Die Servator Verschwörung. Jürgen Ruhr

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Die Servator Verschwörung - Jürgen Ruhr

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und plane mein Studium an der Humboldt Universität fortzusetzen“, erklärte sie leise und Ron sah, dass ihre Gedanken jetzt in München und bei ihrem Vater weilten. Trotzdem konnte er sich jetzt eine Frage nicht verkneifen: „Du sagst, du hast in München gelebt. Wie kommt es, also du ...“ Er wusste nicht so recht, wie er es formulieren sollte, plötzlich kam ihm die Frage ziemlich blöd vor.

      Aber Vera wusste offensichtlich, was er meinte, denn sie erklärte: „Du willst bestimmt wissen, wieso ich so ganz ohne Akzent Hochdeutsch spreche.“ Sie lachte leise. „Wir sind von klein auf so erzogen worden. Mein Vater war Rechtsanwalt und legte größten Wert auf korrekte Aussprache. Nun, wäre dieser dumme Autounfall nicht gewesen ...“

      Wieder wurden sie durch den dezenten Kellner unterbrochen, der ihr Essen brachte und sich dann fast lautlos und diskret zurückzog, nachdem er ihnen einen guten Appetit gewünscht hatte. Während des Essens sprachen sie über recht belanglose Dinge und Ron erzählte auch ein wenig von sich. Von der Redaktion in New York, seinem Leben dort und weswegen er nach Berlin geschickt worden war. Dass sein Vater der Chef des ganzen Unternehmens war, ließ er jedoch unerwähnt.

      Nach einem Nachtisch, Vera wählte den sogenannten Schwedeneisbecher, der mit Apfelmus zubereitet wurde, hob sie schließlich wieder an zu erzählen: „Kurz nachdem ich meine Tätigkeit im Amtsgericht begonnen hatte, ereignete sich eine merkwürdige Sache.“ Sie nahm einen kleinen Schluck Rotwein, dann fuhr sie fort: „Ich hatte mich gerade ein wenig eingearbeitet, da stieß ich auf einen Vermerk, dass bei bestimmten Vorgängen unbedingt ein Richter Berndeck zu verständigen sei.“

      Ron unterbrach sie: „Lass mich raten: Dieser Richter Berndeck war auch derjenige, der die Verhandlung des Einbrechers Inat geführt hat.“

      Vera nickte: „Genau. Ich bin dann - in meiner Naivität - zu einem Kollegen gegangen und habe ihn gefragt, ob er Näheres zu diesem Vermerk wüsste. Aber der wimmelte mich ab und hielt mich mit dem Hinweis hin, dass er sich erkundigen würde. Keine zehn Tage später wurde ich in die Poststelle versetzt. Fortan mied man mich wie eine Aussätzige. Für mehr als ‚Guten Tag‘ und ‚Guten Weg‘ reichte es bei den Kollegen plötzlich nicht mehr. Natürlich machte mich das nur noch neugieriger und ich versuchte über Richter Josef Berndeck etwas herauszufinden. Aber das gestaltete sich mehr als schwierig, doch letztlich stieß ich auf ziemlich intensive Verbindungen zur Regierungspartei. Allerdings war das auch schon alles. Natürlich blieben meine Nachforschungen nicht unentdeckt und in einem Gespräch unter vier Augen und - wie man betonte - ohne Zeugen, machte man mir unmissverständlich klar, dass meine Neugier meinen Job gefährden würde. Schließlich befände ich mich ja in der Probezeit.“

      Ron nickte, konnte sich aber auf den gesamten Vorgang in Zusammenhang mit dem Einbrecher keinen Reim machen. „Das klingt alles merkwürdig, aber was hat das mit Inat zu tun? Vielleicht war es Zufall, dass ausgerechnet dieser Richter die Verhandlung übernommen hatte. Mir schien auch, dass das Urteil durchaus gerechtfertigt war. Oliver Inat war schließlich kein unbeschriebenes Blatt. Der Mann war mehrfach vorbestraft.“

      „Das kann ich nicht beurteilen“, erwiderte Vera. „Ich wollte damit auch nur sagen, dass dort irgendetwas nicht stimmt. Warum die Versetzung? Warum gibt es keine Informationen über diesen Richter? Und warum werde ich plötzlich gemieden, nachdem ich doch eigentlich völlig harmlose Nachforschungen angestellt hatte? Aber jetzt kennst du wenigstens meine Gründe, warum ich so vorsichtig sein muss. Ich brauche den Job, denn sonst kann ich mein Studium komplett an den Nagel hängen.“

      „Hmm“, Ron ließ seinen Blick über die schlanke Frau gleiten. „Ein wenig zu viele ‚Zufälle‘. Aber was ist mit Inat? Kannst du mir zu der Verhandlung oder zu seinem Ableben etwas sagen?“

      Vera lächelte: „Deswegen sind wir ja schließlich hier, oder? Obwohl mir das Essen mit dir doch schon sehr gut gefallen hat. Und die Aussicht von hier oben ist ja bombastisch!“

      Ron schmunzelte: „Komm, lenke jetzt nicht ab. Was ist mit Inat?“

      Die junge Frau lachte leise: „Aber das Essen habe ich mir schließlich ja auch verdient, denn immerhin opferte ich meine Mittagspause.“

      „Vera, jetzt mach‘ es nicht so spannend“, seufzte Ron gespielt ungeduldig auf.

      „Wie gesagt: Ich habe meine Mittagspause geopfert. Als ich sicher sein konnte, dass dort niemand mehr war, bin ich ins Archiv geschlichen. Eigentlich erhoffte ich mir nicht viel davon, denn die Unterlagen befinden sich hauptsächlich im Computer. Aber genau dort konnte ich ja nicht nachforschen, da ich mich ja mit meinem Namen und Passwort einloggen muss und somit nachvollzogen werden kann, was ich mache. Doch ich hatte unwahrscheinliches Glück, denn der Archivar ging in die Mittagspause ohne sich aus seinem Computerprogramm abzumelden. Um es kurz zu machen: Inat wurde nach der Verhandlung in die JVA Tegel verlegt. Laut dem kurzen Bericht verstarb er dort am Vierten, das war der Sonntag, an einer Hirnblutung.“

      Ron hatte inzwischen seinen Schreibblock hervorgezaubert und machte sich eifrig Notizen. „Hirnblutung? Das hört sich für mich nicht nach einem natürlichen Tod an. Stand denn in dem Bericht noch mehr?“

      Vera schüttelte den Kopf und strich sich anschließend eine Haarsträhne aus dem Gesicht: „Nein, nicht zu Inats Tod. Vielleicht war er ja nicht mehr ganz gesund. Könnte das nicht auch seine verwirrten Äußerungen während der Verhandlung erklären?“

      Ron überlegte: „Ich bin auf dem Gebiet kein Fachmann. Aber das lässt sich bestimmt recherchieren. Vielleicht war er ja wirklich einfach nur krank. Aber wo ist der Mann eigentlich eingebrochen? Ich habe nirgendwo etwas über die Adresse erfahren können. Weder in den Pressemitteilungen, noch sonst wo. Schon das erschien mir sehr merkwürdig, denn ansonsten wird mindestens ein Ortsteil oder eine Gegend genannt. Hast du darüber etwas finden können?“

      „Ja, habe ich.“ Vera nahm ihre Handtasche, die sie an den Stuhl gehängt hatte und kramte darin herum. Dann zog sie triumphierend einen kleinen Schreibblock hervor. „Roonstraße, ziemlich nobles Viertel. Hier die genaue Adresse.“ Sie riss den Zettel vom Block ab und reichte ihn Ron. „Der Hausbesitzer ist ein gewisser Rudolf Bornsing, seines Zeichens Generalstaatsanwalt. Ein schmuckes Häuschen im Stil einer Barockvilla. Bornsing selbst soll zu dem Zeitpunkt des Einbruchs in Urlaub gewesen sein. Inat muss beim Öffnen einer Tür den stillen Alarm ausgelöst und so die Polizei informiert haben. Die kam auch prompt und hat ihn beim Versuch durch ein Badezimmerfenster zu fliehen, gestellt. Die Beute, eine Münzsammlung und Schmuck hatte er angeblich bei sich.“

      „Sonst nichts?“ Ron machte rasch noch einige Notizen, dann sah er auf. „Trug Inat nicht noch irgendetwas mit sich? Eine Tasche zum Beispiel? Er wird die Beute doch irgendwie wegtransportiert haben wollen.“

      Vera schüttelte den Kopf. „Nein, laut dem Bericht nichts. Aber ich hatte nicht viel Zeit und konnte alles nur rasch und flüchtig durchlesen. Solche Details schienen mir aber auch nicht wichtig ...“

      „Und was ist mit dem Generalstaatsanwalt? Der dürfte doch wieder aus seinem Urlaub zurück sein.“

      Erneut schüttelte die junge Frau den Kopf, dann strich sie sich in gewohnter Manier eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Darüber stand nichts in dem Bericht. Der wird wohl wieder ganz normal seiner Tätigkeit nachgehen. Ich habe mich aber erkundigt. Den Generalstaatsanwalt dürftest du in der Elßholzstraße finden. Dort hat er nämlich sein Büro.“ Sie riss einen weiteren Zettel ab und reichte ihn Ron. Dann kritzelte sie etwas auf den Block, riss den Zettel auch ab und hielt ihn ihrem Gegenüber ebenfalls hin. Als Ron danach greifen wollte, zog sie den Arm zurück.

      „Das hier“, sie wedelte mit dem Zettel herum, „ist eine Adresse, die du äußerst sorgfältig behandeln solltest!“

      Ron

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