Abraham. Martin Renold

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Abraham - Martin Renold

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was er wohl bemerkt hatte, gab ihm die Hoffnung, dies annehmen zu dürfen.

      Als Abram es nicht mehr aushielt, sprach er mit seinem Vater, der nun wieder einmal gefragt war.

      Es kostete Abram mehr Überwindung, als Haran damals hatte aufwenden müssen. Denn hier ging es ja um Terachs einzige Tochter. Und er wusste, dass Terach sie über alles liebte und sie behütete wie einen kostbaren Schatz.

      Vorsichtig begann er deshalb:

      »Vater, denkst du nicht auch, dass ich bald einmal eine Frau nehmen sollte? Haran ist der Jüngste von uns Brüdern. Und er wird schon bald Nachwuchs bekommen.«

      »Ja«, sagte Terach, »eigentlich hatte ich auch gedacht, dass du als Erster eine Frau nimmst und für Nachkommen sorgst. Es ist höchste Zeit, denn wenn ich einmal sterbe, sollst doch du als der Erstgeborene mein Hab und Gut erben. Kennst du denn kein heiratsfähiges Mädchen, das du dir zur Frau nehmen könntest?«

      »Doch«, antwortete Abram. »Aber ich weiß nicht, ob du damit einverstanden bist.«

      »Wo ist denn das Problem?«, fragte Terach. »Ist es kein ehrbares Mädchen oder vielleicht die Tochter eines unehrenhaften Mannes?«

      »Ganz im Gegenteil. Ich kenne keinen ehrenhafteren Mann«, antwortete Abram.

      »Dann wüsste ich nicht, warum ich dagegen sein könnte«, erklärte Terach, ein wenig erstaunt, dass Abram diesen Unbekannten höher schätzte als ihn, Terach, den Vater. Wer um Himmels willen, konnte das sein?

      »Es ist nicht so einfach, wie du denkst«, sagte Abram und holte tief Atem, »weil ich die Erlaubnis ihres Vaters einholen muss.«

      »Das wird doch nicht so schwer sein«, meinte Terach. »Wenn er ein ehrenhafter Mann ist und wie du meinst, noch ehrenwerter als ich, wird er wohl nicht nein sagen. Oder hält er unsere Familie für unwürdig?«

      Abram merkte, dass er seinen Vater vergrämt hatte. Das wollte er nicht. Nun musste er rasch alles aufklären.

      Trotz seiner Angst und seiner Mutlosigkeit konnte Ab­ram ein schelmisches Lächeln nicht unterdrücken. Es war eine groteske Situation. Aber gerade die war es, die ihm plötzlich Mut machte; und als Terach ihn aufforderte: »So geh doch hin und frage ihn«, da kamen wie von selbst diese Worte aus seinem Mund:

      »Ich bin schon da.«

      Terach wusste nicht, was sein Sohn damit sagen wollte.

      »Was heißt das: ‚Ich bin schon da’?«, fragte er.

      »Ja, ich bin da und frage ihren Vater«, sagte Abram und verzog seinen Mund zu einem Lachen, aus dem Terach nicht klug wurde. Er schaute Abram nur verständnislos an.

      »Du bist ihr Vater«, erklärte Abram.

      Da ging Terach endlich ein Licht auf.

      »Es ist Sarai, deine Schwester?«, rief er überrascht.

      »Ja, es ist meine Schwester«, bestätigte Abram. »Und das ist auch das Problem. Bisher habe ich sie nur als meine Schwester betrachtet. Aber jetzt habe ich mich in sie verliebt. Ich möchte sie zur Frau nehmen.«

      »Und Sarai, weiß sie davon? Hat sie sich auch in dich verliebt?«, fragte Terach.

      »Sie liebt mich als Bruder. Ich weiß nicht, ob sie mich auch als Ehemann lieben würde.« Ein leichter Zweifel war aus Abrams Worten herauszuhören.

      »Sie ist zwar deine Schwester«, sagte Terach, »aber sie hat eine andere Mutter als du. Wenn sie einverstanden ist, dann sollst du sie bekommen. Wie ich sehe, hast du aber noch nicht mit ihr darüber gesprochen. Mir ist auch aufgefallen, dass du dich ihr gegenüber seit einiger Zeit anders benommen hast als früher. Das war also der Grund.«

      Am Abend nach dem Essen, als die Familie wieder im Rund beisammen saß, erklärte Terach:

      »Ich muss euch eine wichtige Mitteilung machen.«

      Alle wurden still und warteten gespannt, was er wohl zu sagen hatte. War es wieder sein alter Traum, sein bisheriges Leben aufzugeben und als Nomade von Weide zu Weide zu ziehen?

      Vor allem Haran fürchtete dies. Nein, mit seiner jungen Frau und dem Kind, das sie unter dem Herzen trug, würde er auf keinen Fall mit ihm gehen.

      Terach wartete eine Weile, und als die Spannung stieg, sagte er:

      »Euer Bruder Abram möchte sich eine Frau nehmen.«

      So etwas Besonderes war das ja nicht. Schließlich war er der Älteste. Irgendwann musste es doch so weit sein. Das hatten eigentlich alle irgendwann erwartet. Nur Sarai sah vor sich hin, ohne Abram anzusehen. Diese Nachricht hatte ihr einen Stich ins Herz gegeben. Eines Tages musste sie damit rechnen. Doch nun spürte sie auf einmal schmerzhaft, dass sie Abram mehr liebte als nur wie einen Bruder. Ängstlich wartete sie darauf, dass Terach erkläre, wer die Glückliche sei, die sich ihr großer, verehrter und geliebter Bruder auserwählt habe.

      Nun wandte sich Terach an seine Tochter.

      »Sarai«, begann er.

      Sarai erschrak. Hatte Terach ihre Gedanken und Gefühle erraten? Versuchte er nun, sie auf diese Nachricht besonders behutsam vorzubereiten? Schon drängten sich Tränen in ihre Augen. Sie wollte sich erheben und den Raum verlassen, um dieser peinlichen Situation zu entgehen. Aber Terach sagte:

      »Bleib, Sarai, es geht vor allem dich an. Abram liebt dich, und er möchte dich zur Frau nehmen. Bist du damit einverstanden?«

      Es war ein Wechselbad der Gefühle, in das Sarai getaucht wurde. Eine Purpurröte schoss über ihren schönen, schlanken Hals hinauf in ihre Wangen.

      Alle warteten gespannt, was sie dazu sagen würde. Am meisten gespannt war Abram. Aber Sarai hatte die Sprache verloren.

      Sia schubste ihre Tochter in die Seite. Und Nahor und Haran schauten sie auffordernd an. Nur Abram hatte den Blick gesenkt wie ein Angeklagter, der auf sein Urteil wartet und nicht weiß, wird es ein Todesurteil oder ein Freispruch.

      »Nun, sag schon«, forderte sie Terach auf, »willst du Abram zum Mann?«

      Sie brachte nur ein schüchternes Ja hervor.

      Und nun kamen die zurückgehaltenen Tränen doch noch.

      Doch alle dachten, es seien Freudentränen.

      Nun, das waren sie ja jetzt auch.

      »Dann sei es«, bestätigte Terach, und fügte bei:

      »Einen besonderen Vertrag brauchen wir ja nicht aufzusetzen. Es bleibt doch in der Familie.«

      Als Abram und Sarai darauf zum ersten Mal als Versprochene Angesicht in Angesicht voreinander standen, wagten sie kaum, sich in die Augen zu sehen. Für Sarai war dies alles so überraschend gekommen. Sie wusste nicht, wie sie sich ihrem Bruder gegenüber verhalten sollte. Als Verlobte war das doch etwas ganz anderes, etwas Neues.

      Erst als die Brüder die beiden ermunterten, umarmten sie sich zaghaft. Doch dann, als sie sich spürten, drückten sie sich aneinander und küssten sich.

      Darauf

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