Der Herr des Krieges Gesamtausgabe. Peter Urban

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Der Herr des Krieges Gesamtausgabe - Peter Urban Warlord

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Anwesenden seinen gesamten Plan für den Sommerfeldzug 1810 offengelegt, so wie er in diesem Augenblick fertiggestellt war. Die meisten reagierten ungläubig. Picton, der zuvor wegen der Passivität und der Reserviertheit seines Oberkommandierenden so wütend gewesen war, war nun wegen der Tollkühnheit des alliierten Planes völlig verwirrt. Aufgeregt lief er in dem großen Raum auf und ab und murmelte, für alle deutlich hörbar vor sich hin: „Total durchgedreht! Von allen guten Geistern verlassen! Übergeschnappt! Das ist doch Selbstmord! Welcher Affe hat dich bloß in Indien gebissen, mein Junge!” Dann bremste er plötzlich scharf vor Arthur ab und schlug ihm kräftig mit seiner großen Pranke auf die Schulter: „Verrückt, aber genial! Warum eigentlich nicht ...” Wellington grinste Picton verschlagen an, dann wurde seine Miene wieder ernst und er zeigte auf die Tür zum Salon: „Können wir jetzt endlich zu Abend essen, meine Herren? Ich hab Hunger ...” Innerlich schickte er gleichzeitig ein verzweifeltes Stoßgebet los: „Und gib, gütiger Himmel, daß dieser Sack voll Flöhe für die nächsten acht oder zehn Wochen den Mund hält, oder mein Anfall von Vertrauensseligkeit wird uns alle den Kopf kosten!”

      Wie Wellington es prophezeit hatte, befaßten die Franzosen sich in diesem Frühjahr 1810 weiterhin mit der systematischen Plünderung der spanischen Provinzen und verschwendeten keinen Gedanken an Portugal oder einen Kriegszug gegen das anglo-alliierte Feldheer.

      Inzwischen war es schon Mitte April: Das Wetter war wunderbar, alle Grenzflüsse auf einen furtbaren Wasserstand abgesunken und sämtliche Straßen und Wege ausreichend trocken, um schwere Feldartillerie und Belagerungsgerät zu bewegen. „Und trotzdem stürmen keine siegessicheren Adler mit lautem Trommelwirbel und gezogenem Schwert auf die Grenze zu, um den schleichenden Leoparden ins Meer zu jagen!”, dachte der General amüsiert an seinem Schreibtisch im Arbeitszimmer des Castelo dos Corvos in Viseu. Langsam schienen sogar London und die politischen Entscheidungsträger in Portugal und Spanien einzusehen, daß er nur ein vorsichtiger General war und kein ängstlicher, oder gar ein verzweifelter. Bereits einen ganzen Monat lang hatte die britische Presse weder die Expedition auf die Iberische Halbinsel verdammt, noch ihn persönlich wüst beschimpft, noch über seine nächste Niederlage gegen die Franzosen spekuliert. Vielleicht hatte der Himmel ja wirklich sein Stoßgebet erhört und zumindest die Generalität, die Lowry Coles, Spencers, Erskines und anderen Defätisten hatten aufgehört, in ihren Briefen nach Hause dauernd zu quaken. Und heute hatte er offiziell über den britischen Gesandten in Lissabon und das Foreign Office erfahren, was er inoffiziell seit einem Wintertag 1809 in Badajoz schon wußte: Zu seinem Gegner war in diesem Jahr Marschall Andre Massena, der Prinz von Esslingen und Herzog von Rivoli bestellt worden. Der bärtige, baskische Partisan Jose Etchegaray, der ihm vor vielen Monaten einen blutverschmierten Brief des französischen Kaisers an seinen Bruder Joseph in die Hand gedrückt hatte, in dem dies bereits angekündigt wurde, war zwischenzeitlich oft zu Gast in Viseu, um Informationen aus dem französisch-spanischen Grenzgebiet bei Vater Robertson abzuliefern. Arthur hatte damals aus taktischen Gründen keine Meldung nach London gemacht. Es hatte ihn arrangiert, daß seine Vorgesetzten in Whitehall und in den Horse Guards vor Angst schrien und zeterten. Napoleon trug noch das seine dazu bei, indem er den Pariser ‚Monitor’ mit Propagandaartikeln füllen ließ, die kräftig unterstrichen, was für einen inkompetenten General Großbritannien doch nach Portugal und Spanien entsandt hatte. Um so unsicherer die Franzosen ihren britischen Gegner glaubten, um so mehr sie ihn selbst unterschätzten, um so leichtsinniger würden sie handeln. Außerdem hütete Arthur seine Informationsquellen eifersüchtig: Die Guerilleros von El Minas aus den Bergen von Navarra hatten sich zu großartigen Spionen entwickelt. Der britische Sergeant Dullmore, den er als militärischen Berater zu ihnen geschickt hatte, verfügte offensichtlich über Verstand und eine gehörige Portion Weitsicht. Er brachte den Partisanen nicht nur bei, wie man vernünftig kämpfte, er erklärte ihnen auch ganz präzise, welche Informationen eines Tages für seinen Oberkommandierenden wichtig werden konnten: Sollte Wellington es je bis zur Pyrenäengrenze schaffen, dann würde er nicht nur die große Grenzfestung San Sebastian belagern müssen, sondern benötigte auch Gewährsleute in der Stadt selbst, die man für Sabotageakte von Innen verwenden konnte. El Minas Truppe und sein Sergeant waren schon heute dabei, Pläne der Stadt, ihrer Befestigungsanlagen und des Umlandes zu besorgen und rekrutierten in San Sebastian selbst, aber auch bereits jenseits der Grenze in Frankreich. Während der General eine gute, maßstabsgetreue Zeichnung der Befestigungsanlagen von San Sebastian betrachtete, die jedem studierten Militäringenieur Ehre gemacht hätte und Dullmores sorgfältige Einschätzung von Mauerstärken, Entfernungen, und Schwachstellen las, nahm er sich vor, daß dieser Mann lange genug Sergeant gewesen war. Er würde Etchegaray bei seinem nächsten Besuch in Viseu ein Offizierspatent mitgeben. Zufrieden goß er sich die vierte Tasse Kaffee dieses Morgens ein und schnippte mit dem Finger ein weiteres Blatt Papier von einem großen Stapel hinunter, vor sich auf den Tisch: Massena, Fortunas Liebling! Seit er im Jahre 1796 spektakulär den entscheidenden Angriff bei Arcole geführt und damit Bonaparte zu einem überragenden Sieg gegen den Österreicher von Alvintzy verholfen hatte, hatte ihn das Kriegsglück nie verlassen. Malborghetto, Zürich, Caldiero, Ebersberg waren seine eigenen, ganz persönlichen Siege gewesen. Im Jahre 1807 wurde er des Kaisers Statthalter in Polen. Anschließend hatte er seinem Herrn erneut wertvolle Dienste gegen Österreich geleistet; Aspern, Esslingen und Wagram. Ein wahrlich beeindruckender Gegner! Belustigt las Arthur im Angesicht dieser glorreichen militärischen Karriere noch einmal Jack Robertsons Memorandum über Andre Massena durch, das man ihm an diesem Morgen auf den Tisch gelegt hatte: Der Prinz von Esslingen war nicht nur ein berüchtigter Plünderer, den seine maßlose Gier nach Gold und Geld schon seit 20 Jahren regelmäßig zu den übelsten Schandtaten antrieb, sondern offensichtlich auch ein hoffnungslos sentimentaler Mann. Er ließ sich doch tatsächlich von seiner jungen Geliebten, einer Mademoiselle Henriette Leberton auf die Halbinsel begleiten und versteckte die Kleine, verkleidet als Husarenoffizier in seinem Hauptquartier. Die Quellen des Benediktiners berichteten, daß Massena sich wenig um sein neues Kommando kümmerte, den größten Teil der täglichen Arbeiten seinen Adjutanten überließ und noch keinen Operationsplan vorgelegt hatte. Bei so viel Zerstreuung und Kurzweil mit Mademoiselle Leberton würden dem Franzosen sicher noch einige Details mehr entgleiten. Außerdem hatte Robertsons Gewährsmann in Massenas Hauptquartier bei Salamanca geglaubt, eine Art Kriegsmüdigkeit bei dem bewährten Gefährten Bonapartes zu entdecken. Und außerdem schien er auch körperlich nicht gerade in Bestform: Er sprach dem Alkohol mehr zu, als ein vernünftiger Mann dies tun sollte, verbrachte seine Tage mit Mademoiselle Leberton im Bett und seine Nächte im Theater, in der Oper und bei anderen gesellschaftlichen Vergnügungen.

      Robertsons Gerüchteküche! Ganz im Stile seines römischen Mutterhauses, des Heiligen Offizium, hatte der schottische Benediktiner Dossiers über jeden hohen und höheren französischen Offizier angelegt, der den Alliierten gegenüberstand oder gegenüberstehen könnte. Zu Anfang hatten diese voyeuristischen Einsichten in die Privatleben seiner Gegner Arthur furchtbar erschreckt. Er hatte seinen Geheimdienstchef empört darüber aufgeklärt, daß ein Offizier und Gentleman sich mit solchen Dingen nicht abgab. Robertson räumte seine Bedenken radikal aus: „Ich bin weder Offizier noch ein Gentleman, sondern ein einfacher Diener der heiligen Mutter Kirche! Und im Augenblick heiligt der Zweck die Mittel, mein Junge!”, war die zynische Antwort des Schotten gewesen. Zwischenzeitlich hatte auch der General akzeptiert, daß es durchaus angebracht sein konnte, sich außerhalb der Dienstzeiten weiterhin wie ein Gentleman zu benehmen. Aber als Oberkommandierender des personalschwachen anglo-alliierten Feldheeres, angesichts einer zehnfachen, französischen Übermacht, konnte er sich dieses Faible vielleicht nicht leisten.

      Massena war also kriegsmüde und gesundheitlich nicht mehr auf dem Zenit! Fein! Genau diese beiden Probleme hatte Arthur für sich selbst gerade überwunden: Seine Truppen hatten sich von Talavera und dem anstrengenden Rückzug quer durch Spanien prächtig erholt. Man hatte ihm aus England sogar die Überreste der Walcheren-Korps als Verstärkung geschickt. Die Männer waren zwar ein wenig schwächlich vom Fieber aus den holländischen Sümpfen, doch für Garnisonsdienst einsetzbar. Damit konnte er seine kampfstarken Einheiten aus Lissabon und aus den Befestigungsanlagen Portugals abziehen und die lokale Miliz mit den etwas kränklichen Walcheren-Soldaten

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