Ein Ort in Italien. Emmi Ruprecht
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Ein paar Jahre lang ging alles gut. Doch irgendwann begannen Zweifel an ihm zu nagen. Spätestens als Carola ihr Studium beendete und darüber nachdachte zu promovieren, realisierte er plötzlich, dass sie nicht ewig das junge Mädchen bleiben würde, das vor sich hin lernte und ohne einen Abschluss in der Tasche noch nicht viel darstellte. Als Carola dann auch noch ihr Diplom mit Auszeichnung bestand, fiel es ihm schwer, diesen Erfolg mit ihr zu feiern. Er zog sie lieber damit auf, dass sie vom „Ernst des Lebens“, wie er es nannte, auch mit Diplom noch nichts wusste.
Kurze Zeit später wurde sie tatsächlich als Doktorandin an dem Institut angestellt, an dem sie auch studiert hatte. Schnell erweiterte sich ihr Bekanntenkreis und auf einmal hatte sie immer mehr mit „Doktoren“ und „Professoren“ zu tun und duzte sich sogar mit ihnen. Seine Freundin „war plötzlich wer“ als angehende Frau Doktor, die forschte, Vorlesungen hielt und Diplomarbeiten betreute. Sie entwuchs der Rolle des kleinen Bücherwurms an seiner Seite. Maiks Vorsprung als angehender Unternehmer, der relativ viel Geld verdiente und sich im Leben bereits einen Platz erobert hatte, schwand.
Für eine kurze Zeit konnte er diese Gedanken in den Hintergrund drängen, als Carola seinen Heiratsantrag annahm und sich trotz ihrer mittlerweile gesicherten Existenz und glänzenden Zukunftsperspektiven für ihn entschied. Er hatte auch immer noch den Eindruck, dass sie ein bisschen zu ihm, dem erfahreneren Mann aufschaute, der nach und nach die Geschäftsführung des elterlichen Betriebs übernahm und sehr erfolgreich damit begann, das Unternehmen zu erneuern.
Doch letztendlich war der Prozess der Anpassung ihrer Beziehung an die geänderten Verhältnisse wohl nicht aufzuhalten gewesen. Carola wurde immer selbstbewusster und fügte sich nicht mehr ergeben seinen Ansichten und Vorstellungen. Sie hatte plötzlich auch mal Meinungen oder Wünsche, die von seinen abwichen. Auch war sie längst nicht mehr jederzeit verfügbar, wenn er wegen der betrieblichen Notwendigkeiten nur recht kurzfristig Freizeitaktivitäten planen konnte, sodass gemeinsame Unternehmungen immer seltener wurden. Seine familiären, freundschaftlichen oder gesellschaftlichen Verpflichtungen musste er immer öfter alleine wahrnehmen. Beim Schützenfest oder anderen dörflichen Ereignissen, wo er sich als ortsansässiger Handwerker mit eigenem Betrieb sehen lassen musste, weil viele der Gäste seine Kunden waren, flog dann schon mal die ein oder andere bissige Bemerkung, warum seine Frau Besseres zu tun hätte, als ihn zu begleiten, und ob sie überhaupt noch zusammen wären. Zwar wehrte Maik solche Angriffe lachend ab oder frotzelte zurück, dass nur niemand neidisch sein soll, weil er unbewacht das Haus verlassen dürfe. Doch ihm missfiel Carolas häufige Abwesenheit auch und er fühlte sich vernachlässigt. Die Frauen seiner Freunde und Bekannten waren selbstverständlich immer an deren Seite und fielen höchstens dann einmal aus, wenn eines der vielen Kinder kränkelte. Er hätte es gern gesehen, wenn auch um ihn jemand herumgetanzt hätte, ihn anhimmelte oder seinen Äußerungen beifällig lauschte, wie er es selbstverständlich bei seinen Freunden und deren anwesenden Gattinnen beobachten konnte. Zwar zeigte er seine Frau bei den seltener werdenden Gelegenheiten immer noch gerne vor und dann verstummten auch schnell alle anzüglichen oder herablassenden Bemerkungen aus seinem Bekanntenkreis. Darüber hinaus umschmeichelte manch bewundernder oder gar begehrlicher Blick seine wunderhübsche, charmante Carola, die mit zunehmendem Alter auch optisch immer deutlicher aus der Masse der Ehefrauen hervorstach, denen die Zeit ihren Stempel aufdrückte. Dann wurde sein Stolz auf seine einstige Eroberung neu entfacht!
Aber diese Gelegenheiten wurden auch nicht zahlreicher, als Carola schließlich ihren Doktortitel hatte und begann, auf ihr nächstes Ziel, die Habilitation, hinzuarbeiten. Und schließlich konnte Maik nicht umhin, seine häusliche Situation immer kritischer zu betrachten. Immer öfter stellte er Vergleiche an zu dem Leben, das seine verheirateten Freunde führten. Wenn die abends heim kamen, wartete eine Frau auf sie, die ihren Mann genauso wie die Kinder bekochte und umsorgte. Wenn Maik nach Hause kam, dann war Carola oft noch nicht da oder arbeitete in ihrem Arbeitszimmer an der Veröffentlichung irgendwelcher Fachartikel oder sie bereitete Vorlesungen vor. Und so ist es bis heute geblieben.
Er seufzt. Vielleicht wäre es damals besser gewesen, dem Rat von Eltern und Freunden zu folgen und ein Mädchen zu ehelichen, das weniger ambitioniert an der eigenen Karriere arbeitet. Er sehnt sich nach einer Frau, die selbstverständlich zu ihm aufschaut, ihn umsorgt und wo ganz klar ist, wer die Sonne in der Beziehung ist, um die alles kreist. In den Ehen seiner Freunde sind das zweifelsohne die Männer, die etwas darstellen und deren Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Die Frauen sind mit bestenfalls schlecht bezahlten Halbtagsjobs, der Hausarbeit, der Kindererziehung und einem Platz an seiner Seite vollauf zufrieden. Doch mit Carola ist so eine Rollenverteilung nicht zu machen.
Und jetzt, denkt er, hat sie auch noch schlechte Laune! Das kann er nun gar nicht verstehen! Schließlich wollte sie doch diesen Urlaub und er hat alles möglich gemacht, um sich dafür eine Woche freizuschaufeln. Natürlich hatte er kurz vor diesem Urlaub, den Carola unbedingt machen wollte, noch viel zu erledigen gehabt. Schließlich musste er in seinem Betrieb alles so regeln, dass seine Leute für eine Woche auch ohne ihn klarkommen. Wie kann sie da erwarten, dass er sich auch noch Gedanken darum macht, das Auto vor der Reise zu überprüfen oder welche Sachen er einpacken muss? Er trägt die Verantwortung für einen Betrieb mit zwölf Arbeitsplätzen und muss zusehen, dass der Laden läuft. Da hat er den Kopf wirklich mit wichtigeren Dingen voll! Sie ist doch nur angestellt und kann nachts ruhig schlafen, weil die Universität auch dann noch steht, wenn sie mal mit ihrer Forschung nicht weiterkommt. Warum kann sie das nicht verstehen? Ist es denn wirklich so unzumutbar, dass sie sich um die Organisation der Reise kümmert? Bei seinen Freunden ist die Urlaubsvorbereitung selbstverständlich Frauensache. Warum soll er eigentlich auf alles verzichten, nur weil seine Frau mittlerweile Professorin ist? Warum ist sie sich nun für alles zu fein? Oder ist er ihr einfach nicht mehr gut genug?
Verstohlen schaut er zu Carola hinüber, deren Haar unter einem hellen Tuch zusammengebunden ist, um es vor dem Fahrtwind zu schützen. Sie trägt eine riesige Sonnenbrille und einen edlen, breiten Armreif am Handgelenk. Ihre Bewegungen, wenn sie schaltet oder den Kopf bewegt, um in den Rückspiegel zu sehen, haben etwas unbestreitbar Elegantes. Mondän sieht sie aus am Steuer ihres Autos – fast wie ein Filmstar aus den Fünfzigern. Sie muss nicht einmal etwas dafür tun, um ein Hingucker zu sein – sie ist es einfach. Maik findet, dass das großartige Eigenschaften für eine anbetungswürdige Geliebte sind. Aber ist es auch das Richtige als Ehefrau?
Carola blinkt und zieht links an einer langen Schlange von Wohnmobilen und vollbepackten Autos vorbei, die zum Gardasee abbiegen wollen. Es ist Urlaubszeit und natürlich staut sich an der Ausfahrt der Verkehr. Sie ist froh, dass sie sich hier nicht einreihen müssen und die Touristenmassen meiden können.
Von dem abgelegenen Urlaubsort, der inmitten von Bergen nur über endlose Serpentinen zu erreichen ist, hat ihr Jonas, ihr Gitarrenlehrer, erzählt. Seit ungefähr einem Jahr nimmt sie in unregelmäßigen Abständen wieder Unterricht, um einen Ausgleich zu ihrem Beruf zu finden, den sie zwar sehr liebt, der aber recht einseitig den Kopf beansprucht. In der letzten Unterrichtsstunde vor Weihnachten hatte Jonas dann von diesem Gut geschwärmt, wo man sich in unglaublich idyllischer Umgebung, ungestört von fast allen zivilisatorischen Ablenkungen, ganz der Muße hingeben könne. Weit ab von der Welt könne man auch mal vergessen, dass es sie überhaupt gibt und endlich wieder zu dem Menschen werden, der man eigentlich sei, schwärmte er. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sie neugierig gemacht und schließlich angesteckt mit seiner Begeisterung. Und da sie nicht schon wieder auf den letzten Drücker irgendeine Pauschalreise buchen wollte, die sie nur halbherzig hinter sich bringen würde, hatte sie beschlossen, dieser Empfehlung zu folgen. Sie suchte einen passenden Kurs im Internet heraus und fragte Maik, ob er mitkommen wolle. Sie muss zugeben, dass sie ihn damit vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Aber dieses Jahr wollte sie nicht schon wieder über Monate hinweg ergebnislos Urlaubsoptionen an ihn herantragen, zu denen er sich