Die Engel der Madame Chantal. Kurt Pachl

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Die Engel der Madame Chantal - Kurt Pachl

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Doch er schwieg. Hastig hatte er sich die Tränen von den Wangen gewischt. Aber er blickte sie nicht an.

      Endlich hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen. Harald versuchte, krampfhaft zu lächeln. Es war ein angestrengtes Lächeln.

      Auf einer Anhöhe mit einem weiten Blick über das bunte Meer aus Bäumen parkte Chantal das große Geländefahrzeug. Harald war in sich zusammengesunken.

      Mit müden Schritten, und mit Chantals Hilfe, schleppte er sich zu einer kleinen Bank.

      »Gott. Oh Gott. Ist das schön«, seufzte er und lächelte.

      Chantal nahm seinen Kopf in ihre beiden Hände. Sie blickte in glänzende und leicht verweinte Augen. Doch jetzt sah sie es. Warum sah sie das erst heute?! Das Weiß der Augäpfel hatte sich in ein Gelb, ja fast in ein helles Braun verwandelt. Was war das?

      Sie klammerte sich an diesen Mann, den sie seit fünfzehn Jahren kannte; mit ihm das Bett teilte; den sie inzwischen liebte. Ja. Heute, hier und jetzt, wusste sie, dass sie ihn liebte; wie keinen Mann auf dieser verdammten Erde. Niemals hätte sie es für möglich gehalten, ein solches Gefühl für einen Menschen entwickeln zu können. Doch jetzt hatte sie Angst!

      »Mein Schatz. Liebling. Bitte! Sag‘ mir, was mit dir nicht stimmt. Bist du krank?«, krächzte sie heißer.

      »Oh mein Gott. Schau dir das an«, sagte Harald fast euphorisch. »Was haben wir zusammen gesehen und erlebt; in Kanada, in der Toskana, in Skandinavien, in Tschechien, im Balkan und was weiß ich noch wo. Es war ein herrliches und wunderwunderschönes Leben mit dir. Ich möchte keinen einzigen Tag missen« Er lachte kurz auf. »Vor allem an diesen verrückten ersten Abend in Würzburg muss ich oft denken. Du bist eine wunderschöne Frau. Du bist eine warme Frau. Das habe ich dir am ersten Abend unseres Kennenlernens gesagt. Glaub‘ mir. Ich bin dir nicht böse, dass du …«

      Er stockte kurz.

      »Wichtig für mich war und ist, dass du auch mich glücklich gemacht hast; unendlich glücklich. Nicht auszudenken, wie das Leben ohne dich verlaufen wäre. Dafür liebe ich dich. Unendlich. Dafür danke ich dir.«

      Chantal riss sich los. Sie trommelte wie wild auf Haralds Brustkorb. Sie schluchzte und schrie:

      »Ja. Ja. Ja. Aber das beantwortet nicht meine Frage. Sag‘ mir endlich was los ist!«

      »Komm‘«, sagte Harald lächelnd und zog Chantal wieder an seine Brust.

      Nachdem er einige Male tief geatmet hatte, sagte er:

      »Ich weiß es noch nicht so lange. Diese Krankheit ist extrem tückisch.«

      »Was heißt tückisch?«, schluchzte Chantal.

      »Du hast es nicht verdient, dass ich dich anlüge. Mit tückisch meine ich tödlich. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Ich habe inzwischen alles checken lassen. Ich habe ein CT und ein MRT machen lassen. Das Pankreaskarzinom ist extrem groß. Metastasen haben sich in der Lunge, der Leber und inzwischen auch in den Knochen gebildet. Die Ärzte raten von einer OP ab. Vor zwei Wochen habe ich mit der Chemotherapie begonnen.« Er machte eine Pause, um mit einem Seufzer fortzufahren:

      »Diesen Urlaub wollte ich noch mit dir verbringen. Diese herrlichen Bilder will ich mit hinübernehmen; zusammen mit deinen Augen und deinem Lächeln. Mach‘ es mir bitte nicht schwerer als es ist. Bitte!«

      Noch während des Kurzurlaubes sagte Chantal alle Termine ab. Alle. Ausnahmslos.

      Gemeinsam versuchten sie, diesen Schicksalsschlag zu verdrängen; Haralds letzten Urlaub so unbeschwert wie nur irgend möglich zu gestalten. Sie machten Ausflüge, fuhren mit einem Boot hinaus auf den See, in dem sich die bunten Farben widerspiegelten. An den Abenden saßen sie vor dem Kamin und leerten sogar einige Flaschen Wein.

      Sie lagen lange im Bett und streichelten sich gegenseitig. In der Nacht vor dem Rückflug flüsterte Harald:

      »Lass‘ es uns versuchen. Ich möchte noch einmal deinen herrlichen Körper spüren.«

      Es wurde eine zarte und wunderbare Stunde.

      Chantal lag später noch sehr lange wach. Das Laken sog ihre Tränen gierig auf.

      Über alle weiteren Schritte wollte sich Harald mit ihr zuhause unterhalten. Chantal nahm sich vor, immer an seiner Seite zu stehen – bis zum Schluss; koste es was es wolle. Fest stand bereits jetzt schon, dass sie Harald in die Firma begleiten musste. Diese Krankheit konnte blitzartig härtere Geschütze auffahren.

      Professor Dr. Rolf Kubischek legte seine Hand auf die der Weinenden.

      »Wir werden alles unternehmen, dass Herr Lambers zumindest keine Schmerzen hat. Er bekommt Gemcitabin und zusätzlich vielleicht Erlotinib. Selbstverständlich komme ich unverzüglich zu ihnen nach Hause.

      Haralds Gesundheitszustand verschlechterte sich von Woche zu Woche. Parallel zu den Medikamenten hatte Chantal Marihuana und später sogar Opium besorgt.

      Dank dieser „Hilfsmittel“, wie es Harald ausdrückte, war er schmerzfrei. Sie unterhielten sich vor dem Kamin und hörten Musik. Oder Chantal legte sich zu ihm in Bett, um zu kuscheln und den lächelnden Kranken zu streicheln.

      Professor Rolf Kubischek war ein Pragmatiker, der die angebotenen 20 000 Euro nicht verschmähte.

      An zwei Tagen in der Woche besuchte er Harald und Chantal in der Villa. Weitere Untersuchungen in der Klinik waren nicht mehr angebracht.

      Am späten Nachmittag des 2. April, es war ein Montag, winkte Harald Chantal mit müden Handbewegungen heran.

      Er saß auf der Couch im riesigen Salon. Seit einigen Tagen wollte er nur noch die Nacht im Bett zubringen. Sie hatten zusammen Kaffee getrunken. Essen war für Harald schwierig geworden. Er musste sich fast stündlich erbrechen.

      Trotzdem lächelte er. Seine blauen Augen waren glanzlos und trübe geworden. Das runzelige Gesicht hatte eine braune Färbung angenommen.

      »Komm zu mir mein Engel«, flüsterte er.

      Chantal lehnte sich an seine Brust. Das liebte er. Sanft streichelte er über ihre schwarzen Haare.

      »Unser schöner Weg geht zu Ende«, flüsterte er. »Ich muss mit dir sprechen, so lange das noch geht. Zunächst möchte ich mich bedanken für deine Liebe und deine Kraft, die

      du in den letzten Monaten für mich aufgebracht hast.«

      »Was redest du da. Das hättest du doch …«

      »Bitte unterbreche mich nicht«, sagte Harald etwas lauter. Seine Stimme wurde heiser und stockender.

      »Ich möchte nicht mehr leiden. Ich möchte auch nicht, dass du weiter mit mir leiden musst. Ich möchte sterben, so lange ich dich anschauen und erkennen kann. Dieses Bild will ich mit hinübernehmen. Das ist mein allergrößter Wunsch. Verspreche mir, dass du das akzeptierst und dass du nicht traurig bist. Das Schicksal hat es gut mit mir gemeint. Das ist unsere letzte Stunde. Bitte lege eine CD auf. Heute ist mir nach der Moldau zumute. Sie wird mich wiegen und hinwegtragen.«

      Mit Tränen in den Augen erhob sich Chantal. Eine Stimme in ihr sagte, dass sie tapfer sein musste; dass Harald jetzt keine Szene wünschte. Ihr Instinkt riet ihr, keine Fragen zu

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