Rabenflüstern. Philipp Schmidt

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Rabenflüstern - Philipp Schmidt

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      Der Seher war neben die Kundschafter getreten. Etwas, das einer Hand nur entfernt ähnlich sah, huschte blitzschnell aus der Kutte hervor und rammte sich bis zum Gelenk in die Magengegend des bisher Schweigenden.

      »Sprich weiter«, sagte er ruhig zu dem anderen, die Zuckungen des Körpers vor ihm musternd, während er tiefer in die Gedärme vorstieß.

      »Ich … Ich … werde sie finden.«

      Der Gepeinigte röchelte qualvoll, nur die Kraft des Armes, mit dem er auf groteske Weise verbunden war, hielt ihn aufrecht.

      »Das wirst du«, lautete die gnädige Antwort. »Wähle dreißig Mann aus und reite sofort los.«

      So schnell, wie sie gekommen war, verschwand die Klaue wieder. Leblos sackte der Körper in sich zusammen.

      Der junge Soldat erschrak vor dem grauenvollen Anblick, besann sich dann aber auf sein eigenes Wohl, beugte sein Haupt vor dem Fürsten und verließ überstürzt den Raum und die dahinterliegende Halle.

      Bran zitterte ob des Gräuels, dessen Zeuge er eben geworden war, und ebenso wegen der überbrachten Nachricht.

      »Was machen wir jetzt?«, fragte er beklommen.

      »Wir fahren fort wie geplant. Ich reise zu Theodosus, jetzt wird er mir Gehör schenken. Und Ihr habt besser Eure Sinne zusammen, wenn ich zurückkehre.«

      Wie ein Schatten bewegte sich der Seher zum Gehen.

      »Was ist mit deinem Auge geschehen?«, traute sich Bran doch noch zu fragen.

      Das Wesen drehte sich um, seine kahlen Lippen nahmen einen beinahe schelmischen Ausdruck an. »Wie gesagt, wir alle bringen unsre Opfer.«

      ***

      Kraeh ritt neben dem immer noch angeschlagenen Sedain an der Spitze des heimkehrenden Heereszuges. Über einen Mond hatten sie in der eroberten Burg verbracht, ihre Wunden geleckt und der neuen Besatzung Instruktionen erteilt.

      Über feuchte Ebenen, begrenzt von Bäumen und Sträuchern, die sich an die harten Bedingungen gewöhnt hatten, führte sie ihr Weg. Es war still, bis auf ein gelegentliches Stöhnen am Ende des Zuges, wo die Gefangenen durch ein langes Seil aneinandergekettet hinter den Siegern hertrotteten.

      Die Stimmung der beiden war wie immer gelassen.

      »Vielleicht statte ich der kleinen Roten diesmal einen Besuch ab«, versuchte Sedain seinen Freund zu reizen.

      Kraeh stieß einen Pfiff aus. »Du kannst es ja mal versuchen. Aber ich muss dich warnen: Sie ist wählerisch.«

      »Ganz offensichtlich nicht … Könnte doch sein, dass sie die Nase voll hat von Nekrophilie.« Aufreizend strich er sein dichtes, schwarzes Haar aus der Stirn.

      Kraeh lächelte. »Wenn du sie erst einmal von den Vorzügen deiner Ohren …« Er kam nicht dazu, seine Neckerei auszuführen, Berbast hatte zu ihnen aufgeschlossen. Sein Streitross warf den Kopf zurück, als er an seinen Zügeln zerrte.

      »Ihr seid eine Schande«, sagte er barsch, da er das Ende des Gesprächs der beiden mitbekommen hatte, »in der nächsten Welt wartet ein Platz als Hofnarren auf euch. Dort werdet ihr eure Zeit damit verbringen, echten Kriegern ein Schmunzeln abzuringen. Und glaubt mir, die Pforten stehen bereits offen.«

      Kraehs Augen hatten sich zu Schlitzen verengt.

      Üblicherweise fiel es Kraeh zu, das Temperament seines Freundes zu bändigen; in dieser Situation bemerkte Sedain jedoch, dass es diesmal an ihm war. Er legte eine Hand auf Kraehs Arm. »Siehst du den Angstschweiß auf meiner Stirn, Bärenmann?«, fragte er betont lässig an Berbast gewandt.

      Der hünenhafte Krieger ignorierte ihn und ließ sich wieder zurückfallen.

      »Was, meinst du, hält unsre Freundin wohl von Sodomie?«

      Die Spannung fiel von Kraeh ab und beide lachten, laut genug, um sicherzugehen, auch in den Reihen hinter ihnen gehört zu werden.

      Nicht weit entfernt hockte eine Familie von Gnomen beim Mittagstisch. Kaum mehr als einen halben Mann messende, bucklige Gestalten. Als Behausung dienten ihnen offensichtlich die weit ausladenden Wurzeln eines Baumes. In dem Moment, da sich einer der Soldaten aus dem Zug löste und sich ihnen näherte, nahmen sie Reißaus. Fremde Arten, Erwachte oder Mutanten, wie einige sie nannten – je nachdem, wie man zu ihnen stand –, wurden seit Langem weder von Gunther noch von Theodosus in ihren Reichen geduldet. Die einzige Ausnahme bildete Sedain, und das auch nur, weil Kraeh sich damals bereit erklärt hatte, für ihn zu bürgen.

      Ähnlich unwillkommen im eigenen Land fühlte sich der weißhaarige Krieger zwei Tage später bei ihrer Rückkehr. Es erwarteten sie keine Festlichkeiten, wie es nach einem derart großen Sieg üblich war. In der ersten Nacht gab es zwar eine Zecherei der Soldaten in der großen Halle, aber niemand, weder vom Adel noch aus dem einfachen Volk, war anwesend. Bran bekamen sie nur einmal bei einer Ansprache kurz zu Gesicht, in der er halbherzig Floskeln über den Ruhm Brisaks und die Tüchtigkeit seiner Streitkräfte verlor.

      Überhaupt schien es Kraeh, als läge ein dunkles Geheimnis über der Stadt. Eine böse Ahnung schien sich in den Gesichtern der Menschen eingenistet zu haben, eine Ahnung ohne greifbaren Grund, der die Abgeschlagenheit und die Verbitterung der Gemüter rechtfertigen würde.

      Sedain und Kraeh saßen in einer Schenke, als sich eine offensichtlich bestürzende Neuigkeit wie ein Lauffeuer verbreitete, es wurde getuschelt und gemunkelt. Sie bestellten den Wirt zu sich, der ihnen unter vorgehaltener Hand zuraunte, dass der König und mit ihm seine ganze Familie umgekommen sei. Die Stimmen wurden lauter. Verschwörungstheorien wurden geäußert und verworfen. Am Nachbartisch war man sich bald einig, es müsse Maet, der intrigante Fürst von Mont, gewesen sein, der die Krone für sich haben wolle.

      »Aber«, warf ein Junge, dessen fliehendes Kinn stolz die ersten Barthaare zur Schau stellte, altklug ein, »wer sagt, dass nicht Bran den Mord befohlen hat?«

      Die flache Hand Kraehs schlug auf den Tisch, bedrohlich langsam stand er auf. Im Wirtshaus herrschte plötzlich Ruhe. Alle kannten, mochten und respektierten ihn und seinen Begleiter, schon dafür, dass sie sich nicht, wie all die anderen Offiziere, zu fein waren, Luft und Ale mit ihnen zu teilen.

      »Steh auf«, sagte er in einem Tonfall, den niemand der Anwesenden von ihm gewohnt war.

      Der Junge tat wie ihm geheißen. Seine Tunika war ihm ebenso zu weit wie der bronzene Armring an seinem Handgelenk.

      »Wie ist dein Name, Soldat?«

      Der Stolz eines Heranwachsenden ließ ihn Haltung bewahren, doch er musste seine Hände im Rücken verschränken, um ihr Zittern zu verbergen.

      »Frederik, Sohn von Friedmund.« Seine Augen suchten die seiner Kameraden, die ein Stück von ihm weggerückt waren.

      Sedain gähnte.

      »Ich kannte deinen Vater, Frederik. Er war ein guter Krieger, besser, als du je sein wirst. Und weißt du auch warum?«

      Die Frage blieb einige Wimpernschläge lang im Raum stehen. Augenblicke, die dem jungen Mann wie Tage vorkommen mussten.

      »Weil er wusste, wofür er kämpfte.«

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