Milchbrüder, beide. Bernt Spiegel

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Milchbrüder, beide - Bernt Spiegel

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doch einmal aus dem Takt fielen, dann, so schien es Viktor, blickte Imi kurz zu Persil hinüber, mindestens glaubte Viktor zu erkennen, wie sie ihren Kopf bewegte, und Augenblicke später waren sie wieder beisammen, und die Ordnung, die alles so wunderbar trug, hatte sich wieder eingestellt. Ihr Zusammenspiel beschäftigte Viktor lange; es konnte nicht anders sein, als dass sie sich, auch im wildesten Prasseln der Hufe, nach einander richteten.

      „Wenn ich mir das so anschaue“, sagte Viktor bei einem kurzen Zwischenhalt zu Ludwig, „dann ziehen die Pferde gar nicht, sondern sie drücken eigentlich eher. Natürlich ziehen sie den Wagen, das ist schon richtig, aber sie machen das durch Drücken. Sie drücken mit der Brust, siehst du, hier –“, wobei er auf das Brustblattgeschirr vorn deutete. Ludwig interessierte das aber nicht weiter, obwohl er ebenfalls das ganze Geschehen um die Pferde aufmerksam verfolgte. Auf der Weiterfahrt stieß er Viktor kurz an und machte in Richtung der Pferde eine Kopfbewegung, wie er das immer machte, wenn er auf etwas hinweisen wollte. Viktor sah nichts oder nur, dass Persil begann, den Schwanz zu heben, aber Ludwig schaute gespannt hin und lachte, als dann die Pferdeäpfel, einer nach dem anderen, auf die Straße fielen. Viktor wollte wegschauen. Es war ihm peinlich, mit Ludwig zusammen Persil bei seinem Geschäft zugesehen zu haben, und es störte ihn, dass ihn Ludwig sogar noch darauf aufmerksam gemacht hatte. Er blickte scheu nach hinten zu Bienchen, Bienchen aber schaute zufrieden in die vorbeiziehende Landschaft hinaus. –

      Das Vergnügen der drei auf dem Bauernhof war ohne Ende. Neue Abenteuer jeden Tag. Onkel Xaver spannte die Kinder geschickt ein; haben sie erst einmal Langweile, wusste er, dann ist auch das Heimweh bald da.

      Immer wieder Neues bei der Erkundung des Hofes. Die Buben waren schreibfaul, doch Bienchen schrieb begeisterte Berichte nach Hause: über die lustigen jungen Schweine hinter der Scheuer; über das Pumpwerk am Bach, das alle Gebäude des Hofes mit Wasser versorgte; über das Backhäuschen, in dem am Samstag richtiges Brot gebacken wurde! Sie berichtete aber auch getreulich über die düstere Schmiede, obwohl die ihr unheimlich war, und über das Beschlagen der Pferde und die rotglühenden Hufeisen in der Esse, die es vor allem den Jungs angetan hatte, wahrscheinlich, weil sie das Gebläse betätigen durften, während sie selbst den Gestank des verbrannten Horns der Hufe entsetzlich fand. Und dann erst die Pferdekoppel, die Pferdekoppel, ihr helles Entzücken!

      Am Abend nach dem Duschen, was stets unter der Aufsicht von Tante Georgette geschah, bekamen sie, kaum abgetrocknet, ganz kleine Augen und versanken in den tiefen Betten, und nichts mehr war von ihnen zu hören.

      Onkel Xaver strahlte schon am Morgen beim Frühstück und wann immer er die Drei sah und war glücklich, dass da Kinder auf dem Hof waren – wissbegierige und hilfsbereite Kinder, fleißig und vergnügt. Wie schön das war und wie zufrieden es ihn stimmte, wenn er sie zu einer einfachen Arbeit anleiten konnte, Schritt für Schritt! Und wie ernsthaft und umsichtig die Kinder dann die Arbeit aufnahmen und wie erfüllt sie waren, wenn sie zu einem guten Ende gebracht war. Tante Georgette dagegen machte am liebsten alles selbst und gab allenfalls mal leise ihre Befehle, oft eher missmutig und immer sehr streng.

      Später, als sie wieder zu Hause waren, wunderte sich Viktor, dass er nur noch eine arg durchlöcherte Erinnerung an diese Wochen auf dem Bauernhof hatte, und darüber wunderte er sich noch viele Jahre lang, weil er das sonst gar nicht kannte. Aber nicht nur durchlöchert war das Band, sondern schlimmer noch, es war in Stücke gerissen und ganze Teile fehlten, und so fand er oft gar keinen rechten Zusammenhang mehr. Einige Inseln aber waren unversehrt erhalten geblieben. So konnte er sich noch als erwachsener Mann an dieses ebenmäßige Gesicht von Tante Georgette erinnern, in dem sich so wenig widerspiegelte, und es schien ihm dabei manchmal, als würde es allmählich immer edlere Züge gewinnen und dabei immer mehr zum entrückten Gesicht eines Todesengels werden. Weil es streng war, war es schön, aber Viktor fürchtete sich vor dieser abweisenden Schönheit. Wenn Onkel Xaver bei Tisch seine Späße machte und alles lachte, blieb Tante Georgettes Gesicht unbewegt. Sie sah höchstens zu Onkel Xaver hin, nicht einmal ärgerlich oder vorwurfsvoll, aber ohne auch nur den Hauch eines Lächelns im Gesicht. Georgette war nicht glücklich mit Xaver und Xaver nicht glücklich mit Georgette.

      Viktor spürte es schon bald, Schorschett beherrschte alle in Haus und Hof, selbst Onkel Xaver hatte sich da zu fügen, auch wenn er sich manchmal sträubte. Tante Georgette war eine starke Frau. Aber seine Mutter, dessen war er sich gewiss, war doch sicherlich auch eine starke Frau, aber beherrschen wollte sie niemanden. Sie führte ein großes Haus mit viel Personal und immer wieder neuen Gästen, und darin ging sie wie selbstverständlich auf, und sein Vater behandelte sie stets sehr höflich und mit freundlichem Respekt und hörte auf ihren Rat.

      Als sie vergangenes Jahr im Herbst das Kloster besuchten, war ihm mit großer Plötzlichkeit etwas klar geworden, was er zu Hause nicht hatte lernen können und was ihm auch in anderen Familien gewöhnlich verborgen geblieben war, wie sehr sich Frauen nämlich doch zu fügen und unterzuordnen hatten. Er hätte nie gedacht, dass es zwischen Mann und Frau derartige Unterschiede in Rang, Bedeutung und Ansehen geben könnte.

      Sein Vater hatte mit dem Abt eine private Führung vereinbart, nur für seine Frau, seinen Sohn und ihn selbst. Ihr Führer, ein gelehrter Pater, der sich als höchst sachkundig erwiesen hatte, war ihnen im Klosterhof entgegengekommen, und Herkommer, der schon ausgestiegen war, hatte sofort erkannt, dass da besondere Höflichkeit angebracht war, und hatte, als der Pater auf den Wagen zuging, stramm gegrüßt, die gestreckte rechte Hand mit den Fingerspitzen am Schild seiner Chauffeurmütze.

      Der Pater hatte ihnen dann mit großem Engagement die Geschichte des Klosters anhand der Bauten erklärt und vor allem die Kunstschätze im Magazin gezeigt, wovon Viktor freilich nur das Wenigste verstanden hatte.

      In einem Raum aber war sein Interesse erwacht, dort war ein ganzer Korb mit dem Geld aus den Klingelbeuteln und Opferstöcken gestanden – große und kleine Münzen, neue und abgegriffene, gültige und fremdländische, Spielgeld und Falschgeld, und auch ein paar Hosenknöpfe und Garderobemarken waren darunter. Ein Frater hatte mit einem ratternden Apparat die Münzen sortiert und gezählt, die dann automatisch in wohlgeordnete Rollen verschiedener Dicke zusammengestellt und in blaues Papier eingeschlagen wurden. Da war Viktor ihre festliche Silvestertafel zu Hause in den Sinn gekommen. An jedem Platz war eine kleine Süßigkeit gelegen, und an seinem war das ein Schokolademännchen in tiefer Hocke gewesen, aus dessen rosigem Hinterteil eine Münze hervorgetreten ist. So etwas Ähnliches musste sein Vater gemeint haben, als er neulich auf dem Jahrmarkt, um die Begehrlichkeit des Söhnchen zu dämpfen, lachend geschimpft hatte, ob Viktor denn wohl dächte, dass er ein Geldscheißerle besäße. Viktor blickte auf die Öffnung der Maschine, aus der sich die sortierten Münzen, zu festen Rollen zusammengepackt, in beachtlichem Tempo herausschoben.

      Während der Pater immer noch referierte, über das durchschnittliche Spendenaufkommen, die Spendenverwendung und überhaupt über die wechselhafte ökonomische Entwicklung des Klosters in den letzten Jahrhunderten, war Viktor mit dem Mund ganz nah an das Ohr seiner Mutter herangekommen und hatte sie voller Erstaunen leise gefragt:

      „Mama, ist das ein Geldscheißerle?“

      „Pst!“, hatte da seine Mutter bloß gesagt, und im gleichen Augenblick hatte der Pater, der mit seinen wirtschaftlichen Erörterungen am Ende war, mit entschlossenem Blick zu ihnen hergeschaut und in strengem Ton gesagt:

      „Ich muss Sie bitten, gnädige Frau, ich muss Sie nun leider bitten, hier zurückzubleiben. Nur Ihr Herr Gemahl und Ihr Sohn werden mir jetzt folgen, Frauen dürfen die nun folgenden Gebäudeteile nicht betreten. Wir werden Sie nachher hier wieder aufnehmen.“

      Viktor hatte im ersten Augenblicke befürchtet, der plötzliche Zuruf sei eine Rüge wegen des Tuschelns mit seiner Mutter, der Pater hatte ja so streng zu ihnen her geblickt, aber nein: Frauen durften nicht weiter mit hinein ins Kloster!

      Tante Georgette hätte damals wahrscheinlich auch zurückbleiben müssen, wenn sie

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