Abraham. Martin Renold

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Abraham - Martin Renold

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vielleicht auch einen Rat oder Hilfe suche.

      »Ich möchte mit einem Sternkundigen sprechen«, antwortete Abram.

      »Geh hinein und frag nach Sin-Ta«, sagte der Priester.

      Abram ging zögernd durch das hohe, schmale Tor und kam in einen Raum, der nur von dem Tageslicht, das durch das Tor hereindrang, erhellt war. Er schaute sich um und sah an einem niedrigen Tisch einen Mann sitzen, vermutlich ein Schreiber. Er trat auf ihn zu und fragte ihn nach Sin-Ta.

      Der Schreiber erhob sich und ging, ohne ein Wort zu sagen, durch eine Tür, die in einen andern, düsteren Raum führte.

      Abram wartete eine Weile. Dann erschien der Schreiber wieder in Begleitung eines alten Mannes.

      »Ich bin Sin-Ta. Was willst du?«, fragte der Mann mit einer Stimme, die in Abrams Ohren angenehm klang.

      »Ich heiße Abram. Man hat mir gesagt, dass du ein Sternkundiger bist. Ich möchte wissen, wie das war, als vor Jahren der Mond am Himmel verschwand, so wie vor ein paar Tagen die Sonne.«

      »Komm mit mir nach draußen«, forderte ihn Sin-Ta auf. »Ich werde es dir erklären.«

      Sie gingen auf die Terrasse. Beide schritten nebeneinander rund um die zweite Stufe des Tempels herum.

      »Warum willst du es wissen?«, fragte Sin-Ta.

      »Ich weiß, dass der Mond sich vor die Sonne geschoben hat, als sie sich verfinsterte. Aber ich weiß nicht, was geschehen ist, als der Mond sich versteckte. Ich bitte dich, erklär es mir!«, bat Abram.

      »Du weißt doch gewiss, dass die Erde eine Scheibe ist, die auf dem Salzmeer schwimmt. Unter der Erde und unter dem Meer ist das Totenreich. In der Nacht steigt die Sonne hinab in den unendlichen Ozean. Sie geht unter der Erde und unter dem Totenreich hindurch. Ihr Licht aber erlischt nicht in der Nacht. Es strahlt von unten, und wenn der Mond rund und voll ist und in der Nacht am höchsten Punkt des Himmels steht und sich die Sonne gerade unter dem Mittelpunkt der Erde befindet, kann es vorkommen, dass der Schatten der Erdscheibe auf den Mond fällt. Dann gibt es eine Mondfinsternis.«

      »Ich danke dir, dass du mir das erklärt hast«, sagte Abram und verabschiedete sich.

      »Sonst hast du keine Fragen?«, wollte Sin-Ta noch wissen.

      »Nein«, antwortete Abram und ging davon.

      Sin-Ta war erstaunt, denn Abram machte ein Gesicht, als ob er in seinem Kopf noch Gedanken herumwälze, die heraus wollten und nach Aufklärung verlangten.

      Ja, es gab noch viele Fragen, aber Abram dachte nicht, dass Sin-Ta ihm Antworten darauf geben würde. Er war ein Priester. Und Abram wollte doch wissen, was der Mond und die Sonne mit den Göttern in den Tempeln zu tun haben, mit Schamasch, dem Sonnengott, und Nanna, dem Mondgott, oder eben, was die Götter, wie er selbst glaubte, nichts damit zu tun haben. Abram fürchtete, dass Sin-Ta ihn nicht verstehen, ihn vielleicht sogar tadeln und nicht mehr unterrichten würde. Denn es war eine Sünde, an der Gottheit von Schamasch und Nanna und den andern Göttern zu zweifeln. Wie manche Götterstatuen hatte er, Abram, selber in der Werkstatt seines Vaters hergestellt und dabei nichts Göttliches sehen oder empfinden können! Wenn er dies so unverhüllt einem Priester sagte, würde der ihn ganz sicher Sin-Aschar überantworten, der als Vizekönig zugleich auch der höchste Priester und Richter nach dem König war.

      Auch mit seinem Vater wollte er nicht darüber sprechen. Terach achtete die Götter und verehrte sie. Für ihn waren die Statuen, die er aus Holz verfertigte, mehr als nur Gegenstände. Sie waren ihm heilig, so wie all seinen vielen Kunden auch, die ihn damit beauftragten und die diese Figuren in ihren Häusern aufstellten und verehrten. Nein, ihn wollte er nicht fragen, nicht verletzen mit seinen Zweifeln. Sollte er ihm sagen: »Deine Figuren sind keine Götter. Es sind Gebilde aus Holz, die genauso verbrennen können wie jedes andere Stück Holz. Du kannst sie zerstören, so wie du schon manches misslungene Werk zerstört hast, wenn es dir nicht gefiel. Und was ist geschehen? Nichts. Was sind das für Götter, die man zerstören kann?«

      Abram behielt seine Gedanken für sich. Doch sie ließen ihm keine Ruhe. Denn er wusste selber auch keine Antwort auf seine Fragen.

      Ungefähr zehn Tage waren vergangen, seit er mit Sin-Ta gesprochen hatte, als er nach reiflichem Nachsinnen einen Entschluss fasste. Er ging wieder zum Tempel. Aber diesmal überquerte er den großen Platz mit eiligen Schritten und ging zielbewusst auf die mittlere Treppe los. Er schaute weder rechts noch links. Entschlossen stieg er die Stufen empor. Im Vorraum, den er schon einmal betreten hatte, fragte er einen Priester nach Sin-Ta. Der war nicht erstaunt, als er Abram sah.

      »Ich möchte, dass du mich in die Lehre der Astrologie einführst«, sagte Abram. Ich möchte mehr über die Gestirne wissen – und auch über die Götter«, fügte er hinzu.

      »Ich habe gehofft, dass du wieder kommst«, antwortete ihm Sin-Ta. »Deine Wissbegier hat mir gefallen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass du keine Fragen mehr hast. Ich will dich gerne unterrichten.«

      Sin-Ta führte Abram in einen Raum, der nur spärlich mit Öllampen, die den Wänden entlang auf hohen Sockeln standen, erleuchtet war. Auf dem Fußboden sah Abram seltsame Kreise und Zeichen eingeritzt.

      »Das ist die Sonne«, sagte Sin-Ta und zeigte auf einen kleinen Kreis. »Und dieser Halbkreis ist das Zeichen für den Mond. Und der dicke, lange Strich in der Mitte ist die Erde.«

      »Ich habe lange darüber nachgedacht, was du mir gesagt hast«, sagte Abram. »Mir ist aber nicht klar geworden, warum Mond- und Sonnenfinsternisse so selten sind.«

      Sin-Ta schien etwas zu überlegen. Dann forderte er Abram auf, mit ihm auf die Terrasse hinauszugehen.

      Sie gingen miteinander ein paar Schritte.

      »Merke dir die Geschwindigkeit, mit der wir gegangen sind«, sagte Sin-Ta. »Und nun geh zur Treppe. Steig auf die obere Terrasse und dann schau zu mir herab!«

      Als Abram über die Brüstung zu dem Priester hinabschaute, rief dieser: »Stell dich genau hier über mich hin. Und nun gehen wir beide im gleichen Schritt wie vorher um den Tempel herum. Wenn du wieder hier angekommen bist, dann schau zu mir herab.«

      Abram gehorchte. Und als er wieder zu der Stelle zurückkam, schaute er hinab, sah jedoch den Priester nicht. Erst nach einer Weile kam er um die Ecke.

      »Nun komm wieder herunter zu mir«, rief Sin-Ta zu Abram hinauf. Und als dieser bei ihm stand, sagte er: »Du warst der Mond, und ich war die Sonne. Beide kreisen um die Erde herum. Weil aber der Mond näher an der Erde ist, hat er eine kürzere Bahn als die Sonne. Damit wir uns genau übereinander wieder treffen würden, müssten wir noch ein paar Mal um den Tempel herumgehen. So ist es auch mit der Sonne und dem Mond. Darum sehen wir den Mond auch nicht immer zur gleichen Zeit aufgehen. Manchmal kommt er am Abend, wenn die Sonne untergeht, manchmal aber erst um Mitternacht oder sogar gegen den Morgen.«

      Abram leuchtete das ein. Doch er überlegte eine Weile. Dann sagte er: »Aber jeden Monat müssten sich doch die Sonne und der Mond einmal treffen.«

      »Das stimmt«, sagte Sin-Ta, »wenn der Mond immer auf der gleichen Bahn um die Sonne kreisen würde. Aber das tut er nicht. Meistens geht er unter oder oberhalb der Sonne durch. Nur sieht man ihn dann nicht, weil er zu nahe an der Sonne ist. Wenn er aber genau vor der Sonne hindurchgeht, dann wirft die Sonne seinen Schatten auf die Erde. Dann gibt es eine Sonnenfinsternis. Das kommt aber selten vor.«

      »Das

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