Jeremy. Harald Winter

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Jeremy - Harald Winter

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oder zu wollen. Sie begriff, dass etwas ganz und gar nicht so war wie es sein sollte, abgesehen davon, dass sie in einer verdammten Kiste gefangen war, aber sie konnte sich nicht auf den Gedanken konzentrieren. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie kraftlos gegen das Holz über ihr trommelte, oder mit ihren Fingernägeln darüber kratzte, als könnte sie sich auf diese Weise befreien. In diesen Momenten übernahm ihr Verstand die Kontrolle und zwang sie aufzuhören sich selbst zu verletzen. Allerdings behielt die Vernunft nie besonders lange die Oberhand und sie verwandelte sich immer wieder rasend schnell zurück in ein verängstigtes Tier. Dass die Phasen in denen sie klar denken konnte immer kürzer wurden machte ihr Schicksal wenigstens etwas leichter zu ertragen. Trugbilder ersetzten die Wirklichkeit und brachten sie fort aus der Dunkelheit. Ohne den stärker werdenden Durst der in ihrer Kehle brannte wäre sie vielleicht nicht mehr aus der Welt in ihrer Phantasie zurückgekehrt. So aber begannen ihre Gedanken mehr und mehr um das zu kreisen, nach dem sie ein immer stärkeres Verlangen verspürte. Am Anfang war es einfach nur Durst, aber nach einiger Zeit fühlte sie sich, als wäre sie tagelang ohne Wasser durch die heißeste Wüste des Planeten geirrt. Durst; übermächtiger, verzehrender Durst. Aber da war noch etwas. Irgendetwas an dem Verlangen war anders als alles, was sie jemals zuvor empfunden hatte. Da war etwas wildes, ungezähmtes, das ihr fremd war. Dieses Etwas verstärkte den Drang sich aus ihrem engen Gefängnis zu befreien. Sie stemmte die Hände gegen die hölzerne Decke über ihr und schrie ihre Wut hinaus, als sie erneut nichts ausrichten konnte. Noch einmal spannte sie ihre Muskeln und warf all ihre Kraft in die Waagschale. Es knackte vernehmlich und gleich darauf rieselte ein Wenig... Erde?... auf sie herab. Etwas von dem Zeug blieb an ihren Lippen kleben und sie konnte gar nicht anders, als es zu schmecken. Es war tatsächlich Erde. Man hat dich lebendig begraben. Der Gedanke war ganz plötzlich da gewesen. Natürlich. Nur ein Idiot hätte die Fakten einfach ignorieren können. Dunkelheit, ein enges, hölzernes Gefängnis, Erde die auf einen herabrieselte, wenn man den Deckel beschädigte. Das hier war ein verdammter Sarg, der tief unter der Erde steckte. Man hatte sie für tot gehalten und... Sie hatten sie beerdigt! Weißt du das mit Sicherheit? Es war ein kläglicher Versuch die Wahrheit zu leugnen. Es gab keine andere Möglichkeit als die, dass sie unter der Erde lag; zumindest fiel ihr keine ein. Sie war auch nicht die erste der das passierte. Sie hatte in irgendeiner Zeitschrift gelesen, dass hin und wieder Menschen für tot erklärt wurden, die es ganz und gar nicht waren. Vielleicht war sie nach ihrem Unfall beinahe klinisch tot gewesen; die Lebenszeichen so schwach, dass man sie bei den üblichen Untersuchungen nicht feststellen konnte. Aber wie lange konnte jemand in diesem Schwebezustand zwischen Leben und Tod verharren. Wenn man sie beerdigt hatte, musste sie seit mindestens zwei oder drei Tagen für tot gehalten worden sein. War es möglich, dass sie so lange in einer Art Koma gelegen war? Sie wusste es nicht und sie hatte auch keine Ahnung, wie die Schuldmedizin dazu stand. Sie lag hier und war ganz offensichtlich nicht tot, also musste es möglich sein. Jeremy! Zum ersten Mal seitdem sie aufgewacht war dachte sie an ihn. Die Frage wie er es aufgenommen hatte, dass seine Frau tot war nistete sich in einem dunklen Winkel ihres Verstandes ein und streckte immer wieder die Fühler aus. Er wusste nicht, dass sie in Wahrheit noch lebte und wenn sie hier nicht herauskam würde er es auch niemals erfahren. Noch einmal versuchte sie mit aller Kraft den Deckel vor ihren Augen aufzustemmen. Dass sie erneut kläglich scheiterte machte sie beinahe rasend. Sie wollte nicht einsam in einem verdammten Sarg unter der Erde sterben. Es war absurd und auch überaus makaber, eine Mischung die sie in einer anderen Situation sicher erheitert hätte, aber sie konnte nicht lachen. Was sich wie ein Witz anhörte, war ihre Realität, und die war keineswegs lustig. Wer wusste schon, wann hier wieder jemand vorbeikommen würde, der sie schreien hören mochte? Und wie sollte sie feststellen, ob gerade jemand da war und ob er oder sie ihre Schreie durch die Decke aus Erde, die man über sie gebreitet hatte überhaupt hören konnte? Was wenn... war da eben ein Geräusch? Sie streckte sich, soweit es ihr Gefängnis zuließ und versuchte die bleierne Schwere zu vertreiben, die sich ihrer immer stärker bemächtigte. Es fiel ihr immer schwerer sich zu bewegen; und ihr war schrecklich heiß. Sie fühlte sich als hätte sie plötzlich Fieber bekommen. Ihre Augen begannen zu brennen, ihre Zunge fühlte sich an wie Sandpapier und hinter ihrer Stirn begann es zu pochen. Sie stöhnte gequält währen ihre Hände kraftlos über die Wände ihres Gefängnisses strichen. Dann war es vorbei; so schnell wie es gekommen war. Die Hitze, die Schmerzen, alles war verschwunden als wäre es nie da gewesen. Nur ihr Mund fühlte sich immer noch trocken an. Sie lag still da und hörte erneut das Geräusch, das sie schon vorhin für einen Moment wahrgenommen hatte. Ein Schaben und rasseln; als würde jemand... graben. Sie riss die Augen auf und begann gegen den Deckel aus steinhartem Holz, der sie gefangen hielt zu trommeln. Und sie schrie. Irgendetwas, sinnlose Geräusche, die sich nicht zu Worten zusammenballten. Ihr verstand schrumpfte zu einem winzigen, kaum wahrnehmbaren etwas zusammen, das sich in einer Ecke ihres Verstandes zusammenkauerte und zusah, wie das Tier die Herrschaft übernahm. Das Tier das vor dem Blackout, aus dem sie in diesem Loch aufgewacht war, nicht da gewesen war. Vielleicht war es auch nur nie aus seinem Versteck hervor gekrochen, weil es keinen Grund dazu gegeben hatte. Ihr Leben war perfekt gewesen; bis zu dieser Nacht, in der sie zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Das hatte alles verändert. Da war dieser übermächtige Durst, ein wildes Tier das in ihrem Kopf lebte und die Tatsache, dass alle die sie geliebt hatte sie für tot hielten. Das Schaben und Kratzen über ihr wurde lauter und lenkte sie von den wenigen Gedanken zu denen sie noch fähig war ab. Ihre Hände trommelten ohne ihr Zutun wie zwei eigenständige Lebewesen weiter gegen das Holz über ihr. Nur ihre Schreie waren verstummt. Ihre Stimme verweigerte den Dienst. Klonk. Etwas prallte mit einem metallischen Geräusch gegen ihr Gefängnis und schabte darüber hinweg. Wer immer es auch war, der das Grab aushob hatte es fast geschafft. Warum sollte jemand deine Leiche ausgraben? Die Frage blieb unbeantwortet. Der Sarg wurde immer öfter von Schlägen und Stößen erschüttert, bis es schließlich ansatzlos still wurde. Dann, nach einer scheinbaren Ewigkeit prasselte Erde auf den Deckel und gleich darauf prallte etwas wuchtig dagegen. Es knirschte und das Holz bekam Risse. Es überraschte sie, dass sie das in völliger Finsternis erkennen konnte. Die Erkenntnis dass sie seit einiger Zeit soviel von ihrem Gefängnis sah als würde helles Mondlicht durch irgendwelche Ritzen herein dringen verwirrte sie für einen Augenblick. Es war absolut dunkel, das konnte sie, so absurd es auch klang deutlich sehen. Wie sieht man Finsternis? Wieder krachte etwas gegen den Deckel über ihr und dieses Mal wurden die Risse, die das Holz durchzogen tief genug, dass tatsächlich das Licht des Mondes durchschimmerte. Für einen Moment brannte die schwache Helligkeit in ihren Augen wie Feuer. Sie blinzelte verwirrt. Was ist mit dir los? Vorsichtig hob sie erneut die Lider, doch diesmal blieb das Brennen aus. Das Licht das durch die Spalten drang war kraftlos und bleich; kaum stark genug um gegen die Dunkelheit im Inneren des Sarges anzukommen. Plötzlich wurde es von einem Schatten verdunkelt. Oh verdammt! Instinktiv presste sie den Hinterkopf in den gepolsterten Stoff auf dem sie lag. Weiter zurückweichen konnte sie nicht; so sehr sie es auch wollte. Krachend und knirschend barst das Holz über ihr und überschüttete sie mit einem Hagel aus Splittern und Spänen. Sie kniff die Augen zusammen um sich vor dem Gröbsten zu schützen und starrte durch den schmalen Spalt zwischen den Lidern nach oben. Sie wolle sehen, wer sie aus ihrem Gefängnis befreit hatte. Über ihr stand breibeinig eine Gestalt, die sie nicht genau erkennen konnte, aber sie wusste sofort, dass es nicht Jeremy war. Sie war eine Ewigkeit mit ihm zusammen gewesen und kannte alles an ihm besser als er selbst. Der Schemen war größer und irgendwie... kräftiger... männlicher als Jeremy. Zu ihrem Entsetzen wühlte der Gedanke sie auf und ließ Bilder in ihrem Kopf entstehen. Du bist keine solche Frau! Aber vielleicht war sie es doch? Der mahnende Gedanke fühlte sich schal an; er hatte keine Substanz. Jeremy. Jeremy. Ganz egal, wie oft sie sich den Namen vorsagte spürte sie dennoch eine Anziehung, die von dem Schemen über ihr ausging; von einem Mann, den sie nicht einmal sehen konnte. Du kannst wohl kaum noch tiefer sinken; vernarrt in einen Kerl, der dich aus einem Grab zerrt und den du noch nicht mal richtig erkennen kannst. Immerhin; er hatte ihr das Leben gerettet. Das war nichts was jeden Tag geschah. Das Stockholm-Syndrom. Das ist so etwas wie das Stockholm-Syndrom. Die Erklärung klang gut, aber sie glaubte sie selbst nicht. In Wahrheit unterschied sie offenbar nichts von den anderen Frauen, über die sie nie ein gutes Wort verloren hatte; Frauen die ihre Männer wegen eines schönen Körpers oder Geld betrogen. Und jetzt? Jetzt verfiel sie einem gesichtslosen Schatten, der sie aus einem Sarg holte. Wäre die Situation

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