Rabenflüstern. Philipp Schmidt

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Rabenflüstern - Philipp Schmidt

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mit dem ausschließlich schwarz-weiß denkenden Berbast zu diskutieren.

      Weit unter ihnen öffnete sich ein Tor einem Tross von Wagen, die mit frischem Fisch beladen waren.

      »Also gut, wir haben sowieso keine Wahl. Diesmal kämpfen wir noch Seite an Seite. Aber irgendwann, Kraeh, das verspreche ich dir, werde ich dich töten.«

      »Irgendwann«, Kraeh sah ihm tief in die Augen, »werde ich dein Leben bei dem Versuch beenden.«

      Berbast rümpfte die Nase. »Hast du einen Plan?«

      »Vielleicht …«

      ***

      Auf der Kuppe eines Hohlweges lagen Kraeh, Sedain und neben ihnen zwanzig Speerträger in den frühen Morgenstunden flach auf dem Bauch. Die Streitkraft Brisaks war vor sechs Tagen ausgerückt. Sie waren bei Nacht geritten und hatten tags geschlafen. Zwei Sonnenläufe zuvor hatte sich die Truppe Kraehs, deren andere Hälfte sich auf der gegenüberliegenden Seite des Hohlweges leicht versetzt verborgen hielt, von der Hauptstreitkraft unter der Führung Berbasts getrennt. Wenn alles nach Plan verlief, würden sie sich bald wieder vereinen.

      Sie hatten es geschafft, sich unbemerkt hinter die feindlichen Linien zu bewegen. Seit der Mond hinter den hohen Bergen im Westen verschwunden war, lagen sie nun schon auf dem kalt-feuchten Boden und warteten.

      »Du solltest dich in Acht nehmen, wenn wir erst einmal die Wutach eingenommen haben«, flüsterte Sedain Kraeh zu, »Berbast hasst dich.«

      »Er hasst jeden. Außerdem wird er kaum etwas unternehmen, bevor wir heil zurückgekehrt sind. Ich habe dir doch erzählt, was Bran gesagt hat.«

      Sedain drehte sich auf die Seite, womit er näher an das Ohr seines Freundes rutschte.

      »Glaubst du, Bran kann auf beide seiner Heerführer verzichten?«

      Kraeh wurde ärgerlich. »Hör zu, es ist mir gleich, was Berbast vorhat. Greift er mich an, hole ich mir seinen Kopf.«

      Sedain schwieg, was ihn noch mehr reizte.

      »Was?! Glaubst du, er würde gegen mich gewinnen?«

      »Er hat noch nie einen Zweikampf verloren. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher … Ich könnte mich um ihn kümmern, noch ehe er die Gelegenheit bekommt, dich herauszufordern.«

      »Ochsenpisse!«, keifte Kraeh.

      »Pst!«, zischte der Speerträger neben ihm. Sein Name war Hentrik. Ein fähiger Bursche, der nach Kraehs Auffassung nur etwas zu ernst für sein Alter war.

      Dort wo der Hohlweg eine Biegung machte, waren Reiter aufgetaucht. Es waren Hauptmänner Rhodums, leicht zu erkennen an ihren plattenverstärkten Lederrüstungen und den Kreuzen auf den großen Schilden. Bran, der einen nicht geringen Teil seiner freien Zeit in der selbst angelegten Bibliothek verbrachte, hatte ihnen einmal erzählt, Theodosus habe seine Armee nach römischem Vorbild organisiert, aufgrund der meist leeren Kriegskasse allerdings nur einen traurigen Abklatsch jener Hochkultur erreicht.

      Dann erschienen auch die ersten Karren und mit ihnen das Gesinde. Langsam bewegte sich der Kampfverband auf den Hinterhalt zu. Doch Kraeh ließ nicht locker. »Kennst du jemanden, der einen Zweikampf verloren hat und noch am Leben ist?«

      »Reg dich nicht auf«, mahnte Sedain.

      »Nein – mal ehrlich –, kennst du jemanden? Nein, natürlich kennst du keinen, denn wer im Zweikampf unterliegt, stirbt. So ist das nun einmal. Also, was für ein mieser Verdienst ist das schon?«

      Sedain legte den Zeigefinger an die Lippen.

      Mittlerweile waren acht von Ackergäulen gezogene Wagen auszumachen. Eine Nachhut von Kriegern bog gerade in ihr Sichtfeld.

      In dem Moment fiel Kraeh ein, was ihn die ganze Zeit über nachdenklich gestimmt hatte: der Verhüllte bei der Beratung! Wer war er, welche Position hatte er inne? Wie hatte er den nur vergessen können? Bei dem Gedanken an ihn sträubten sich seine Nackenhaare. Es war merkwürdig … Wie man sich am Morgen vergeblich bemüht, die Bilder eines Traumes wiederzubeleben, ging es ihm mit dem Kapuzenmann in Brans hoher Halle.

      »Sedain …«

      Die Nachhut war jetzt auf der Höhe, wo einige Schritt über ihnen die anderen Männer Brisaks auf ein Zeichen warteten.

      Kraeh sprang auf und riss sein Schwert aus dem Schultergurt. »Angriff!«

      Schon surrte ein Bolzen aus Sedains Armbrust und warf den ersten Reiter Rhodums aus dem Sattel. Im Lauf schoss der Halbelf den zweiten ab, der sich in die Schulter eines weiteren Mannes grub. Dann war Kraeh und mit ihm fünfzehn Elitekrieger unter den überrumpelten Feinden. Die Falle schnappte zu. Überrascht, in ihrem eigenen Land in einen Hinterhalt zu geraten, gefangen zwischen Hammer und Amboss, wehrten sie sich ebenso verzweifelt wie aussichtslos.

      In Todesangst klammerte sich der letzte Mann Rhodums, der noch am Leben war, an einem Strauch fest, im Versuch, den blutgetränkten Hohlweg kletternd zu verlassen, bis Kraehs Klinge ihm tief in den Rücken fuhr.

      Mit dem Ärmel seiner Fellweste wischte Kraeh sich das Blut aus dem Gesicht. Reue zeichnete seine Züge, als er auf die Leichen der Bauern hinabsah, die sie geschlachtet hatten wie jene das Vieh, deren getrocknetes Fleisch die Wagen füllte. Er verabscheute es zutiefst, Unschuldige zu töten, doch ein einziger Überlebender hätte gereicht, sein und das Leben seiner Männer in Gefahr zu bringen – ein Risiko, das er nicht bereit war einzugehen. Sedain sah die Bitternis im starren Blick seines Freundes und übernahm das Kommando. Er wies an, die Leichen aus dem Weg zu räumen. Es kostete sie den restlichen Morgen und den halben Tag, die Körper zu entkleiden, den Hang hochzuschaffen und sie notdürftig zu verscharren. Ihre eigenen Toten, drei an der Zahl, wurden abseits der anderen begraben. Alle drei waren Anhänger Donars und hätten daher eigentlich verbrannt werden müssen, doch es stand nicht zur Debatte, ein Feuer zu entzünden. So falteten sie ihre Hände um die Schwertgriffe, sprachen kurze Worte des Abschieds und bedeckten sie mit Erde.

      Alsdann befahl Kraeh, der seine Fassung zurückgewonnen hatte, die Wagen zu leeren, worin sich unter Decken zehn der Krieger versteckten. Hinzu wurden Vasen mit Lampenöl, das sie mitgebracht hatten, geladen. Die beiden Verletzten, die sie zu beklagen hatten, wies er an, sich nach Hause durchzuschlagen. Der Rest zog die Gewänder der Toten über ihre eigenen. Obwohl auf einigen Blutspritzer zu sehen waren, schätzten sie die Maskerade als ausreichend ein. Kraeh wählte die Verkleidung eines Bauern. Da die einfachen berittenen Soldaten keine Helme getragen hatten, wäre sein weißes Haar verräterisch gewesen, das er nun unter einer Wollmütze verbarg. Ihre Waffen versteckten sie zwischen den Ölbehältern.

      Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Nach einem halben Tagesmarsch konnten sie in der Ferne bereits die Wutachfeste ausmachen. Ihre Mauern bildeten einen ungefähr acht Mann hohen Halbkreis, dessen Enden in einen Felsen wuchsen. Die ganze Feste bestand nur aus einem riesenhaften Turm und dem ihn umgebenden Mauerwerk. Sie galt gemeinhin als uneinnehmbar. Kraeh erinnerte sich daran, wie sein Ziehvater ihm einst erzählt hatte, Riesen hätten die zentnerschweren Steinbrocken von den Rheinufern hergeschleppt, mit bloßen Händen zurechtgeschlagen und dort als Bollwerk gegen die Götter aufgetürmt. Kraeh lächelte innerlich; es würde eine Handvoll Menschen, nicht Götter sein, die jenen Koloss aus Fels und behauenem Stein zu Fall bringen würde.

      Es wurde bereits dunkel, als das mächtige Fallgitter hochgezogen wurde. Im Wald zu ihrer Linken reflektierte etwas einen der letzten Sonnenstrahlen.

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