten. Wenn ich nicht mithelfen müsste, die Familie durchzubringen, würde ich am liebsten morgen schon mit dir weggehen. Es ist doch ein Betrug, wenn wir diese Statuen herstellen und die Leute glauben lassen, sie könnten Wunder wirken. Bald werde ich das nicht mehr aushalten. Schon heute kann ich es nicht mehr mit einem guten Gewissen tun. Vielleicht haben wir bald einmal so viel Silber verdient, dass wir uns eine Herde und Zelte kaufen können.«
Manches, was Terach und seine Söhne verkauften, wurde mit Getreide oder Silber bezahlt. Die Gerste und der Weizen wurden zum Teil von der Familie verbraucht, zum Teil gegen andere Waren umgetauscht. Vom Silber versuchte Terach so viel wie möglich auf die Seite zu legen. Denn auch er hatte seinen Traum noch nicht aufgegeben. Das ganze Vermögen, das die Arbeit in der Werkstatt einbrachte, wurde von Terach verwaltet. Abram wusste, dass er seinen Wunsch nur mit dem seines Vaters zusammen verwirklichen konnte. Nahor würde aber sicher nicht mitkommen. Er liebte seine Arbeit zu sehr und würde die Werkstatt, die er jetzt schon beinahe als sein Eigentum betrachtete, nie aufgeben.
Lot und Milka liebten ihre Großeltern, vor allem Sia, die eigentlich gar nicht ihre richtige Großmutter war, die sich, nebst Sarai, jetzt am meisten um sie kümmerte. Lot hielt sich gerne in der Werkstatt seines Großvaters auf und schaute ihm bei der Arbeit zu. Nahor ließ sich weniger