Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.
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»Ja, das geht aus dem Bericht hervor«, antwortete der Professor, »die soziale und arbeitsmedizinische Beratung, die wir anbieten, betrifft die berufliche und soziale Wiedereingliederung des Patienten. Frau Kollegin, warten wir doch bitte erst einmal die Kur ab. Danach sehen wir weiter.«
»Herr Professor, man hat mir in Bonn ziemlich eindeutig erklärt, dass ich aus ärztlicher Sicht meinen Beruf nicht weiter ausüben sollte. Könnte sich das denn ändern?«, fragte sie.
»Ich kann keine Aussagen machen, solange ich noch keine Untersuchungen durchgeführt habe. Wenn ich es richtig sehe, dann hat man Ihnen keinen Stent gesetzt. Das ist doch so, oder?«, fragte er und griff nach der Akte.
»Nein, es ist keiner gesetzt worden. Man hielt meine Venen für flexibel genug. Das ist doch sicher ein gutes Zeichen?«
Er legte die Akte zurück auf den Tisch.
»Sehen Sie, das ist schon einmal eine erfreuliche Basis. Lassen Sie mich meine Ausführungen eben beenden, dann können wir zu Ihrem medizinischen Check übergehen.
Also, wir haben noch den psychologischen Bereich. Der psychologische Bereich ist gerade bei Postinfarktpatienten besonders wichtig, da depressive Verstimmungen und Störungen der Krankheitsbewältigung häufig auftreten.
Unsere Psychologen unterstützen Ihre Genesung mit Schulungsprogrammen, sie führen Einzelgespräche und leiten Entspannungs- und Stressbewältigungsgruppen«, sagte der Professor.
»Würde für mich auch eine Einzeltherapie in Frage kommen? Ich meine, ich könnte eine zweite Meinung einholen, bezüglich der Arithmomanie.«
Er überlegte eine Weile. »Ja, sicher, warum nicht. Sprechen Sie den Kollegen einfach darauf an. Das spielt ja mit in die Therapie hinein. Haben Sie denn im Moment Probleme?«
Carola überlegte, ob sie etwas sagen sollte. »Die letzten Tage nicht, aktuell heute Morgen schon. Nachdem mich die Diätassistentin mit ihrem Diätplan so beharkt hat. Ich würde Sie bitten, ihr da einen Riegel vorzuschieben.«
Der Professor lächelte nur. »Sie ist eine engagierte, junge Frau. Sehen Sie es ihr nach.« In seine Augen trat wieder dieser gütige Blick. Darauf konnte Carola nichts mehr erwidern.
»Frau Doktor, liebe Frau Kollegin«, sagte er abschließend, »ich darf Sie bitten, dass Sie sich bei der Anmeldung einfinden. Dort wird man Ihnen erklären, welche Untersuchungen heute noch für Sie geplant sind. Ich hoffe, es wird alles positiv für Sie ausgehen. Das hoffe ich sehr.«
Sein Händedruck war fest.
An der Anmeldung hatte sie keinen langen Aufenthalt, man schickte sie direkt zur Messung der Herz-Kreislauf-Werte. Es ging ihr besser, sie spürte keinen Zwang mehr. Das Gespräch mit Professor Wielpütz hatte sie beruhigt. Seine besonnene, angenehme Art tat gut. Ihr Mut war nicht weiter gesunken. Das hatte sie nach dem ersten Gespräch beinahe erwartet.
Jetzt saß sie auf der Liege und wartete. Auch die normalen Untersuchungsräume wurden von Jugendstilelementen geprägt. Die untere Hälfte der Wände erstrahlte in einem Mittelblau. Über einer filigranen Abschlussleiste aus Holz schloss sich eine Borte mit einem verschlungenen floralen Muster an. Darüber war die Wand hell verputzt. Auf Messingschienen hingen kurze, helle Gardinen, ebenso hingen weiße Handtücher sauber aufgehängt auf kleineren Schienen, ebenfalls aus Messing. Alles mutete eher wie in den Wohnräumen an. Nur die medizinischen Geräte brachten Nüchternheit in den Raum.
Zu ihrer großen Verwunderung trat pfeilgerade die Catcherin ins Zimmer. Beide Frauen sahen sich wortlos an.
»Legen Sie sich bitte auf die Liege und machen Sie den Oberkörper frei«, ordnete die Krankenschwester an. Ihre Stimme klang ebenso maskulin, wie es ihr Aussehen vermuten ließ. Dr. Pütz war es unangenehm, dass sie ausgerechnet von dieser Dame berührt wurde.
Trotzdem zog sie die Bluse aus, legte sich artig auf die Liege und öffnete ihren BH.
Die Catcherin desinfizierte, ohne eine Miene zu verziehen, die Stellen, an denen die Elektroden angebracht werden sollten. Direkt darauf trug sie ein elektrisch leitfähiges Gel auf. Dann brachte sie insgesamt sechs Elektroden auf dem Oberkörper an, diese verband sie mit dem EKG-Gerät und die Aufzeichnung der Herzaktivität begann.
Nicht ganz fünf Minuten lag Carola Pütz auf der Liege. Die Catcherin nestelte etwas in einer Ecke. Pütz konnte sie nicht sehen, nur hören. Nach der Untersuchung entfernte sie die Elektroden und rollte den Ausdruck zusammen. Sie nahm ein Handtuch von einer der Messingstangen und reichte es ihr.
Ebenso wortlos, wie sie ins Zimmer gekommen war, verschwand sie wieder.
Pütz hievte sich zurück in eine aufrechte Position. Dabei fiel ihr das Haar ins Gesicht.
Was war das für ein Auftritt?
Sie strich sich die Strähne aus dem Gesicht, schnappte sich den Büstenhalter und zog sich danach ihre Bluse an.
Zurück an der Anmeldung, schickte man sie erneut auf ihr Zimmer. Sie sollte sich in ihren Sportdress werfen, um sich danach im Sportraum einzufinden. Dort sollte ein Belastungs-EKG durchgeführt werden.
Eine halbe Stunde später stand sie vor einem Laufband. Neben ihr stand eine fröhliche junge Frau, dünn wie ein Haken. Mit einer ansteckenden Fröhlichkeit erklärte sie ihr gerade, wie schnell sie laufen sollte, ihr blonder Pferdeschwanz wippte dabei.
»Laufen Sie nur so schnell, dass Sie nicht mit schnaufen anfangen«, sagte sie. Wieder wurden die Elektroden befestigt, nur waren es diesmal nicht so viele wie bei dem EKG zuvor.
Carola nickte. Lang war es her, dass sie das letzte Mal joggen war.
»Ich bin eh nicht in Form«, sagte sie.
»Nur ruhig, Sie haben einen Infarkt hinter sich. Es ist keinem geholfen, wenn Sie hier auf dem Band zusammenklappen, nur weil Sie sich etwas beweisen wollen.«
»Ja, sicher.«
»Wenn etwas sein sollte, ich bin immer in der Nähe. Rufen Sie nach mir, bloß keine falsche Scham«, sagte sie noch und Carola lief los. Die Trainerin widmete sich mit der gleichen Freundlichkeit der nächsten Patientin.
Das Laufband stand vor einem Fenster. Das erlaubte ihr, einen Blick in den angrenzenden Park zu werfen. Zweiflügelig und mit einem großen Oberlicht passte das Fenster hervorragend zum Stil des Raumes. Der Boden war mit Parkett ausgelegt. Rechts und links neben ihr stand jeweils ein Ergometer-Fahrrad, darunter lagen dicke Schaumstoffmatten. Sie sollten Geräusche dämmen, die von den Geräten ausgingen und sicher auch den Fußboden schonen. Der Ausblick in den Garten wurde nicht durch Gardinen behindert.
Das Wetter an diesem Tag war prächtig. Blauer Himmel wurde von stattlichen weißen Kumulus-Wolken abgelöst. Kein Regen.
*
Nachdem sie alle Untersuchungen an diesem Morgen hinter sich gebracht hatte, ließ sie sich erschöpft auf das Bett fallen. Vorhin hatte sie die Ergebnisse von einem netten Arzt übermittelt bekommen. Dr. Torben Frerichs war der Assistent von Prof. Dr. Wielpütz. Er würde den Platz des leitenden Klinikarztes einzunehmen, sobald Dr. Wielpütz in Rente gehen würde.
Der