Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner Toni der Hüttenwirt Paket

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ihr Hof, auch wenn ihr Herz schon lange davon Besitz ergriffen hatte. Einen Augenblick blieb sie auf dem Stuhl hinter dem Empfangstisch sitzen und ließ den Tag an sich vorbeiziehen. Er war sehr ereignisreich gewesen. Sie war Christoph Unterlercher begegnet und hatte die ersten Spuren ihrer Wurzeln gefunden.

      Petra aß zu Abend. Nachdem sie das Geschirr abgewaschen hatte, ging sie hinauf und holte die alte Ledermappe aus der Kommode im Schlafzimmer. Draußen setzte die Dämmerung ein. Das Tal lag schon ganz im Schatten. Es wurde kühl. Die letzten Sonnenstrahlen tauchten den Gipfel des ›Engelssteig‹ in rötliches Abendlicht.

      Nachdem Petra auf der Bank vor dem Haus gesessen hatte, bis die Sonne untergegangen war, ging sie hinein. Sie machte Licht in der Küche und setzte sich an den Tisch.

      Mit zitternden Händen hielt sie die Bündel Briefe in Händen, die ihr leiblicher Vater, Zacharias Vogelmeier, an ihre Mutter geschrieben hatte, viele, viele Jahre lang. Sicherlich waren es zu Beginn mehr gewesen. Doch dann schrieb er immer im Juli, zum Geburtstag ihrer Mutter, zu Osten und zu Weihnachten. Alle Briefe waren ungeöffnet zurückgekommen, mit dem Vermerk: Annahme verweigert.

      Petra löste einen Knoten der Kordel, mit dem ihr Vater die Briefe der einzelnen Jahre zusammengebunden hatte. Sie begann die Briefe zu lesen aus dem Jahr ihrer Geburt.

      Sorgfältig, als öffnete sie einen wertvollen Schatz, steckte sie die Klinge eines schmalen Küchenmessers in die Kante des Umschlages und schnitt ihn auf. Sie nahm das Stück gefaltetes Briefpapier heraus und begann zu lesen.

      Danach legte sie es zur Seite. So arbeitete sie sich von Brief zu Brief und von Jahrgang zu Jahrgang. Dabei kam ihr Herz ihrem verstorbenen Vater immer näher, und ihre Mutter wurde ihr immer fremder.

      Wie mußte ihr Vater gelitten haben!

      Wie einsam mußte er gewesen sein!

      Er hatte Petras Mutter geliebt, so sehr geliebt. Er hatte sie in diesen Briefen an seinem Leben teilnehmen lassen. Alles hatte er ihr geschrieben, was auf dem Hof geschah, wenn eine Kuh kalbte, ein Pferd eine Kolik hatte, wenn das Wetter gut oder schlecht war. Die kleinste Kleinigkeit hatte er ihr geschrieben. Die Briefe waren viele Seiten lang.

      Für Petra war es ein komplettes Tagebuch ihres Vaters. Dies war sein Vermächtnis, mehr als der Hof. Durch all die Briefe erzählte er ihr, wie sie den Hof zu führen hatte, was zu machen war, im Laufe der Jahreszeiten. Er vermittelte ihr die Geschichte des Hofes in den letzten fündundzwanzig Jahren.

      Immer wieder wischte sich Petra beim Lesen die Tränen aus den Augen. Sie empfand großes Mitleid mit dem Mann, der so einsam gewesen sein mußte. Der seiner einzigen Liebe, auf seine Art und Weise, ein Leben lang die Treue gehalten hatte. In den letzten Briefen sprach er auch von ihr, von Petra. Er bat Vera, Petras Mutter, um Vermittlung zwischen ihm und Petra. Er machte ihr keine Vorwürfe, daß sie Petra so lange vor ihm verborgen gehalten hatte. Im Gegenteil, er dankte ihr für das Geschenk der Geburt einer so schönen und lieben Tochter. Er hatte in den Jahren, seit er gewußt hatte, daß er Vater war, Vera immer zum Tage von Petras Geburt eine Karte mit Blumen geschickt.

      Die Turmuhr schlug Mitternacht, als Petra alles gelesen hatte. Sie ließ die Briefe nach Jahrgängen geordent auf dem Tisch liegen. Schnell zog sie eine dicke Strickjacke an und ging hinaus zu ihrem Auto.

      Dabei wäre sie fast mit Christoph Unterlercher zusammengestoßen, der sie seit Stunden unbemerkt durch das Fenster beobachtet hatte. Im letzten Augenblick konnte er sich hinter einem Holzstapel verstecken. Gut, daß ich mein Auto ›Beim Baumberger‹ habe stehen lassen, dachte er.

      Er sah ihr nach, wie sie davonfuhr, bis die Rücklichter ihres Autos ganz von der Dunkelheit verschluckt wurden. Dann rannte er hinterher.

      Wo wollte sie hin?

      Was konnte mitten in der Nacht ihr Ziel sein?

      Christoph Unterlercher sah, daß Petra ihren Wagen bei der Kirche geparkt hatte. Die umliegenden Häuser lagen alle im Dunkel.

      War sie in der Kirche?

      Christoph drückte die Klinke an der Kirchentür herunter. Die Tür war abgeschlossen. Unschlüssig blieb er vor dem Gotteshaus stehen. Er hörte Schritte und erkannte in der Dunkelheit eine Männergestalt.

      »Soll ich dir aufschließen, Christoph?«

      Christoph erkannte den Pfarrer. Sie wechselten wenige Worte.

      »Ich nehme an, daß Petra auf dem Friedhof ist. Ich habe gehört, wir ein Auto abgestellt wurde. Das geschieht selten mitten in der Nacht hier in Waldkogel. Ich saß noch über meiner Predigt für den kommenden Sonntag. Da löschte ich schnell das Licht und schaute hinaus. Eine Frauengestalt ging auf das Friedhofstürchen zu. Ich kenne auch Petras Auto. Doch die Frau sah nicht wie Petra aus, soweit ich es in der Dunkelheit erkennen konnte, Christoph.«

      Christoph Unterlercher packte den Pfarrer an beiden Schultern.

      »Doch, das war Petra! Danke, Hochwürden! Sie trägt jetzt ein Dirndl, sieht aus wie eine Hiesige.«

      Dann eilte er davon.

      Der Pfarrer sah ihm nach. Er fühlte, daß Petra in guten Händen war und zog sich zurück. Sein Gebet war offensichtlich erhört worden. Es sah so aus, als hätte der Himmel einen irdischen Beschützer für die junge Frau abgestellt. Da wollte sich der Pfarrer nicht einmischen und alles seinen Lauf nehmen lassen, ganz so wie es die himmlischen Heerscharen vorhergesehen hatten.

      Pfarrer Zandler ging in die Kirche und zündete vor der Mutter Gottes eine Kerze an. Danach arbeitete er weiter an seiner Predigt.

      *

      Petra stand in der Dunkelheit vor dem Grab ihres Vaters. Sie zog die Strickjacke enger um den Körper.

      »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden. Ich denk’, du kannst mich da oben hören.«

      Petra sah hinauf in den wolkenlosen Nachthimmel mit seinen glitzernden Sternen.

      »Du warst in deinem Leid nicht alleine, jedenfalls nicht die letzten Jahre. Auch ich war einsam und fühlte mich leer. Ich weiß, daß das für dich genauso ein Schock war, zu hören, daß es mich gibt, wie für mich, daß ich einen Vater habe, den ich nicht kenne. Ich habe mich oft gefragt, wie du wohl sein wirst. Dann stand ich vor dem Spiegel und suchte nach Merkmalen in meinem Gesicht, die mir Mutter nicht vererbt hat. Jetzt weiß ich, daß ich meine großen, rehbraunen Augen und mein dichtes und kräftiges Haar von dir geerbt habe. Ich habe auch meinen Stolz von dir. Ich brause gerne auf und handle, bevor ich nachdenke. Hinterher tut es mir dann leid. Du kannst mich sicherlich verstehen. Wenn ich damals an meinem Geburtstag nicht einfach so davongelaufen wäre, dann hätte ich vielleicht deine Adresse erfahren. Wenn ich nicht so stur gewesen wäre, hätte ich mich nach dir erkundigt. Ich war es aber. So habe ich mir selbst die Chance genommen, dich kennenzulernen. Daß du Scheu hattest auf mich zuzugehen, das verstehe ich. Und ich will dir sagen, daß ich dir deswegen nicht böse bin. Wir haben beide Fehler gemacht. Die Strafe dafür ist, daß wir uns niemals in die Augen sehen konnten.«

      Petra schwieg einen Augenblick. Dann fuhr sie fort:

      »Jedenfalls nicht hier auf Erden. Vielleicht begegnen wir uns irgendwann da oben, wo es weder Raum noch Zeit gibt. An diese Hoffnung will ich mich klammern. Ich weiß, wenn du länger gelebt hättest, dann wären wir uns sicherlich begegnet. Du hättest mich in die Arme genommen.«

      Petra mußte schlucken. Ihr Herz war schwer und ihre

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