Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft - Societas Europaea. Hans-Peter Schwintowski
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Im Falle der Verschmelzung durch Neugründung darf eine übertragende deutsche Gesellschaft nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 76 Abs. 1 UmwG den Zustimmungsbeschluss erst fassen, wenn sie und jede andere übertragende AG bereits seit zwei Jahren im Register eingetragen sind.[120]
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Die Hauptversammlungen der beteiligten deutschen Rechtsträger müssen keinen Beschluss nach Art. 25 Abs. 3 S. 1 SE-VO über die Anerkennung etwaiger Spruchstellenverfahren in anderen Mitgliedstaaten fassen, da ein derartiges Spruchverfahren in Deutschland besteht.
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Im Hinblick darauf, dass die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats und damit die Bestellungsbeschlüsse haben kann, wird es häufig empfehlenswert sein, die Verschmelzungsbeschlüsse erst zu einem Zeitpunkt zu fassen, zu dem die Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer nach § 13 Abs. 1 SEBG bereits abgeschlossen ist. Liegt zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse diese Vereinbarung noch nicht vor, kann sich nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 SE-VO die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden Gesellschaften das Recht vorbehalten, die Eintragung der SE davon abhängig zu machen, dass die geschlossene Vereinbarung von ihr ausdrücklich genehmigt wird.[121] Da für den Genehmigungsbeschluss eine neue Hauptversammlung erforderlich ist, kann ein solcher Zustimmungsvorbehalt das Eintragungsverfahren erheblich verzögern. Die Genehmigungskompetenz kann dennoch nicht alternativ auf den Aufsichtsrat verlagert werden, um den Prozess zu beschleunigen, weil die SE-VO eine solche Delegation nicht vorsieht und darin eine mit der Organisationsstruktur der AG unvereinbare Selbstbeschränkung der Hauptversammlung läge.[122]
1.3.4 Bestellung der Organmitglieder und des Abschlussprüfers
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Bei der Verschmelzung durch Neugründung sind die Mitglieder des ersten Aufsichtsrats der dualistisch strukturierten SE zu bestellen. Im Falle der Verschmelzung zur Aufnahme ist es aufgrund des identitätswahrenden Rechtsformwechsels der übernehmenden AG in die SE wie bei einer Gründung durch Umwandlung (Art. 2 Abs. 4 SE-VO)[123] möglich, dass sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nicht ändert, wenn die Verhandlungen nach dem SEBG nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Im deutschen Umwandlungsrecht bleiben die Mitglieder des Aufsichtsrats bei einem Formwechsel nach § 203 S. 1 UmwG für den Rest ihrer Wahlzeit im Amt, wenn der Aufsichtsrat bei der neuen Rechtsform in gleicher Weise wie bei dem formwechselnden Rechtsträger gebildet wird. Die SE-VO regelt diesen Fall zwar nicht, es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum dieser Grundsatz nicht auch für die Verschmelzung zur Aufnahme entsprechend gelten soll, die mit einem Formwechsel der übernehmenden AG in eine SE verbunden ist; eine Neubestellung wäre in diesem Falle völlig unverhältnismäßig. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme ist der Aufsichtsrat daher nur dann neu zu bestellen, wenn der Aufsichtsrat der SE nicht in gleicher Weise wie bei der übernehmenden AG gebildet oder zusammengesetzt wird.[124] Eine andere Zusammensetzung ist jedoch bereits dann anzunehmen, wenn in der SE gem. § 36 SEBG fortan auch ausländische Arbeitnehmer bei der Besetzung der Arbeitnehmersitze im Aufsichtsrat zu berücksichtigen sind.[125] Bei der monistisch strukturierten SE sind die Mitglieder des ersten Verwaltungsrats in jedem Falle neu zu bestellen. Die Bestellung kann nach Art. 40 Abs. 2 S. 2, 43 Abs. 3 S. 2 SE-VO durch die Satzung vorgenommen werden; im Zusammenhang mit der Organbestellung kann hiermit nur die Gründungsurkunde,[126] d.h. der Verschmelzungsplan, gemeint sein. Mit dem Verschmelzungsplan ist die Bestellung zugleich Gegenstand der Verschmelzungsbeschlüsse.[127] Dem Beurkundungserfordernis des § 30 Abs. 1 S. 2 AktG wird durch die Beurkundung des Verschmelzungsplans Rechnung getragen.[128] Da die SE-VO in Art. 46 eine Regelung zur Amtszeit der Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsmitglieder enthält, für den ersten Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat jedoch weder eine Sonderregelung noch eine Regelungsermächtigung an die Mitgliedstaaten vorsieht, sind die Vorschriften der §§ 30 Abs. 3, 31 AktG auf die Amtszeit des ersten Aufsichtsrats bzw. Verwaltungsrats nicht – auch nicht analog – anwendbar.[129] Dies gilt auch deshalb, da § 30 Abs. 3 S. 1 AktG nur einen Ausgleich für die Mitbestimmungsfreiheit des ersten Aufsichtsrats einer AG (§ 30 Abs. 2 AktG) darstellt, während das erste Aufsichts- oder Verwaltungsorgan einer SE gerade nicht mitbestimmungsfrei ist.[130] Soweit zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung noch nicht abgeschlossen sind, wird der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat konsequenterweise noch ohne Arbeitnehmervertreter in Übereinstimmung mit den satzungsmäßigen Vorgaben zusammengesetzt;[131] falls diese Verhandlungen ein Mitbestimmungsmodell zum Ergebnis haben, hat nach Eintragung der SE eine Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG bzw. § 25 Abs. 1 SEAG zu erfolgen und ist der Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat nach §§ 97 ff. AktG bzw. §§ 25 ff. SEAG – gegebenenfalls im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens – neu zu besetzen. Soweit zum Zeitpunkt der Verschmelzungsbeschlüsse die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung bereits abgeschlossen sind, kann schon der erste Aufsichtsrat bzw. Verwaltungsrat entsprechend dem Verhandlungsergebnis zusammengesetzt werden, wobei die Arbeitnehmervertreter erst nach Eintragung der SE hinzu gewählt werden.[132]
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Anschließend hat im dualistischen System der Aufsichtsrat die ersten Mitglieder des Vorstands nach Art. 39 Abs. 2 SE-VO zu bestellen, im monistischen System der Verwaltungsrat die ersten geschäftsführenden Direktoren nach § 40 Abs. 1 SEAG.
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Da die SE-VO zur Bestellung der Abschlussprüfer schweigt, wird der erste Abschlussprüfer nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 36 Abs. 2 S. 2 UmwG, § 30 Abs. 1 AktG in notarieller Form von den sich verschmelzenden Rechtsträgern als Gründern bestellt. Empfehlenswert ist die Bestellung im Verschmelzungsplan.[133]
1.3.5 Gründungsbericht
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Im Falle einer Verschmelzung durch Neugründung sind über Art. 15 Abs. 1 SE-VO grundsätzlich die aktienrechtlichen Vorschriften über Gründungsbericht, Gründungsprüfung und Gründungsprüfungsbericht gem. §§ 32 ff. AktG anwendbar. Da es sich jedoch bei sämtlichen übertragenden Rechtsträgern um Kapitalgesellschaften handelt, ist nach § 75 Abs. 2 UmwG ein Gründungsbericht gem. § 32 AktG entbehrlich.[134]
1.3.6 Interne Gründungsprüfung
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Nach Art. 15 Abs. 1 SE-VO i. V. m. § 33 Abs. 1 AktG ist im Falle der Verschmelzung durch Neugründung eine Gründungsprüfung durch Vorstand und Aufsichtsrat bzw. durch den Verwaltungsrat[135] der neuen SE durchzuführen.[136] Diese Prüfung erstreckt sich auf den Hergang – mithin alle tatsächlichen und rechtlichen Vorgänge[137] – der Gründung[138] und darüber hinaus auf die in § 34 Abs. 1 AktG genannten besonderen Aspekte,[139] soweit diese für die Verschmelzung durch Neugründung einschlägig sind.
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Nach