Den Oridongo hinauf. Ingvar Ambjørnsen

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Den Oridongo hinauf - Ingvar Ambjørnsen

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Arne schon am Vortag herausgeschlagen, damit sie jetzt nicht platzen und uns bei der Arbeit verletzen können, aber Ellen und ich geben ihm zu verstehen, dass wir verstehen, dass wir wissen, dass er, der erwachsene Mann, am Vortag hier oben im ersten Stock war und den Knaben gespielt hat. Er hat die Fenster herausgeschlagen, sagt er, und bei ihm hört sich das an wie eine schwere Arbeit, die er mit gewissem Widerwillen ausführen musste, mit einer in Sackleinen gewickelten Axt, aber ich bin wohl kaum der Einzige, der sich vorstellt, wie er da steht und mit halb ersticktem Gebrüll mit einem Ziegelstein aus dem Haufen auf dem Hofplatz die Fenster einwirft. Jedenfalls bin ich nicht der Einzige, der grinst, als er seine verlogene Darstellung der Ereignisse bringt. Auch Ellen grinst, und es ist durchaus auch möglich, dass sie mir ein wenig zuzwinkert, als sie sagt, es sei ja doch traurig, dass er gerade diese Arbeit allein verrichten musste. Sie haben jedenfalls wieder zueinandergefunden. Ellen und Arne Svendsen. Es war ein Sommer voller Beschimpfungen und Eifersucht, darüber sind sich alle im Klaren. Aber jetzt hat sie beschlossen, ihn doch nicht zu verlassen, und das trotz vieler Dinge. Ist ein bisschen jähzornig, dieser Arne. Ein bisschen kleinlich und ungerecht. Aber wie Berit sagt: Wir haben alle unsere Eigenheiten. Was ich zu bestätigen gelernt habe. Außerdem kann niemand etwas anderes behaupten, als dass Arne Svendsen ein tüchtiger Arbeitsmann ist, und ein guter Vater für seine Kinder. Knauserig ist er auch nicht, wenn er erst einmal Geld hat. Es ist allgemein bekannt, dass er Reinert von Neset bei der neuen Scheune geholfen hat, als die Bank sich weigerte. Jetzt ist er die eigentliche Triebkraft, das Alphamännchen in der Arbeitsgruppe, die aus dem alten Schulgebäude das machen soll, was wir allesamt das Holländerhaus nennen. Wenn ich mich nicht sehr irre, und das tue ich nicht, denn so hat Arne es beschlossen, reißen und zerren wir jetzt am Fensterrahmen dessen, was zum Schlafzimmer der »Klerke« werden soll. Horst und Evelyn van der Klerk, die zusammen mit ihren Kindern dort unten sitzen, mehrere Meter unter dem Meeresspiegel, und die von einem neuen Dasein hier oben an der wilden Küste träumen. Das hier soll unser Willkommensgeschenk für sie sein. Neues Dach und neue Fenster. Und der erste Anstrich. Mit dem Rest können sie dann selbst herumpusseln.

      Mit einem schnarrenden Geräusch versinkt der Fensterrahmen draußen im Nichts, und als wir noch einmal drücken, knallt er zwischen die Brennnesseln beim alten Brunnen und schlägt eine Senke in den Boden.

      Rauchpause. Ich schiebe einen General ein. Arne dreht sich eine Rødmix. Ellen läuft Thermoskanne und Tassen holen.

      Arne zeigt und erklärt, während er in regelmäßigen Abständen den Rauch tief in die Lunge zieht. So. Auf diese Weise. Flaschenzug. Seile.

      Wir wollen das neue Fenster hochhieven und den Rahmen mit Holzkeilen an der Wand befestigen. Und alles soll ganz gerade und richtig sein. Das ist unsere Aufgabe für heute.

      »Dann gehen wir zum Vögeln nach Hause.«

      Solches Gerede mag ich nicht. Ich finde es unreif und albern. Der erwachsene Mann. Vater von zwei kleinen Kindern. Rennt durch die Gegend, schlägt Fenster ein und redet Dreck. Aber ich habe zu schweigen gelernt. Habe viele Jahre Erfahrung damit zu schweigen, wenn der Narr spricht. Um es mal so zu sagen. Ich lächele tabakschwarz und tue irgendwie.

      Ellen bringt den Kaffee.

      Und schnorrt von mir einen Priem.

      Gar nicht so schlecht, denke ich. Das ist wirklich gar nicht so schlecht.

      »Das ist eine seltsame Vorstellung«, sagt sie. »Hier sind wir zur Schule gegangen. Nicht wahr, Arne?«

      »Ja, das ist schon seltsam«, sagt Arne. »Was denn eigentlich?«

      »Die Lehrerin hat hier oben im ersten Stock gewohnt«, sagt Ellen zur Erklärung zu mir. »Die alte Frau Adamsen.«

      Dann sprechen sie ein wenig darüber. Er ist nicht mehr mürrisch und folgt ihr durch die Allee der Erinnerungen. Die alte Frau Adamsen kam aus Molde und war natürlich überhaupt nicht alt, nur waren sie selbst eben so klein. Und so weiter, auf die Tour. Was ist aus dem und der geworden? Und jetzt. Genauer gesagt, bald. Die Niederländer. Hier. Oder die Holländer.

      »Denen wird es hier gut gehen«, sagt Ellen und bläst auf ihren heißen Kaffee. »Platz. Frische Luft. Stellt euch doch den Unterschied zwischen einem Vorort von Rotterdam und dem hier vor!«

      »Und kein einziger Muslim«, sagt Arne. »So weit das Auge reicht.«

      Wir wiehern.

      »Bringen wir das Fenster an Ort und Stelle!« Arne stellt seine Kaffeetasse auf den Boden und schnippt die Kippe durch das Loch in der Wand.

      »Vorsichtig«, sagt Ellen. »Es ist so trocken. Nein, schaut mal!«

      Wo vorher das Fenster war, klafft jetzt eine offene Wunde. Ein Spalt zwischen Täfelung und der getäfelten Wand. Ellen zieht eine vergilbte alte Zeitung hervor. Es ist eine Lokalzeitung von 1937. Die Lokalzeitung, die es nicht mehr gibt. Und hier stehen wir und lesen über eine Zeit, die es auch nicht mehr gibt.

      »Wir rahmen die Titelseite ein«, schlägt Ellen vor, nein, sie befiehlt es.

      Ein großartiges Geschenk für die Klerke.

       3

      Ich bewundere ihre Hände. Ich sitze am Küchentisch und sehe Berits Hände bei ruhiger Arbeit, und es ist ein schöner Anblick, ich kann nicht genug davon bekommen. Ich sehe, wie sie eine graue Locke wegstreicht, die vor ihr rechtes Auge gefallen ist, ein schlanker Zeigefinger, der die graue Locke hinter ihr Ohr schiebt, ehe sie mit beiden Händen den Topf von der Platte hebt und das Wasser von den Kartoffeln gießt. Sie stellt den Topf auf das abgenutzte Brettchen auf dem Tisch. Dann zieht sie den Fisch aus dem dampfenden Wasser, und die Möhren, die ganze Zeit sind diese soliden Arbeitshände in Bewegung, rot von Wasser und Spülmittel, aber zugleich elegant, schlank und stark. Das sage ich ihr. Ich sage, dass ihre Hände schön sind.

      »Die rechte ist ein bisschen unzuverlässig, nach dem, was geschehen ist.«

      »Her damit.«

      Sie reicht mir die Hand. Steht vor mir und lächelt auf mich herab.

      Ich nehme ihre Hand zwischen meine Hände. Blase durch eine kleine Höhlenöffnung zwischen den Daumen. »Du darfst sie nicht im Stich lassen«, sage ich. »Verstehst du das?«

      Sie lacht. »Iss jetzt. Wie war es heute da oben?«

      »Es hätte wohl besser und schlechter sein können.«

      Sie schaut mich fragend an.

      »Wir konnten das große Fenster oben auswechseln. Arne wollte es um jeden Preis die enge Treppe hochtragen, aber das konnte ich ihm zum Glück ausreden. Das hätte seinen Rücken erledigt.«

      »Stimmt was nicht mit Arnes Rücken?«

      Wir greifen zu. Ich lasse das mit Arnes Rücken erst einmal auf sich beruhen. Als sei mir etwas herausgerutscht, das ich für mich hätte behalten müssen.

      Geräucherter Schellfisch. Das dampfende gelbweiße Fleisch. Perlmutt. Der Rauchgeruch. Gekochte mehlige Kartoffeln, auch sie duften. Zerlassene Butter. Knallrote Möhrenwürfel. Und dann Salz. Das gesegnete Salz. Ein heiliges Stück Alltagsnorwegen, denke ich, und dann denke ich weiter an all den Unfug, mit dem Zeitungen und Illustrierte gefüllt sind, die vielen krankhaften gastronomischen Bocksprünge, die versnobten Auslandswörter und die fremden Gewürze, ich denke an französische Bauernhofhähnchen mit Boladaise, gefüllt mit Zitronengras und sonnengetrockneten Trüffeln

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