Die Seelenlicht Chroniken. Katrin Gindele

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Die Seelenlicht Chroniken - Katrin Gindele

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      Inzwischen hatte Mickal unsere Teller befüllt. Wir aßen schweigend, denn noch immer war ich mit den Gedanken bei Mom. Ihr Zustand machte mir schwer zu schaffen, viel mehr, als ich wahrhaben wollte.

      Nach dem Essen ließ ich Wasser ins Becken und begann damit, das Geschirr von heute Morgen abzuspülen. »Manchmal hab ich das Gefühl, sie will einfach nicht mehr«, sprach ich meinen letzten Gedanken laut aus.

      Mickal griff wie beiläufig nach dem Geschirrtuch, nahm einen Teller und trocknete ihn ab. »Dir geht es scheinbar auch nicht besonders gut«, stellte er fest. Seine Augen hefteten sich auf meinen eigenen Teller, der neben mir auf der Anrichte stand.

      Zögernd folgte ich seinem Blick. »Manchmal bin ich abends so müde, dass ich nichts mehr essen will«, gestand ich schulterzuckend, da ich das Gefühl hatte, mich rechtfertigen zu müssen. »Dafür könnte ich am nächsten Morgen eine ganze Wagenladung verputzen.« Ich musste lächeln bei dem Gedanken.

      Als ich den Kopf hob, begegneten sich unsere Blicke, und ich hätte schwören können, dass er ebenfalls lächelte.

      Mickal war riesig und breitschultrig. Unter seinem eng anliegenden Shirt wölbten sich kräftige Oberarmmuskeln. Sein kantiges Kinn und die vollen Lippen harmonierten perfekt miteinander. Und erst diese Augen …

      Ich wusste nicht, wie lange ich mit dem nassen Teller in der Hand dagestanden und ihn angestarrt hatte, als wäre er von einem anderen Planeten. Irgendwann wurde mir bewusst, dass er grinste. Meine Wangen wurden heiß vor Scham.

      »Gefällt dir, was du siehst?«

      Seine Frage traf mich absolut unvorbereitet. Auf der Stelle wurde ich feuerrot im Gesicht. »Ganz und gar nicht«, stotterte ich und reichte ihm den letzten Teller, ohne ihn noch einmal anzusehen.

      Normalerweise war ich weder schüchtern noch auf den Mund gefallen. Bis jetzt hatte ich immer einen lockeren Spruch auf den Lippen gehabt, sobald mich ein Typ angebaggert hatte. Bei den wöchentlichen Cocktailabenden mit Patrizia und meinen Freunden war so etwas schon mehr als nur einmal vorgekommen. Italienische Männer verstanden sich sehr gut darauf, eine Frau charmant und mit allerlei Komplimenten um den Finger zu wickeln.

      Bis heute war es mir dank meiner Schlagfertigkeit immer gelungen, die Männer auf Abstand zu halten, weil ich dafür momentan einfach keine Nerven hatte. Doch dieser Typ schaffte es mit einer einzigen Bemerkung, dass ich mich vor Scham am liebsten unter den alten Holzdielen verkriechen wollte.

      »Möchtest du auch ein Glas Wein?«, fragte ich, um das bedrückende Schweigen zwischen uns zu brechen. Ohne seine Antwort abzuwarten, nahm ich zwei Gläser vom Regal, öffnete den Küchenschrank und klemmte mir die angebrochene Flasche unter den Arm.

      Sobald Mom schlief und die Hausarbeit erledigt war, setzte ich mich vor dem Schlafengehen gern mit einem Glas Wein auf die kleine Terrasse neben der Wohnküche, um den Tag ausklingen zu lassen. Unsere Terrasse war nicht sehr groß, es reichte gerade einmal für einen kleinen Tisch, zwei Stühle und eine Pflanzschale voller Lavendel. Dennoch liebte ich meine stille Oase über alles und freute mich jeden Abend darauf.

      Mit der rechten Hand schob ich den Riegel hoch, drückte die Glastür auf und trat ins Freie. Sofort strömte mir der herrliche Lavendelgeruch in die Nase. Ich seufzte wohlig, stellte beide Gläser samt Flasche auf den Tisch, zündete mit der Packung Streichhölzer, die immer griffbereit lag, das Windlicht an und ließ mich anschließend auf einen der beiden Stühle sinken.

      Mickal war mir nach draußen gefolgt, wie ich erfreut feststellte. Ich füllte die Gläser, während er auf dem anderen Stuhl Platz nahm.

      »Es ist sehr schön hier«, sagte er und schaute sich um. »Klein, aber fein.«

      Lächelnd nickte ich. »Manchmal, wenn der Wind günstig steht, ist die Luft erfüllt vom Geruch des Meeres. Man kann fast das Salz auf der Zunge schmecken.«

      »Du wohnst hier oben auf dem Hügel, ganz allein mit deiner Mutter, umgeben von Wald und Wiesen«, stellte er fest und runzelte die Stirn. »Hast du keine Angst vor Überfällen?«

      Ich zögerte, ob ich ihm die Wahrheit sagen sollte, doch nachdem ich ihm vorhin meine halbe Lebensgeschichte an den Kopf geworfen hatte, machte das wohl auch nichts mehr aus. »Das war das einzige halbwegs erschwingliche Haus in der Gegend«, setzte ich an. »Mom war es leid, noch weiterzusuchen. Sie meinte, wir machen es uns schon gemütlich.«

      Was sie auch tatsächlich geschafft hatte, trotz der offensichtlichen Mängel. Das Haus war von ihr mit sehr viel Liebe eingerichtet worden, und wenn man mal von dem langen Weg absah, den man zu Fuß bewältigen musste, falls man wie ich kein Auto besaß, dann war es hier oben gar nicht so übel.

      »Dann trinken wir auf bessere Tage«, schlug Mickal mit einem Lächeln vor und hob sein Glas.

      Ich tat es ihm gleich, lächelte zurück und prostete ihm zu. Nach dem ersten Schluck gähnte ich, meine Augen wurden immer schwerer.

      »Das Sofa ist wahrscheinlich viel zu klein für dich«, bemerkte ich nebenbei. »Tut mir leid, dass ich dir nichts Besseres anbieten kann als abgestandenen Wein und einen unbequemen Schlafplatz.«

      »Aber das Essen war ausgezeichnet«, gab er zu Protokoll. »Und wenn ich vielleicht kurz duschen könnte, wäre ich vollauf zufrieden mit meiner derzeitigen Situation.«

      Gegen eine Dusche war nichts einzuwenden, wie ich fand, denn schließlich bezahlte er ein kleines Vermögen für eine Unterkunft, die seinen Ansprüchen wahrscheinlich nicht einmal ansatzweise gerecht wurde.

      »Bevor ich ins Bett gehe, lege ich frische Handtücher ins Badezimmer«, bot ich an.

      Er nickte dankbar.

      »Aber vorher«, setzte ich nach und erhob mich langsam, »muss ich mein Kostüm waschen, sonst habe ich morgen nichts zum Anziehen.« Glücklicherweise standen für den nächsten Tag nur zwei Hausbesichtigungen an.

      »Danke«, sagte er, als ich schon auf dem Weg zurück ins Haus war. »Für deine Hilfe und dafür, dass ich hierbleiben darf.«

      Ruckartig blieb ich stehen und drehte mich um. »Kein Problem«, winkte ich ab. »Du brauchst einen Platz zum Schlafen, ich brauche dringend Geld. Damit ist uns beiden geholfen.«

      Mickal leerte sein Glas in einem Zug, stellte es auf den Tisch und meinte: »Ich würde gerne noch etwas sitzen bleiben, wenn das für dich in Ordnung ist.«

      Mir fiel kein Grund ein, warum ich etwas dagegen haben sollte. »Mach nur«, stimmte ich zu. Dann wünschte ich ihm eine gute Nacht, stellte mein Glas in die Spüle und machte mich auf den Weg nach oben, um mein Kostüm und die versprochenen Handtücher zu holen.

      Später, als ich schon im Bett lag, hörte ich das Wasser rauschen, während Mickal unter der Dusche stand. Kurz vor dem Einschlafen überlegte ich noch, wie es wohl aussehen mochte, wenn dieser riesige Kerl auf unserem viel zu kleinen Sofa lag. Meine Vorstellungskraft reichte dafür jedoch nicht aus und kurz darauf fielen mir schon die Augen zu.

      Kapitel 3

      Ich erwachte aus einem ungewöhnlich tiefen Schlaf und fühlte mich allen Verspannungen zum Trotz wie neugeboren. Leichtfüßig sprang ich aus dem Bett und zog mir etwas über.

      Mom schlummerte noch, als ich leise die Tür öffnete, um nach ihr zu sehen. Also machte ich mich auf den Weg nach unten, um das Frühstück

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