Abraham. Martin Renold

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Abraham - Martin Renold

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dann doch der Nomade.

      Terach nickte zustimmend.

      »Hast du es dir überlegt?«, fragte er.

      »Ich bin alt und werde bald sterben«, sagte jener. »Dein Vorschlag hat mir eingeleuchtet. Aber dann bin ich in die Stadt hineingegangen. Bis jetzt hatte ich immer einen Bogen um sie gemacht. Zuerst, als ich durch das große Tor kam, hab ich gestaunt. Ich war überwältigt von der Größe der Häuser, von der breiten Straße, von den vielen Menschen. Aber als ich weiter in die Stadt hineinging und in die engen Gassen, da fühlte ich nur noch Beklemmung. Und dann dieser Gestank! Nein, Terach, in dieser Stadt könnte ich nicht leben, und wäre es auch nur um zu sterben. Du weißt, ich habe keinen Sohn mehr, aber ich habe eine Schwiegertochter und Enkeltöchter, die mit ihren Männern bei mir wohnen. Ich könnte ihnen das nicht antun. Ich verstehe dich ja, dass du hinaus willst aus der Stadt. Aber mir erginge es auch so. Und auch meinen Nachkommen. Ich kann sie nicht einsperren in diese Mauern. Wir sind Nomaden, wie dein Vater einer war. Ich habe ihn nie verstehen können.«

      Terach stand ihm stumm gegenüber und nickte nur. Er sah, es hätte keinen Sinn, weiter zu verhandeln.

      Auf einmal sah die Welt für ihn ganz anders aus. Er fühlte einen heftigen Schmerz in seiner Brust.

      »Es tut mir leid«, sagte der andere.

      Wieder nickte Terach stumm.

      »Leb wohl«, sagte er dann und wandte sich um. Mit schweren Schritten, als wären Steine an seine Füße gebunden, ging er davon.

      Er hörte keine Vögel mehr singen. Vielleicht war es zu heiß geworden. Sie hatten sich im Schatten versteckt oder waren zum Fluss gezogen. Auch den hörte er nicht mehr rauschen. Die Brust, die am Morgen noch zu zerspringen drohte, war in sich zusammengefallen. Der Stecken in seiner Hand zeigte nicht mehr nach dem Himmel. Er stieß nur noch auf den harten, trockenen Boden.

      Jetzt leuchteten nicht mehr die hellen, sonnenbeschienenen Zelte des Nomaden vor ihm, nur noch die dunklen, drohenden Mauern der Stadt.

      Seine Söhne würden sich freuen, vor allem Haran, aber auch Nahor. Nur Abram würde vielleicht seine Enttäuschung teilen.

      Er ging langsam auf die Stadt zu wie einer, der eine Todesnachricht überbringen muss.

      Wie das große geöffnete Maul eines riesigen Tieres, das ihn zu verschlingen drohte, sah er vor sich das Tor, auf das er zuschritt. Wie ein aus dem Gefängnis Entflohener, der ein wenig die Freiheit geschnuppert hat und dann von den Häschern in seine enge Zelle zurückgeführt wird, fühlte er sich.

      Die Wache ließ ihn passieren. Fast wie ein Blinder ging er durch die Menge der Leute hindurch, die Rufe der Händler drangen nicht zu ihm durch, die Handwerker, die unter ihren Türen saßen und ihn grüßten, sah er nicht.

      »Was ist mit Terach los?«, dachten jene, die ihn kannten.

      Er bog nicht in die Gasse ein, die zu seinem Haus führte. Er ging weiter bis zum Straßenkreuz, ging in eine Schänke und ließ sich einen kleinen Krug Bier bringen. Die Wanderung an der Sonne hatte ihn durstig gemacht. Der trübe Gerstensaft rann kühlend seine Kehle hinunter. Doch als er den bitteren Satz des Bieres, der auf dem Grund des Kruges schwamm, in sich hineinschlürfte, ekelte es ihn, und er spuckte ihn auf den Boden.

      Endlich raffte er sich auf, zahlte mit einem Silberplättchen, nahm seinen Stecken und verließ die Schänke.

      Vor seinem Haus holte er noch einmal tief Atem, bevor er die Tür zur Werkstatt öffnete und eintrat. Er wollte jetzt nicht in die Wohnung zu Sia gehen. Doch arbeiten mochte er auch nicht. Er saß nur auf seinem Schemel und drehte ein Schnitzmesser in seiner Hand herum.

      Seine Söhne hatten, als sie am Morgen in die Werkstatt gegangen waren und ihren Vater nicht bei der Arbeit antrafen, geahnt, was er vorhatte. Sie hatten sich an ihre Plätze gesetzt und zu arbeiten begonnen. Haran hatte noch eine Weile über das Vorhaben seines Vaters gemotzt. Als seine Brüder aber nicht darauf eingegangen waren, verstummte er bald. Bis zum Mittag hatten sie stumm ihre Arbeit verrichtet, bis die Mutter zum Essen rief. Sia war erstaunt, dass Terach nicht da war. Im Wohnraum warteten sie auf ihn.

      Endlich hörten sie die Tür zur Werkstatt gehen. Abram stand auf, um ihn zum Essen zu holen.

      Als er in die Werkstatt trat, merkte Abram gleich, dass mit seinem Vater etwas nicht in Ordnung war.

      »Hast du getrunken?«, fragte er.

      »Er hat nicht eingeschlagen«, sagte Terach, ohne aufzublicken.

      Abram wusste, was er damit meinte.

      »Nimm es nicht so schwer«, tröstete er seinen Vater. »Eines Tages werden wir die Stadt verlassen, und dein Traum geht in Erfüllung.«

      »Abram ist ein guter Sohn«, dachte Terach. »Er will mich aufmuntern. Er glaubt an meinen Traum von der Freiheit. Vielleicht ist mein Traum wirklich auch sein Traum.«

      »Komm, das Essen ist bereit«, forderte Abram seinen Vater auf.

      »Lass mich noch eine Weile. Ich komme nach«, erwiderte Terach.

      Abram verließ die Werkstatt und ging über den Hof zum Wohnraum, wo seine Stiefmutter, Sarai und die Brüder beisammensaßen, und berichtete, was er vernommen hatte.

      Nahor und vor allem Haran freuten sich.

      »Aber zeigt eure Freude nicht unserm Vater«, mahnte Abram, »es würde ihn schmerzen.«

      Sia ging hinüber in die Werkstatt zu Terach. Sia war seine zweite Frau. Er hatte sie genommen, nachdem die Mutter seiner drei Söhne gestorben war. Sie war noch jung und schön. Auch Sarai, ihre Tochter, war lieblich anzusehen und stand gerade in dem Alter, wo sie sich wie eine Knospe zur Blume entfaltete.

      Sarai und die Söhne warteten im Wohnraum, bis Sia mit Terach zurückkam. Doch keiner wagte, den Vater zu fragen, wo er gewesen sei und was er draußen vor der Stadt gemacht habe. Noch nie waren sie beim Essen so schweigsam gewesen. Bei einem Totenmahl ging es lustiger zu.

      Nur als das Essen zu Ende war, sagte Terach:

      »So, nun aber alle an die Arbeit!«

      So blieb denn Terach mit seinen Angehörigen weiter in der Stadt Ur, hinter den hohen grauen Mauern, die sie wie ein Gefängnis umgaben. Nur seine Gedanken und Sehnsüchte vermochten sie zu übersteigen. Er träumte weiter von der Freiheit eines Nomadenlebens.

      Die Sonne verfinstert sich

      Haran war froh, dass der Handel seines Vaters mit dem Nomaden nicht zustande gekommen war. Er liebte die zumindest tagsüber vom Leben pulsierende Stadt und hätte sich ein seiner Meinung nach langweiliges Dasein auf dem Land nicht vorstellen können.

      »Ich brauche Menschen um mich, nicht Schafe«, hatte er unmissverständlich zu Abram gesagt. Vor seinem Vater Terach aber verheimlichte er seine Freude. Der sprach nicht mehr zu seinen Söhnen über seinen Traum, den er weiter in seiner Brust bewahrte. Eines Tages würde er wohl doch noch in Erfüllung gehen.

      Haran war schon immer ein aufgewecktes, fröhliches Kind gewesen. Auch als junger Mann hatte er seine Lebenslust behalten. So oft er sich von der Arbeit in der Werkstatt drücken konnte – es gab nicht immer gleich

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