Gesammelte Werke. Robert Musil

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Gesammelte Werke - Robert Musil

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Tage nicht fand. Alle Zärtlichkeit, die von mir gewichen war, war nun da und fand einen ungehinderten natürlichen Ausdruck.

      Sie zitterte, hatte Thränen in den Augen. Wir waren sehr lieb miteinander. Behandelten dieses Verhältnis wie etwas leicht Zerbrechliches, sehr Sonderbares, mit dem man sich feine Mühe geben müsse. Behandelten es als etwas Selbstverständliches.

      Am Nachhauseweg, allein, kam ich manchmal in frivole Stimmung und unvermittelt wieder in ganz Heilige.

      Aber dieses Heilige, mit dem Bewußtsein eines bloß augenblicklichen, fast nur andeutenden Genusses war wohl die eigentliche Quelle des Frivolen.

      Übrigens scheint unsere Beziehung durchaus noch nicht fest zu sein.

      Ich habe um ihre Hand angehalten. Denken Sie nur ich – dieser gamin! Bin ich nicht ein Staatsbürger? Und habe einen Korb bekommen! Meine Würde brachte mir keine Gefahr. Was für eine reizende Excursion. Ich wurde so fröhlich auf diesen Korb hin, so zärtlich zu ihr. Solche Sprünge versteht sie wohl nicht. Solchen lustigen Herrn Pierrot.

      – Psychologische Nachwirkung. Schlaflosigkeit. Herrliche Nacht im finstern Zimmer. Am Divan unter einer Reisedecke geschlafen. Schrieb langen Brief an Madelaine. Im Anfang wie eine Fortbildung des Stils der Valeriezeit. Später in dem von der Leidenschaft handelnden Teil Neues. Es wurde mir klar, daß ich nicht ganz untertauchen kann, daß meine Leidenschaft eines Untergrundes von Resignation braucht. Daß Leidenschaft für mich nur eine caprice sein kann, an die man nicht ganz glaubt, nach der man sich aber ganz sehnt.

      Schrieb in großem Fieber. Der gewisse Sturm ohne Wollen.

      Nachher Apathie.

      Ein paar Tage später Spaziergang ganz ohne Kontakt. Zum Schlüsse, in dem Bemühen doch noch Anschluß an mich zu finden, kam ich mir beinahe lächerlich vor.

      Merkwürdig war, wie heute eine Zärtlichkeit für Marguérite in mir aufschoß. Sah sie plötzlich als armes, krankes Mäderl, und über das Mitleid kam den gewohnten Weg die Liebe. Merkwürdig, daß ich ihr gegenüber jeder Regung nachgeben kann, gegen Madelaine nicht.

      Sehr sonderbarer Tag. Nachmittag bei Madel. Sie wollte singen. Ich hatte die alten Lieder aber nicht bekommen können. Mattgraues verschlossenes Zimmer. Sie kniete bei mir, sie stand ganz dicht ober mir. Sie liebt dieses Stille an mir. Ich konnte mich nicht rühren. Banalitäten fielen mir ein. Ich küßte nur ihren Arm, streichelte ihn, streichelte mein Gesicht mit seinem weichen, schwarzen Flaum. Mußte Weggehen, war der Situation nicht gewachsen. Sie war voll verhaltener Leidenschaft. Sprach metallisch und plötzlich mehr als sonst. Ich glaube, daß ich sie nicht verstehe. Und mich? Will sie geheiratet werden? Selbst dieses Gedankens war ich fähig! Überhaupt! Es war ein Glück und fast eine Verlegenheit.

      Ob ihr nicht die Knie weh tun, in der unbequemen Stellung?! Sogar das fiel mir ein. Und wurde wichtig. Denn alles kam mir plötzlich unnatürlich und gewollt vor. Ist das Liebe? Es kann es sein. Nur traf zufällig eine Culmination mit einer Depression zusammen.

      Eine große Aufregung ist in mir. Ich möchte Madel. heiraten. Trotzdem gefällt mir Margu. besser als seit langem. Sehe gewisse natürliche Feinheiten an ihr, gegen die ich abgestumpft war. War müd zärtlich gegen sie, so ganz mich auflösend, wie ich es gerne bei Madel. wäre.

      Ich verstehe Madel. erst recht nicht. Ich glaube wohl, daß an jenem Freitag echte Empfindung im Spiel war. Ich verfüge über mich und gebe mich dir. So ähnliches sagte sie auch. Warum ich aber gelähmt war weiß ich auch nicht. Entweder reizt sie mich nicht genügend sinnlich, oder ist zu viel Sturm in mir. Über diese Alternative bin ich mir nicht klar.

      Sonntag war sie sehr warm-müde. Ich wollte sie heiraten. Wollte sie so haben, wie dazu nötig. Sie mißverstand mich völlig, empfand mich als theoretisch und verlor den Kontakt.

      Dienstag behandelte sie mich schlecht. War ostentativ kühl. Endlich kam es wegen Sonntag heraus. Ich versuchte die geistreichsten Erklärungen, habe aber an Boden verloren und bin unglücklich. Ich will noch immer das ganz Große von ihr. Nachher soupirten wir zusammen und tranken Brüderschaft. Waren sehr herzlich, sie ein wenig koboldig und in Weinlaune. Ich bemerkte einzelne Derbheiten in ihren Gesten und meine Stimmung wurde leichter.

      Heute, Donnerstag, kam sie zu spät. Endlich in ganz merkwürdiger Laune. Ich schaukelte sie im Stuhl. Sie wollte nichts ernstes. Wir plauderten ziemlich leichthin und graziös. Viel mit den Augen. Meine Art wurde wieder ein wenig mondän. Ich hatte das Gefühl, daß sie vor mir mit einem Manne zusammen war, der ihr gefiel. Das gab mir mich wieder. Ich küßte sie endlich, halte nicht allzuviel von ihr und lebe dem Augenblick. Ich gefalle ihr so. Eigentlich ist dieser Sieg eine bittere Enttäuschung und Lehre. Aber ich bin frei von Leidenschaft und so viel glücklicher.

      Samstag sahen wir uns wieder. Erst schien es, als ob ich abermals nicht Boden fassen könnte. Endlich nahmen wir uns einen Wagen und fuhren ins bois. Dort wurde ich allmählig wärmer. Legte mein Kinn auf ihre Schulter und sprach so auf sie ein. Dann saßen wir bis zehn Uhr im Wald. Ich hielt ihre Knie und wir küßten uns oft. Sie küßt nicht gut, wie ich bemerke. Beim Loslösen der Lippen verursacht sie Geräusch. Überhaupt ist sie ziemlich primitiv. Ich muß es sie anders lehren. Das gibt mir alle Sicherheit und nimmt mir ziemlich viel Illusion.

      Montag wartete ich vor dem Hause ihres Lehrers auf sie; etwas entfernt. Sie trat heraus – zurückgeneigter Kopf – halbgeschlossene Augen, – als ob sie ihren Mund ins Licht hielte, damit die Sonne die Küsse darauf trockne.

      Ihr Blick suchte mich, aber, wie mir schien, etwas grausam.

      Später bemerkte ich, daß eine Flechte ihres Haares sich gelöst hatte. Sicher hat sie etwas mit ihrem Lehrer gehabt .. Und dies constatieren zu können, freute mich.

      Zu Jakob Eberle’s letztem Gang

[1907/08?]

      Es war in dem heißen Mai des Jahres 1906. Wir saßen vibrirend von der Glut in einem Café. Lauter Ästheten, gelehrte Künstler, Künstlergelehrte, Vielwisser, Byzantiner. Die Kommenden. Maria mit dem brutal gelben Teint blätterte in der Woche. (Triumph der Vielseitigkeit, der Vorsilbe Poly-selbst die Woche in sich aufnehmen zu können) So kam die Sprache auf den Vesuv. Ein Glück sagte Maria, daß die Ausgrabungen nicht wieder verschüttet wurden. Was liegt dagegen an allem anderen. Und man macht ein großes Geheul, statt froh zu sein, Feste zu feiern.

      Könnte man nicht, .. sagte Marsilius und alle wußten den Nachsatz .. auch das Gegenteil verteidigen .. ohne daß er ihn aussprechen mußte, ja nicht einmal sein indignirtes Lächeln, das die Relativität aller moralischen Erkenntnis bewundernd bedauerte, wäre nötig gewesen. Nein man kann nicht. Wenn man bedenkt, was unsere ganze Kultur ohne Pompeji wäre, daß gewisse Gefühle, ja selbst gewisse Gesten nicht möglich wären ohne Pompeji, so daß selbst der miserabelste Plebejer etwas davon hat, – indem der Durchschnitt der Lebensform gehoben wird – kurz objectiv kann man es gewiß nicht. Aber subjectiv, meinte Marsilius. Geschmackssache. Er wußte nun, was sich Maria im Augenblick von ihm dachte .. Dieser Marsilius – Baumeister Marsilius – man klebt doch am Handwerk. Man kann nicht rein künstlerisch concipiren, man hat den Schweiß seiner Arbeiter zu nahe an der Bewußtseinsschwelle …

      Aber es war wohl die ungewöhnliche Schwüle, wenigstens war es wie in der Enge eines pathologischen Zustandes –: der Gedanke ließ ihn nicht aus. Subjectiv könnte man es verteidigen.

      Er war überarbeitet durch umfangreiche kunsthistorische Studien – es stieg ihm manchmal heiß in den Hals und er hatte Sehnsucht nach grünen Bäumen – so einem dichten gewölbtem Kastaniendach – eine weiße Bluse fiel ihm dazu ein, kühles Bier in großen plumpen Gläsern und so wurde allmählig ein Gastgarten daraus.

      Man konnte es also

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