Adler und Leopard Gesamtausgabe. Peter Urban

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Adler und Leopard Gesamtausgabe - Peter Urban

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noch im Gedanken bei Dir sein und alle anderen Heiratskandidaten, die man mir vorstellte vergraulen, indem ich mich in eine graue Maus verwandelte und sie zu Tode langweilte."

      "Warum hat Dein Bruder dann den ersten Brief an mich geschrieben und nicht Du selbst, als nach meiner Rückkehr aus Indien klar war, dass ich vielleicht doch kein hoffnungsloser Nichtsnutz war?"

      " Arthur, ich wusste überhaupt nicht, dass Du aus Indien zurückgekehrt bist. Ich habe die letzten dreizehn Jahre draußen in Coolure und Pakenham Hall gelebt. Außer meiner Mutter, meiner Tante, den Nachbarn und dem Pfarrer habe ich niemanden gesehen. Mein Bruder Robert hat es durch Zufall von Deinem Bruder Mornington erfahren, als dieser Ende letzten Jahres in Dublin war. Ich hatte keine Ahnung…" Wellesley lächelte seine Frau an. Sie hatte sich heute mit großer Sorgfalt gekleidet und schien ihre unmöglichen, formlosen Musseline-Kleider zusammen mit ihrer boshaften, alten Tante, ihrem hinterhältigen Bruder und ihrer tristen Vergangenheit in Dublin zurückgelassen zu haben. Sie trug einen schmalen orangefarbenen Samtrock und eine enge, bestickte Weste in der gleichen Farbe. Ihre Haare hatte sie locker geflochten und ein gleichfarbiges Band hielt den schweren Zopf zusammen. Sein Blick ruhte lange auf ihr und sie überstand seine Musterung mit Anstand und mehr Selbstbewusstsein, als er ihr eigentlich zugetraut hatte. "Ich bin sehr glücklich, dass Du doch noch zurückgekommen bist. Du hast mir schrecklich gefehlt, Arthur! ", sagte sie.

      " Ich hoffe für Dich, dass Du keinen Fremden geheiratet hast, Kitty! Es war eine endlos lange Zeit. Wir haben uns beide sehr verändert. Vielleicht bin ich ja inzwischen ein eingefleischter, alter Junggeselle, mit dem nicht mehr viel anzufangen ist und der jeden Abend über seiner Ausgabe der Times einschläft." Kitty schüttelte energisch den Kopf: "Solche unwichtigen Kleinigkeiten zählen überhaupt nicht, mein Lieber. Ich spüre genau, dass Du in Deinem Inneren immer noch genau Derselbe bist, wie damals im Garten von Onkel Tom. Du hast mir immer so wunderbare Gedichte vorgelesen und für mich so schöne Melodien auf Deiner Geige gespielt...Oh, ich hoffe, dass wir uns nie wieder trennen müssen!"

      "Du bist Dir aber darüber im Klaren, dass Du einen Berufssoldaten geheiratet hast, Kitty." Arthur wusste, dass er nichts mehr mit dem verträumten romantischen, jungen Hauptmann gemein hatte, der unbeschwert im einem Garten, an einem See Gedichte vorlas oder seine Zeit mit Geigespielen verschwendete. Seine Augen hatten zu viel gesehen. Er hatte zu viel erlebt. Grauen, Angst, Tod, Verwüstung, Gewalt, Blut und Schmerzen! Er hatte Männern das Leben genommen, um sein Eigenes zu retten und manchmal auch nur, weil es opportun war, oder leichter, als sie zu verschonen. Um an den Schrecken des Krieges nicht zu zerbrechen, hatte er um sein Innerstes einen hohen Schutzwall errichtet.

      "Aber Du hast doch nur ein Kommando in Hastings“, wiegelte Kitty das Problem ab, „ und Hastings ist wirklich nicht weit weg von London. Ein oder zwei Tage werde ich schon ohne Dich zurechtkommen…auch wenn es sicher schwer sein wird. Dein Krieg ist doch vorbei, jetzt wo dieser verrückte Pitt tot ist und die Russen und Österreicher endlich mit Frankreich Frieden geschlossen haben!" Arthur beschloss Kitty vorerst nicht zu widersprechen und das Thema erst einmal auf sich beruhen zu lassen. Er war sich sicher, dass sie mit der Zeit begreifen würde, dass Soldaten oftmals lange von zuhause fort waren und manche von ihnen nie wieder zurückkehrten. Doch Napoleon Bonaparte und Frankreichs expansive Politik waren kein angebrachtes Gesprächsthema während einer Hochzeitsreise. Darum erzählte er ihr lieber von dem kleinen Haus in London, das er für sie gekauft hatte: " Unser Haus steht mitten in dem Viertel Londons, in dem auch die meisten der französischen Emigranten leben. Es ist dort viel bunter und die Menschen sind lebendiger und herzlicher, als im West End. Wenn Du morgens in den Garten gehst, hast Du das Gefühl mitten in Paris zu stehen“, dank seiner glücklichen Zeit an der Militärakademie von Angers hatte Arthur trotz der etwas schwierigen politischen Situation eine große Schwäche für alles Französische,“ und sämtliche Nachbarn schnattern auf Französisch miteinander. Sogar der Bäcker an der Ecke verkauft französisches Brot und Croissants. Im Garten stehen große, alte Rosenstöcke und ein Kirschbaum. Aber alles ist innen noch leer, damit Du Dich ganz nach Deinem Geschmack einrichten kannst."

      Eine Woche später waren beide in London. Obwohl das kleine Haus außer seinem blühenden Garten und einem vorerst notdürftig eingerichteten Schlafzimmer nicht viel zu bieten hatte, schien Kitty glücklich. Sie hatte Arthurs Vorschlag, ein paar Tage noch bei Freunden oder den Wellesley-Poles zu wohnen geradeheraus abgelehnt. Zu Fuß eilte sie in einen kleinen Laden am Ende der Harley Street um Brot, Obst und Schinken zu kaufen und schickte Arthur los, um eine Flasche Wein zu besorgen. Über die große Dokumententruhe des Generals, hatte sie ein weißes Leintuch gelegt und im Garten Rosen abgeschnitten und zu einem kleinen Strauß gebunden. Irgendwo fand sie sogar ein paar Kerzen. Sie aßen auf dem Boden sitzend zu Abend: " Arthur, ich bin ja so froh, endlich mit Dir alleine zu sein. Paget und Hill sind wirklich nett, aber auch furchtbar anstrengend.", aus Kittys Augen strahlte dem General ein offenes, freies Lächeln entgegen. Im Kerzenschein sah er fast wieder das junge Mädchen vor sich, dem er vor so langer Zeit den Hof gemacht und das ihn verzaubert hatte. Er stand auf und bot ihr seine Hand an. Leicht zog er die federleichte Gestalt vom Boden in seine Arme: "Wir haben noch etwas nachzuholen, mein Kleines!", seine Hände glitten sanft über ihren Rücken. Vorsichtig machte er die Perlmuttknöpfe ihres Kleides auf. Er spürte ihr leichtes Maiglöckchen-Parfüm. Sie schien überhaupt nicht ängstlich.

      Arthurs letzte freie Tage vergingen damit, dass er Kitty seinen restlichen Freunden in London vorstellte und ihr die Stadt zeigte. Alle schienen glücklich, dass er endlich verheiratet war und das junge Paar wurde mit Einladungen überhäuft. Lady Bessborough und die Herzogin von Richmond boten ihm an, Kitty unter ihre Fittiche zu nehmen. Henry Pagets Frau Charlotte zog mit ihr und dem gutmütig leidenden General durch London, um beim Einrichten des Hauses zu helfen. Arthur war zwischenzeitlich davon überzeugt, dass Kitty in dieser lebhaften Gesellschaft schnell wieder ein normales Selbstbewusstsein entwickeln und das irische Trübsal Blasen vergessen würde. Dreizehn Jahre unter dem Einfluss einer altjüngferlichen, bitteren und bigotten Tante hatten ihn stärker beunruhigt, als alle sonstigen Probleme, die möglicherweise durch die langen Jahre der Trennung geschaffen worden waren. Er hatte Kitty aus diesem Grunde auch ausführlich erklärt, welche Ehephilosophie er hatte und sie schien es im Großen und Ganzen zu verstehen. Es lag nicht in seinen Absichten, sie zu bevormunden oder an ihrer Stelle alle Entscheidungen zu treffen. Arthur schätzte selbstständige Frauen, die eigenverantwortlich durchs Leben gingen.

      An seinem letzten, freien Tag nahm er Kitty dann noch mit zu seinem Bankier Mr.Redcliff. Im ehrwürdigen Bankhaus Coutts in der City unterschrieb er eine Vollmacht, damit sie im Falle seiner Abwesenheit über die Konten verfügen konnte. Kitty reagierte entsetzt. Als beide wieder auf der Straße waren, flüsterte sie ihm zu. " Ich habe mich noch nie um solche Dinge kümmern müssen. Ich weiß nicht, ob ich das alleine schaffe."

      "Katherine, Du wirst alles ganz schnell lernen. Du hast ein hübsches Haus, Du hast schon eine Hausangestellte. Tue, was Dir Freude bereitet. Besuche nette Leute, lade Bekannte ein…die finanziellen Schwierigkeiten, die uns den ersten Heiratsversuch verdorben haben, sindjetzt ja behoben. Wir sind zwar nicht reich, aber die zehn Jahre Indien haben sich doch ganz positiv auf unseren Konten ausgewirkt."

      " Du sagst dauernd ‘uns’, Arthur?"

      "Natürlich! Was soll ich sonst sagen. Wir sind miteinander verheiratet. Komm, Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen und bist leichenblass. Außerdem habe ich eine Überraschung für Dich und wir müssen nachher noch ein paar Sachen besorgen." Sie suchten sich ein kleines, französisches Restaurant unweit der Coutts Bank. Kitty war immer dann am Glücklichsten, wenn sie ganz alleine mit ihrem Mann war. Sie war nicht sehr gesellig und fühlte sich in größeren Gesellschaften eher unsicher. Doch sie hatte Besserung gelobt und versprochen, sich wenigstens Mühe zu geben und ihn bei gesellschaftlichen Pflichten zu begleiten. "Du kannst die Geselligkeit gleich üben, Katherine“, erklärte er ihr schmunzelnd beim Kaffee, “ich werde Dich morgen nämlich offiziell Königin Charlotte vorstellen."

      " Oh Arthur, ich kann doch nicht...", antwortete sie erschrocken. Er

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