Carola Pütz - Verlorene Seelen. Michael Wagner J.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Carola Pütz - Verlorene Seelen - Michael Wagner J. страница 11
Er sprach, als würde er sich mit einem Kardiologen unterhalten. Carola nickte, mehr nicht. Dr. Frerichs fühlte sich verstanden und dadurch angestachelt.
»Durch Kurvenveränderungen im Elektro-Kardiogramm lassen sich Erkrankungen wie ein Herzinfarkt erkennen. Dabei werden Herzmuskelzellen zerstört. In diesem Bereich findet keine Erregung mehr statt, was zu typischen Signalen im EKG führt. Darauf müssen wir bei Ihnen das Augenmerk legen.«
Carola nickte erneut, sie hätte jetzt ausholen können und ihm einen Vortrag über Forensik halten. Aber er machte ja nur seinen Job.
»Ja«, sagte sie nur.
»Bei Ihnen ist eine leichte Verzögerung in der Vorhoferregung zu verzeichnen. Daran erkennt man, dass Sie einen Infarkt hatten.«
»Aha, das kann man jetzt noch erkennen?«, fragte sie.
»Ja, ich kann Ihnen das auch anhand der Ausschläge beim EKG demonstrieren«, sagte er und wollte schon ansetzen, ihr die mangelnde Vorhoferregung zu belegen.
»Nein, Herr Doktor, nicht nötig. Ich hätte nur gerne gewusst, ob sich das wieder ausschleicht.«
Der Assistenzarzt stutzte. An seinem Blick konnte man erkennen, dass er solche Fragen nicht gewöhnt war.
»Ausschleicht? Wie meinen Sie das?« Er stützte seinen rechten Arm in seiner linken Hand ab und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen.
»Tut mir leid, wenn ich mich nicht verständlich ausdrücken kann. Was ich meine, wird meine Vorhoferregung irgendwann wieder normal sein, und ich somit gesund?«
Dr. Frerichs traute seinen Ohren nicht. »Sie sind hier, weil Sie einen Herzinfarkt erlitten haben. Danach ist nichts mehr so wie früher. Ob Sie wieder gesund werden? Das kann Ihnen kein Arzt garantieren, Frau Doktor. Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, es hängt ja auch von Ihrer Mitarbeit ab.«
Das hatte Carola ein paar Stunden vorher schon einmal gehört. Sie erkannte, dass sie hier und heute nicht weiterkommen würde. Nachdem sie das Sprechzimmer verlassen hatte, wurde sie von der Frau an der Anmeldung noch zur Blutuntersuchung verdonnert.
»Das ist aber die letzte Quälerei für heute Morgen, Frau Doktor«, sagte sie. Carola ließ sich bereitwillig fünf Kanülen Blut aus dem Arm ziehen.
Für den Nachmittag sei sie für den Sport angemeldet, wurde ihr noch mit auf den Weg gegeben. Um zwei Uhr würde die Therapie beginnen. Sie solle pünktlich sein und ein Handtuch mitbringen.
So etwas nennt man Kur?
Was machen die denn noch alles mit mir, fragte sie sich, als sie in ihrem Zimmer auf dem Bett lag.
Zuhause bei der Arbeit hatte ich weniger Stress.
*
Auf ihrem Weg zum Sport begegnete ihr Frau Schmitt-Wienand. Beide waren in Eile, sie verabredeten sich für den Abend um achtzehn Uhr zum Abendessen.
Carola folgte den Schildern. Sie wiesen ihr den Weg zu den Sporthallen, es gab mehrere. Einige für kleine Gruppen sowie eine Halle für Veranstaltungen, die viel Raum benötigten. Man hatte sie angewiesen, in Halle zwei zu kommen. Als sie dort eintraf, warteten bereits mehrere Teilnehmer auf den Kursleiter. Wie auch in dem Raum mit den Laufbändern und Ergometern, lag auch hier Parkettboden. An einer Wand des quadratischen Raumes spannte sich ein Spiegel vom Boden bis zur Decke. An der Wand gegenüber fand Carola die gleichen Fenster eingebaut wie in dem Sportraum, den sie bereits kannte. In einer Ecke lagen sechs gelbe Gymnastikbälle. Im Spiegelbild verdoppelte sich ihre Anzahl. Mit relativer Ruhe nahm sie das alles zur Kenntnis.
Carola machte sich mit den Anwesenden bekannt. Die nächste halbe Stunde verbrachte sie damit, auf einem der gelben Bälle Übungen zu fabrizieren, die man sich für Herzpatienten wie sie ausgedacht hatte.
Unter der strengen Aufsicht eines Übungsleiters saß sie auf dem Plastikding und hob und senkte ihre Gliedmaßen im Rhythmus, den der Übungsleiter vorgab.
Dabei hatte sie keineswegs Angst um ihre eigene Verfassung, sondern mehr wegen der Gymnastikbälle. Auf denen vollführten zwei ihrer fettleibigen Mitstreiter ihre taumelnden Übungen.
Ohne auch nur einen Tropfen Schweiß vergossen zu haben, beendete sie die halbe Stunde in dem Bewusstsein, dass es einigen Menschen noch viel schlechter ging als ihr.
Der Übungsleiter hatte noch einen Ausdruck für sie, darauf waren die medizinischen Anwendungen für die nächsten drei Tage vermerkt. Sie bedankte sich.
Eine Viertelstunde später stand Carola vor der großen Holztür der Klinik. Es war halb fünf und bereits dämmerig. Bisher hatte sie noch keinen Eindruck von Bad Elster gewinnen können, das wollte sie vor dem Abendessen noch ändern. Als sie losging, empfing sie ein eiskalter Wind.
*
Die Innenstadt von Bad Elster, wenn man von einer Innenstadt sprechen konnte, war schnell durchwandert. Viele prächtige Bauten gab es hier zu bewundern. Dr. Pütz wollte in der kurzen Zeit, die ihr zur Verfügung stand, möglichst viel sehen, deshalb rannte sie beinahe durch die Straßen. Nach einer Weile fror sie auch nicht mehr. Ihre zuerst kalten Hände waren nun warm und schon längst nicht mehr in den Taschen des Mantels vergraben. Wie von einem Magnet angezogen, blieb sie vor einem Plakat stehen. Sie befand sich vor dem alten, hochehrwürdigen König-Albert-Theater. Dort wurde in einem Schaukasten eine Musikveranstaltung angekündigt. Für den zweiten Dezember, den ersten Advent in diesem Jahr, war ein Adventskonzert geplant. Das alleine sorgte noch nicht für die Verzückung bei ihr. Es war der Komponist, und vor allem das Musikstück, das gespielt werden würde, das bei ihr für feuchte Hände sorgte. Antonin Dvorák war der Komponist und es wurde seine 9. Symphonie gespielt, ‚Aus der neuen Welt‘.
Für einen Moment wollte sie sich nicht bewegen. Sie liebte Dvorák, sie liebte seine ‚Slawischen Tänze‘, und sie liebte seine 9. Symphonie. So seltsam war es sicher nicht, dass man hier nahe der tschechischen Grenze einen tschechischen Komponisten spielte. Doch war sie darüber völlig überrascht. Sie beugte sich nach vorne, da sie nicht lesen konnte, welches Orchester musizierte.
Schließlich entzifferte sie es, doch ihr sagte der Name des Orchesters nichts. Es handelte sich um ein Ensemble aus Tschechien. Sie überlegte, wie lange es her war, dass sie das letzte Mal Dvorák gehört hatte.
Noch zusammen mit ihrem Ex-Ehemann, das war sicher schon fünf Jahre her. Ihr Kopf fühlte sich völlig leicht an, so sehr befand sie sich in Vorfreude gefangen. Als sie in der Klinik ankam, fragte sie sofort nach, wo man sich die Karten für das Konzert sichern konnte.
Edith Kramke konnte sie beruhigen, indem sie ihr eine Liste vorlegte. Dort konnte sie sich eintragen, die Karten wurden vorbestellt und konnten an der Abendkasse abgeholt werden. Mit einem beschwingten Gefühl kam sie pünktlich um achtzehn Uhr im Speisesaal an. Ein seliges Lächeln war auf ihrem Gesicht, als sie Frau Schmitt-Wienand mitteilte, was sie soeben erfahren hatte. Zu ihrer Verwunderung konnte Frau Schmitt-Wienand ihre Begeisterung für Dvorák nicht teilen.
»Ich bin ein absoluter Wagner-Fan«, sagte sie, »Bayreuth, das ist für mich der Gipfel