Rabenflüstern. Philipp Schmidt

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Rabenflüstern - Philipp Schmidt

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da sich der König, seiner militärischen Schwäche bewusst, in den Rangeleien unter seinen Fürsten stets neutral gab. Just als Kraeh dies dachte, machte Gunther eine Gebärde, die seine vorangegangenen Worte zurücknahm und die endgültige Entscheidung seinen Fürsten überließ. Auf dem Gesicht von Maet zeigte sich Feindseligkeit, in den Zügen Brans Verachtung. »So sei es«, sagte er. »Berbast und Kraeh werden noch diesen Mond Rhodums älteste Festung einnehmen.«

      »Gemeinsam mit meinem Heerführer und hundert Männern von Mont«, pflichtete Maet bei. Er fürchtete wohl um das Ansehen, das ihm bei einem siegreichen Alleingang Brisaks verloren ginge.

      »Entschieden«, schloss der König die Zusammenkunft. »Seid euch jedoch im Klaren darüber, dass ihr nicht mit meinem öffentlichen Zuspruch handelt.« Gemeinsam mit den sechs Mann seiner Wache verließ er Haltung wahrend die Halle durch eine Hintertür.

      »Alter, sturer Esel«, brummte Bran.

      Maet kratzte sich an der Stirn. »Und zu allem Unglück hat sein Weib schon wieder geworfen.«

      Irinis war die dritte Frau des Königs. Sie war jung, eitel und schön, allerdings etwas einfältig, von niederster Geburt und harmlos ausgedrückt, verschwenderisch mit ihren Reizen. Vor dreißig Jahren hätte der alte Bulle ihren Hunger womöglich stillen können, aber heute, da er kaum sein Schwert aus Stahl halten konnte … Kraeh lachte.

      »Du findest das lustig«, giftete der Fürst von Mont ihn an. »Sein ganzer Hof spricht von ihrem neuen Liebhaber, einem rohen Stallburschen, der nicht bis drei zählen kann. Aber solange der alte Narr die Brut als legitim anerkennt …«

      »Genug!«, brachte Bran ihn zum Schweigen. »Wir sind alle Brüder und Gunther ist unser König.«

      Maet widersprach nicht. Auch wenn er den gleichen Titel wie Bran trug, war er sich seiner Abhängigkeit von dem stärkeren Nachbarn allzu bewusst. Seine eigenen Grenzen waren seit Jahren Angriffen von den im Norden und Osten lebenden wilden Stämmen ausgesetzt. Fast jedes Jahr musste Brisak Truppen schicken, um sie zu halten.

      »Lass mich die Burg alleine einnehmen«, forderte Berbast, »ich brauche keine Hilfe von einem Fischerjungen.« Aber Bran schüttelte den Kopf und damit war das Thema für ihn erledigt.

      Kraeh sprang auf, dass sein Stuhl zu Boden fiel. Instinktiv griff er über die Schulter. Als er jedoch in die Augen Brans sah, seines Gönners und vielleicht sogar Freundes, hielt er inne. Der General war ebenfalls aufgestanden, die Hand am Griff seines mächtigen Krummschwerts. Kraeh winkte ab, hob seinen Stuhl auf und ließ den Mann, der ihn um einen Kopf überragte, allein stehen, während er sich seufzend wieder setzte. Berbasts Brustpanzer glitzerte im Schein des von Fackeln erleuchteten Raumes.

      »Mit deinem legendären Listenreichtum verlören wir zu viele gute Männer«, sagte Kraeh mit schneidender Ironie, ohne seinen daraufhin vor Wut schäumenden Vorgesetzten eines Blickes zu würdigen.

      »Ihr beginnt sofort mit der Planung«, sprach Bran betont gelassen. »Sollte einer von euch alleine zurückkehren, werde ich ihn seiner Stellung entheben. Passt gut auf euch auf.« Er lächelte.

      Kraeh hätte ihn gerne unter vier Augen gesprochen, um ihn nach der Rolle des Vermummten zu fragen, doch wollte er Sedain nicht länger allein vor dem Tor stehen lassen. Im Gehen wandte er sich an Berbast: »Bei Sonnenuntergang an der Ostmauer. Diesmal nur, um unser Vorgehen zu planen.«

      Berbast nickte mürrisch.

      Draußen wartete sein Freund mit gereizter Miene. »Na, wie war eure geheime Besprechung?«, fragte er, das Wort geheim strapazierend.

      Kraeh ging nicht auf den Vorwurf ein. »Nichts, was wir nicht schon geahnt hätten. Politiker eben«, sagte er schlicht.

      »Ja, Rattenpack!«, zischte Sedain und sah sich um, ob sie beobachtet wurden. Als er sich sicher war, dass dem nicht so war, drang er weiter auf Kraeh ein.

      »Und unser kleines Geschäft?«

      »Sie wissen davon.«

      »Was?!«, entfuhr es dem Halbelfen.

      »Mach dir keine Sorgen. Bran braucht jeden Mann, der ein Schwert halten kann. Vergiss es einfach.«

      Sedain beruhigte sich. »Schon passiert.«

      Sie begaben sich in die Offiziersschenke. Bereits nach einem Humpen Met verabschiedete Kraeh sich von den zechenden Soldaten.

      ***

      Kraeh war absichtlich früher an der verabredeten Stelle als ausgemacht. Es war ihm zu kalt, sich auf einer der Zinnen niederzulassen, so stand er auf die Unterarme gestützt und überblickte das weite Tal, das sich hinter dem äußersten Wall erstreckte. Im Schimmer des letzten Lichtes lag das Land, für das er kämpfte, in warmes Orange getaucht da. Unter ihm balgten die Söhne und Töchter Brans in einem Innengarten mit denen des Königs. Ihr Lachen verstummte, als die Kindermädchen versuchten, sie mit erhobenen Zeigefingern einzusammeln, und damit ihr Spiel störten.

      Etwas stimmte ihn nachdenklich, aber er konnte nicht genau ausmachen, was es war. Auch wenn in der ganzen Stadt großes Aufheben um die Aussicht eines neuen Krieges gemacht wurde, war das eigentlich nichts Neues. Das Wort Frieden kannte er der Bedeutung nach, es hatte für ihn jedoch nicht mehr Wirklichkeitscharakter als für einen Fisch die Gemütlichkeit einer Feuerstelle.

      Es musste etwas anderes sein, das seine Instinkte alarmierte. Er ging die Situation des Reiches systematisch durch. Zuerst einmal gab es da ihren Nachbarn Theodosus. Sein Bruder, der eigentliche Thronerbe Rhodums, war bei einem dubiosen Jagdunfall ums Leben gekommen, fast ebenso merkwürdig war der Tod seines Vaters Marc gewesen. Aber was bedeutete das schon? Auch Bran war nicht zimperlich, wenn es um den Erhalt seiner Macht ging. Theodosus war nicht mehr als ein Machthungriger mit einer selbst gebastelten Krone auf dem Haupt, der von seinen Priestern schlecht beraten wurde und bald in seine Schranken verwiesen würde.

      Die Orks brauchten noch Jahre, bis sie an eine Überquerung des Flusses denken könnten, zumal sich in ihrer Flanke der Wald der Zauberin befand. Kein Mann, und das galt auch für Orks, sagte man, sei jemals aus ihrem Reich zurückgekehrt. Ihre Kriegerinnen wurden Druden genannt und ihre Unbarmherzigkeit war legendär. Aus den Schädeln ihrer Opfer hatten sie einen Grenzzaun errichtet. Kraeh hatte ihn einst mit eigenen Augen gesehen. Menschen, Orks, Trolle – jede Rasse schien ihren Blutzoll gezahlt zu haben. Ein Schauer jagte ihm über den Rücken. Doch da sie nie ihren Wald verließen, stellten die Druden keine Gefahr dar, zumindest keine erkennbare. Dann gab es noch die Fersen. So wurden all die Landstriche genannt, in denen wilde Stämme lebten. Mit ihnen gab es keinen Handel. Von gelegentlichen Überfällen abgesehen, verhielten sie sich ruhig. Da sie aufgrund ihrer großen Zahl und kaum ausgeprägten Organisationsform nicht zu befrieden waren, hatte es sich eingebürgert, ihre Gebiete schlicht zu umgehen. Sie waren wie unwegsame Natur und machtpolitisch daher zu vernachlässigen.

      Was also war es, das ihn beunruhigte? Welches Detail hatte er übersehen? – Wer war vorhin bei der Besprechung alles zugegen gewesen?

      Hier unterbrach ihn das Geräusch von Lederstiefeln auf Steinboden in seinen Überlegungen. Berbast stieg die Stufen der Treppe hinauf, die auf den Wehrgang führte. Er war älter als Kraeh und hätte schwerfällig auf ihn gewirkt, wenn er diesen Muskelberg nicht schon hätte kämpfen sehen. Er war zwar aufbrausend und leicht zu reizen, verlor aber nie die Kontrolle über sich. Ein Wolf im Bärenpelz, dachte Kraeh.

      Der General trat neben ihn. »Schaust du dir an, was du mit deinem Meuchelfreund verraten hast?«

      »Es

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