Den Oridongo hinauf. Ingvar Ambjørnsen

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Den Oridongo hinauf - Ingvar Ambjørnsen страница 11

Автор:
Серия:
Издательство:
Den Oridongo hinauf - Ingvar Ambjørnsen

Скачать книгу

Warum konnte ich nicht einfach sagen, dass ich mir die Sache erst überlegen müsste? Und musste ich denn wirklich auf den Hof hinausstürzen?

      Also sage ich jetzt zu Berit, dass ich ein paar Runden mit mir selbst drehen muss, dass ich aber die Anfrage, die Ellen an mich hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach mit ja beantworten werde.

       4

      Ich bin in deine Fußstapfen getreten, dort, wo du den Pfad verlassen hast, Magne, so war das. Daran denke ich jedesmal, wenn ich auf den Gang hinausgehe und deine Windjacke anziehe, die noch immer, Jahre, nachdem du von uns gegangen bist, nach Drehtabak und Wald riecht, und ich denke auch sonst oft daran, daran, dass ich da weitergemacht habe, wo du passen musstest. Und niemand weiß und niemand soll es jemals erfahren, dass ich immer wieder diese Gespräche mit dir führe, genauer gesagt, dass ich hier mit dir spreche, während ich zugleich auf die Stille des Todes lausche. Aber das ist eine geladene Stille, wie dann, wenn man in der vollkommenen Dunkelheit dasteht und die Nähe eines anderen spürt, ich glaube, dich nahe bei der Grenze der Lebenden zu ahnen, und manchmal, zum Beispiel, wenn ich deine Jacke anziehe, habe ich das Gefühl, dich zugleich über die Grenze und hinein ins Leben zu ziehen. Dann scheint ein Teil von mir zu dir zu werden, und zusammen gehen wir die Treppe hoch, wie jetzt, wir schieben einen Priem ein und überqueren den Hofplatz, und meine Hand ist fremd und vertraut zugleich, wenn die Finger den alten gelben Schalter draußen im Holzschuppen umlegen und das scharfe Licht über den Holzhaufen fällt, den Reinert von Neset gebracht hat, den er vom Lastwagen geschoben hat, das Holz, das du und ich, zwei Hände, gleich stapeln werden. Und bei dieser Arbeit bin ich ganz und gar bei dir, so, wie du auch hier bei mir bist, wir sind in Dem Einen, dem verschlossenen Raum, der nur für uns wirklich ist, und den ich deshalb auch ihr gegenüber verschweige, ja, gerade ihr gegenüber, denn das könnte Unruhe erregen. Und die Holzscheite sollen dicht und gleichmäßig liegen, wie wir das ohne Worte oder Gebärden beschlossen haben, es ist einfach so, dass wir mit vorsichtigen Hammerschlägen bei jeder zweiten Reihe, die wir legen, die Platzierung jedes einzelnen Holzscheites korrigieren, nicht nach der ersten Reihe oder zum Beispiel, wenn die dritte Reihe gelegt ist, sondern nach der zweiten. Ich weiß, dass du nicht gewollt hast, dass sie hier oben allein wäre. Sie hat mir alles erzählt, was du darüber gesagt hast. Zuerst in den Briefen, die ich bekommen habe, als ich den Oridongo hinauffuhr, später am Küchentisch in der Dämmerstunde, sie hat gesagt und geschrieben, dass du es so gewollt hättest, und ich habe gedacht und gespürt, dass es der Wille eines starken und großzügigen Mannes ist, in den ich auf seltsame Weise hineingezogen worden bin, es lag voll und ganz außerhalb meiner Fassenskraft, dass so etwas passieren könnte. Aber du hast diese Möglichkeit erfasst, als du spürtest, wie deine Kräfte aus dir heraus und in etwas anderes hineinsickerten, du hast meine Anwesenheit irgendwo dort draußen gespürt, ohne Namen und ohne Gesicht, und das passte mir doch nur zu gut, wo ich dabei war, mich von beidem zu befreien, an einem anderen Ort ein anderer zu werden. Und wie ich dir schon so oft erzählt, nein, dir anvertraut habe, so habe ich mich auch ihr anvertraut: Ich hatte mich schon längst damit abgefunden, den Rest des Weges allein gehen zu müssen, in mir gab es keinen Traum mehr von einer Frau aus Fleisch und Blut.

      Ich arbeite bis kurz nach neun. Es ist ganz dunkel draußen, als ich die Tür des Holzschuppens hinter mir schließe. Nur das Hoflicht über den ausgetretenen Treppenstufen, das große Stück Mauer, Zement und Muschelkalk. Und es ist so still, nein, es ist nicht still, denn hier sind Wind und Meer, die Wellen, die schlagen; kann man sagen, dass die Stille so klingt? Irgendwo habe ich gelesen, dass die Toten im Wind leben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das stimmen kann, aber wenn ich mir die Kapuze über den Kopf ziehe, ist es dennoch ein verlockender Gedanke, eben, dass die Toten, meine Ahnen und du, mir hier über den glatten Schädel streichen, über die nackte Haut, und hussa, wie der Nordwind weiter die Küste hochjagt, die Toten jagen die Toten, ein gewaltiges Spiel!

      Wieder sehe ich den Saal im Gemeindehaus drüben in Laugen vor mir. Wie er sich langsam füllt. Die Autos, die auf den Parkplatz fahren. Die Abgase über den roten Bremslichtern. Alle, die zu Fuß kommen, allein oder in kleinen Gruppen. Sie sind Schatten in der Dunkelheit, aber wenn sie ins Licht und den Dampf des frisch aufgebrühten Kaffees treten, bekommen sie Gesichter und Namen, ich kann sie erkennen, und offenbar erkennen sie auch mich, als ich hier mit einer Tasse Kaffee bei Ellen Svendsen stehe, möglicherweise mit einem Glas Wein oben auf der Bühne in leisem Gespräch darüber, was gleich passieren wird, möglicherweise diskutieren wir die eigentliche Richtung des Interviews, wie soll Ellen die Gewichte verteilen, es kann sein, dass wir uns darüber einigen, das Positive zu betonen, Möglichkeiten und Visionen für die Zukunft, und ihre Hände gestikulieren in der Luft, wie das ihre Angewohnheit ist, ich lächele zustimmend und nicke ab und zu.

      Himmel, ist das nicht Ulf Vågsvik da oben? Wer? Der, der mit Ellen Svendsen zusammen auf der Bühne steht? Der mit dem Weinglas? Ja, der soll offenbar eine Art Vortrag halten. Vortrag? Ulf Vågsvik? Lachen.

      Ja, lacht ihr nur. Wartet nur, bis Ellen und ich uns warm geredet haben, wartet nur, bis ich zu Bendik Haga komme und vorschlage, seine Person unter Denkmalschutz zu stellen, wartet nur, bis ich dazu aufrufe, dass wir uns als Schutzmauer um ihn aufstellen, den wir in früheren Zeiten zurückgeblieben genannt haben, den wir heutzutage aber lieber als alternative Kraftquelle bezeichnen, als einen, dessen Fähigkeiten an unerwarteten Stellen und zu unerwarteten Zeitpunkten keimen. Lasst uns alles bewahren, das anders ist, den, der mit seinem Bus gefahren kommt, mit etwas weniger Gepäck als wir anderen, die ohnehin Privatwagen oder Moped fahren, denn ohne diese, die Kleinsten unter uns, legt sich eine kühle Hand über die Gesellschaft, dann stirbt die Vielfalt, ja, genauso werde ich ihnen etwas vorheucheln.

      Kann ich mit Anders Vagles kläffendem Lachen rechnen?

      Ich glaube schon.

      Wir nehmen jetzt das Fahrrad, Magne. Nicht das Moped, sondern den alten Drahtesel, den ich nach allen Regeln der Kunst geschmiert und geölt habe, das Rad, mit dem du mit Berit auf Tour gefahren bist, als ihr noch jung wart. Es gibt ein Bild, das weißt du sicher, wo du so kess auf dem Sattel sitzt und Berit nicht weniger kess auf der Stange (wie man sagt), sie sitzt schräg über der Stange, und beide lächeln in die Kamera, das Foto ist unten am Fähranleger in Laugen aufgenommen worden, im Hintergrund kommt oder geht die Fähre, und du trägst einen Anorak und sie eine Strickjacke, und ihr lacht und seid jung, ich habe versucht auszurechnen, wo ich selbst damals war, wer ich war, aber das hat nichts genutzt, ich muss mir damals fremd gewesen sein, ein Ich, das ich nicht mehr erreichen kann. Ja, wir nehmen jetzt das Fahrrad, wir holen es hinter der Scheune, wo es am Schleifstein lehnt, und ich schiebe es vorsichtig auf die Straße, das ist nicht nötig, ich fahre, wo ich will, und wann ich will, sie mischt sich da nicht ein, es ist nicht so, dass ich mich vor ihr versteckte, ihr etwas vorenthielte, aber ich bin eben immer behutsam, das ist meine Natur. Sie könnte sich Sorgen machen, wenn sie wüsste, dass ich jetzt in der herbstlichen Dunkelheit losfahre, ohne Licht. Denn das ist meine neue Angewohnheit, genauer gesagt, eine davon. Ich fahre in der Dunkelheit von Abend und Nacht, ohne ein anderes Licht als das, was von Mond und Sternen geliefert wird, als Schatten unter anderen Schatten, tagsüber, auf dem dreirädrigen Moped, und nach Anbruch der Dunkelheit – als nächtlicher Ritter. Das ist nicht gefährlich. Ich kenne den Weg. Ich kann ihn auswendig, und es ist hier oben auf der Insel ja auch so, dass die Autoscheinwerfer auf mehrere Hundert Meter Entfernung gesehen werden können, es ist ein Kinderspiel, rechtzeitig abzusteigen, von der Fahrbahn zu gehen und stehen zu bleiben, während Fremde und Bekannte an mir vorüberjagen, ohne zu wissen, dass ich dort stehe. Aber das kommt nach halb zehn Uhr abends nicht oft vor. Ich habe mir diese Uhrzeit gemerkt, dann wird der Verkehr offenbar eingestellt, dann muss niemand an der Fähre oder von irgendwelchen Aktivitäten abgeholt werden, dann gehen die ersten Frühaufsteher zu Bett, während der Rest sich vor den Fernsehschirmen versammelt, oder sie sind im Internet unterwegs, auf der Suche nach immer mehr Information, Aktualität, oder einer Gemeinschaft, sei sie nun sexuell oder geistig, sie pflegen ihre mehr oder minder obskuren Interessen, und für mich ist das alles nichts, ich bin von einer anderen Art, ich denke so gut, wenn ich durch die Dunkelheit strampele, auf diesem Fahrrad,

Скачать книгу