Abraham. Martin Renold

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Abraham - Martin Renold

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meisten Angst hatte Sarai. Sie schmiegte sich fest an ihre Mutter. Hoffentlich hatte ihr großer Bruder, den sie so sehr bewunderte recht. Doch so richtig glauben konnte sie ihm noch nicht.

      Sie sprachen auch nach dem Essen noch lange über das bevorstehende Ereignis, bis Sia fand, es sei nun genug geredet, sie sollten sich schlafen legen.

      Aber alle waren sich einig, dass sie am nächsten Tag zum Tempel des Nanna gehen würden, um mit dem Volk zu beten und das unvorstellbare Geschehen zu erwarten.

      Die drei Brüder schliefen lange nicht. Es waren so viele Fragen, auf die es keine Antworten gab. Nur eines wussten sie: Etwas Unheimliches stand bevor, das sie noch nie erlebt hatten. Sollte tatsächlich gar die Welt untergehen?

      Abram beschwichtigte: »Ihr habt doch gehört, was Vater gesagt hat. Das ist auch schon in früherer Zeit geschehen, und die Welt ist nicht untergegangen.«

      »Aber die Leute fürchten sich«, flüsterte Haran, um die Eltern im Nebenzimmer nicht zu wecken, die wohl schon schliefen.

      »Am meisten werden sich Rim-Sin, der König, und sein Statthalter fürchten«, vermutete Nahor. »Sie wissen, dass das Volk sie nicht liebt. Sie sind Fremde, keine von uns. Vielleicht deutet das Himmelszeichen den Sturz von Rim-Sin an.«

      »Wer sollte ihn stürzen?«, fragte Abram. »Wir sind nicht stark genug. Wir haben keine Waffen. Fremde Mächte müssten uns helfen. Doch was hätten wir davon? Die Hethiter oder die Babylonier oder wer es auch sein würde, wären nicht besser als Rim-Sin und sein Statthalter.«

      Als das Gespräch endlich verstummte, konnten sie immer noch nicht schlafen. Abram hörte, wie Haran und Nahor sich auf ihrem Lager drehten und wendeten und wie der Strohsack, auf dem sie lagen, raschelte.

      Ab und zu fragte einer seine Brüder leise: »Schlaft ihr schon.« Doch niemand gab Antwort, aber jeder wusste, dass die andern noch wach waren.

      Auch Abram ging alles im Kopf herum, was er gehört hatte. Was hatte das zu bedeuten? Zürnten die Götter vielleicht doch? Was hatten sie mit den Menschen vor? Ach, sie waren so weit weg, diese Götter. Zwar gab es Statuen von ihnen in den Tempeln. Doch das gemeine Volk, zu dem auch er gehörte, hatte keinen Zutritt zu ihnen. Aber die Statuen im Tempel waren ja auch nur Abbilder der Götter, genauso wie die kleinen Statuen, die er mit seinem Vater und den Brüdern herstellte. Wer kennt schon die Götter? Wer weiß, wo sie sind? Wer sind sie überhaupt? Hat sie schon je einer gesehen?

      Nahor war der erste der drei Brüder, der Schlaf fand. Haran war noch zu aufgewühlt. Das würde ein Ereignis werden morgen, wenn das Volk zum Tempel strömt! Widerstrebende Gefühle kämpften in seiner Brust. Halb bangte ihm vor dem morgigen Tag, halb freute er sich in Erwartung dessen, was kommen würde. Wie würde es sein, wenn die Sonne verschwand, nein, sich nur verfinsterte? Was würde danach sein? Wäre das Leben noch wie zuvor? Was würde über Ur, seine geliebte Stadt, hereinbrechen? Unter all den Menschen und in den Mauern der Stadt aber würde er sich sicher fühlen. Wie froh war er, dass er das ganze Geschehen nicht draußen, irgendwo auf dem Feld oder in der Wüste erleben müsste. Ein Schauer durchfuhr seinen Körper, als er sich vorstellte, wie er, ohne darauf vorbereitet zu sein, plötzlich sähe, wie die Sonne vom Himmel verschwindet. Er würde glauben, die Welt gehe unter. Aber ganz wohl war ihm auch jetzt nicht, obschon...

      Und schließlich übermannte ihn doch der Schlaf. Aber schreckliche, angstvolle Träume verfolgten ihn. Einmal stand er am Ufer des Euphrats. Der Himmel hatte sich verfinstert. Die Sonne war verschwunden. Der Fluss stieg höher und höher. Er wollte wegrennen, aber seine Füße waren wie angewachsen am Boden. Das Wasser überflutete das Ufer und stieg an seinen Beinen hoch über die Knöchel, dann bis zu den Knien. Endlich konnte er sich bewegen. Er wollte dem Wasser entfliehen. Aber er fiel um, und der Strom riss ihn mit. Er konnte nicht schwimmen. Die Wellen schlugen über ihm zusammen. Und er erwachte mit einem Schrei.

      Hatte er wirklich geschrien? Seine Brüder schienen zu schlafen. Sie hatten nichts gehört. Wieder wälzte er sich lange hin und her, bis er endlich ruhig einschlummerte.

      Am nächsten Morgen sprach niemand im Haus von dem Ereignis. Keiner wollte den Anschein erwecken, dass er sich vor dem kommenden Unbekannten fürchte. Es wollte aber auch sonst kein Gespräch in Gang kommen.

      Terach hantierte in der Werkstatt. Es war aber keine eigentliche Arbeit, die er verrichtete. Er nahm ein Werkzeug von einer Stelle weg, betrachtete es, wendete es hin und her, rieb mit einem Finger daran, als wäre es schmutzig oder als prüfe er, ob es stumpf sei und er den Stein schon wieder schleifen müsse, und legte es wieder zurück. Seine Söhne erschienen auch nicht zur Arbeit. Haran und Nahor liefen zusammen aus dem Haus. Terach rief ihnen nach, sie möchten bald zurückkehren und nicht schon zum Tempel gehen.

      Abram saß bei Sarai und seiner Stiefmutter.

      Sarai machte einen ängstlichen Eindruck.

      »Es wird schon nichts geschehen«, munterte Abram sie auf.

      Er wünschte, er könnte Sarai die Angst nehmen. Er mochte seine kleine Schwester. Obwohl er der älteste der Brüder war und sie zehn Jahre jünger als er, hatten sie sich immer gut verstanden. Ohne es sich eigentlich bewusst zu sein, hatte er stets die Beschützerrolle übernommen. Und Sarai bewunderte ihn, weil er der Vernünftigste unter den Brüdern war. Er hatte sie nie ausgelacht wie die andern, als sie noch klein war, oder, wenn sie geweint hatte, noch mehr gereizt und sie dann wegen ihres lauten Geschreis verspottet.

      Nahor und Haran gingen durch die Stadt. Überall standen Leute in kleinen Gruppen herum. Die Sonne hatte sich bereits über die Mauern der Stadt erhoben und schickte wie immer ihr strahlendes Licht vom wolkenlosen, blauen Himmel herab und warf ihre Schatten in die engen Gassen.

      Niemand konnte sich vorstellen, dass dies bald nicht mehr so sein würde. Und nichts deutete auf das bevorstehende Ereignis hin.

      Als die Zeit allmählich herankam, da sie zum Tempel aufbrechen sollten, schickte Terach Abram auf die Straße, um zu sehen, wo seine Brüder blieben und ob die andern Leute schon zum Gott Nanna unterwegs seien.

      Abram verließ das Haus und ging über den kleinen Hof und durch das verwinkelte enge Gässchen bis zur großen Straße. Es strömten schon viele dem Tempel zu. Hatten sich Nahor und Haran ihnen angeschlossen? Der Vater hatte doch gesagt, dass sie vorher zurückkehren sollten.

      Da sah er sie, wie sie sich eilig durch den bereits fließenden Menschenstrom drängten und auf ihn zukamen.

      »Kommt! Beeilt euch!«, riefen sie. »Die Leute sind schon alle unterwegs zum Tempel.«

      Abram lief zurück ins Haus und rief Vater und Mutter.

      »Wo sind deine Brüder?«, fragte Terach, ängstlich und zugleich verärgert.

      »Sie warten bei der Straße vorn«, antwortete Abram.

      Terach trat nun mit Sia, Abram und Sarai aus dem Haus. Er tadelte Haran und Nahor, weil sie so lange ausgeblieben waren.

      Terach schritt mit Sia voraus. Abram ging beschützend an Sarais Seite. Hinter ihnen kamen, ein wenig beschämt wegen des Tadels, Abrams jüngere Brüder.

      Es war ein weiter Weg durch die Stadt bis zum Tempel. Sie ließen sich von dem Menschenstrom mittreiben bis auf den großen Tempelplatz, der von den Häusern der Priester und Tempeldiener umrahmt war. Hoch erhoben sich die Mauern des aus gebrannten Lehmziegeln erbauten Tempels stufenförmig zum Himmel empor.

      Eine lange Treppe führte von vorne über eine kleine,

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