Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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ließ sich auf einem Stuhl nieder. Kurz schwieg er, weil er wohl erwartete, dass ich etwas sagte. Doch ich blieb stumm. Franco sog geräuschvoll die Luft ein und strich sich über den Schnauzbart.

      „Warum hab ich dich nicht einfach über Bord geworfen?“, knurrte er. „Mmh? Was denkst du, Bursche?“

      Ich schwieg.

      „Die Männer, die du getötet hast, gehörten zu niemandem. Dein Glück. Es hätte auch anders kommen können. Hättest du diese Saminthi getötet, hätte das einen Bandenkrieg ausgelöst. Also, warum habe ich dich am Leben gelassen?“ Er strich sich erneut über den Schnauzbart. „Man hat mir berichtet, dass du kämpfst wie ein Dämon. Sogar Saminthi hatte Respekt vor dir. Du bist ein wertvoller Kämpfer, Godric. In dir schlummert eine Bestie, aber wenn du sie nicht zähmen kannst, muss ich dich töten.“ Er erhob sich. „Unser Deal steht noch. Zwei Opfer habe ich gut. Danach stehst du unter meinem Schutz.“ Franco verließ das Zimmer. Ich schwang die Beine über die Bettkante und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. Es war nur noch wenige Millimeter lang. Jemand hatte es abrasiert.

      Ich dachte an den Traum. Es war, wie Limbania gesagt hatte. Ich wusste noch, dass ich ein Leben vor dem Unterrumpf gehabt hatte. Dass ich und meine Schwester von Rico Fonti ausgebildet worden waren, dass wir beim Überfall der Piraten voneinander getrennt worden waren, und dass ich eine lange Zeit im Unterrumpf verbracht hatte. Dass mein Name … wie lautete er? Ich griff in die Hosentasche, als glaubte ich, ihn dort zu finden, und fand stattdessen meinen Siegelring. Ich betrachtete die Initialen – GE – und die Erinnerung fand mich. Ich steckte mir den Ring an den kleinen Finger, wie um sicherzustellen, dass ich den Namen nicht wieder vergaß.

      Ich erinnerte mich nicht mehr an das, was Fonti mich gelehrt hatte. Ebenso wenig an den Schrecken des Unterrumpfes. Und das Verlangen nach Perl … es war fort.

      Francos Aufträge ließen nicht lange auf sich warten. Ich tötete die Männer und wurde offiziell Mitglied seiner Bande. Ich erhielt weitere Aufträge, und angesichts meines Erfolgs fand Franco zunehmend Gefallen an mir. Er schrieb die Namen derer, die ich töten sollte, auf einen Zettel und nagelte diesen an eine Tür. Bald wusste jeder: Stand jemandes Namen auf diesem Zettel, blieb ihm nicht mehr viel Zeit. Ich wurde zur meist gehassten Person an Bord der Swimming Island.

      „Nehmt euch vor diesem Malaka in Acht“, hörte ich Sam sagen. Doch weder Furcht ließ ihren Blick gefrieren, noch Hass ihre Augen glühen. Sie respektierte mich.

      Ich schlief immer woanders. Meist unter freiem Himmel. In einer Hängematte hoch oben im Takelwerk, auf dem Dach eines Schiffsaufbaus oder zwischen einem Stapel verrottender Kisten. An kalten Tagen zog ich mich ins Schiffsinnere zurück. Zweimal versuchte man, mich im Schlaf zu ermorden. Beide Male weckte mich mein Instinkt, und ich vergalt den Mördern den Versuch mit gleicher Münze – nur erfolgreicher. Danach ließ man mich in Ruhe.

      Nur einmal gelang es jemandem, sich mir zu nähern, ohne dass ich es bemerkte. Ich lag auf dem Dach eines Deckaufbaus und blickte zum Himmel. Unter mir zechten und sangen die Piraten. Als ich die Sterne sah, passierte es: Eine Erinnerung fand mich. Ich erinnerte mich an die Namen der Sternenbilder. Tyrs Augen, Stahl, Einar … und natürlich die zwölf Wächter. Aber etwas war merkwürdig. Da waren nur elf. Ich zählte ein zweites Mal.

      „Du bist so ruhig.“ Ruckartig setzte ich mich auf. Es war Sam. „Du sprichst kaum, du betrinkst dich nicht und bist am liebsten allein. Ich hingegen bin laut und ungeduldig, aber wenn ich dich nur ansehe, werde ich selbst ruhiger.“ Sie legte sich neben mich und blickte zum Himmel. „Was siehst du?“

      Ich zögerte einen Moment. Dann kam ich zum Schluss, dass sie mir nichts Böses wollte. Ich ließ mich zurücksinken, so nahe neben sie, dass mein Kopf auf ihrem blonden Haar ruhte.

      „Kennst du die Sternenbilder der Norvolken?“, fragte ich.

      „Nein.“

      Ich deutete zum Himmel. „Das sind Tyrs Augen. Er sucht nach Lotin, um ihn zu verbannen. Dort ist Stahl, der sich nach seiner Schwester sehnt. Und diese sind die zwölf Wächter.“ Aber es waren nur elf.

      „Was bewachen sie?“

      „Ich … erinnere mich nicht.“ Waren es vielleicht schon immer elf gewesen? Täuschte mich meine Erinnerung?

      Sam stellte keine weitere Frage. Sie holte eine Zigarette hervor und reichte sie mir nach dem ersten Zug. Als wir sie aufgeraucht hatten, ging sie ohne ein Wort des Abschieds.

      Nachdem die Swimming Island die Vulkaninsel verlassen hatte, dauerte es mehrere Viertel, ehe erneut Land in Sicht kam. Es war Dustrien. Das erste Ziel der Piraten war South Harrow, eine Hafenstadt. Es sollte nicht oft vorkommen, dass jemand Widerstand gegen Black Raven leistete, aber die Verteidigung von South Harrow war bestens gerüstet und der Offizier hatte offenbar Befehle. So sah ich, wie die Piraten kämpften, und begriff, warum gegen sie kein Kraut gewachsen war.

      Zunächst war da das Schiff mit mehr als sechzig Kanonen je back- und steuerbordseitig. Sobald die Artillerie ihr Zerstörungswerk verrichtet hatte, gingen die Piraten an Land. Sie waren ein bunter Haufen und kamen wie eine Lawine über die Stadt. Schwarze, braune und weiße Menschen; Hünen, Krüppel und Zwerge. Sie kämpften mit exotischen Waffen, mit Beilen, Macheten und Katanas, Revolvern, Granaten und Flammenwerfern. Sie zogen ohne System in den Kampf und schlachteten ihre Feinde. Sie nahmen keine Rücksicht auf Verluste und töteten sich sogar gegenseitig.

      Lief ein Raubüberfall friedlich ab – was in aller Regel der Fall war – wurde die Beute unter den Bandenbossen aufgeteilt. Die Mächtigsten bekamen das meiste. Die Bosse wiederum bezahlten die Bandenmitglieder.

      Eskalierte ein Überfall wie in South Harrow, behielt jeder, was er erbeutete. Das war die Gelegenheit, sich zu bereichern, auch für mich. Trotzdem hielt ich mich zurück. Viele an Bord der Swimming Island trachteten mir nach dem Leben. Ich stand unter Francos Schutz, doch im Gefecht wäre schwer nachzuweisen, aus welcher Waffe die Kugel gestammt hatte. Während sich alle anderen auf die Soldaten stürzten, blutdurstig wie Wölfe, drang ich tiefer in die Hafenstadt vor. Ich gelangte vor ein Hotel, das vom Beschuss größtenteils verschont geblieben war. Kunstvolle Buchsbäume säumten den Weg zum Eingangsportal, Marmorsäulen verliehen dem Gebäude antike Anmut.

      Ich betrat das Foyer. Niemand war hier. Personal und Gäste waren geflohen oder versteckten sich irgendwo. Die Kassen hatte man mitgenommen. Ich durchquerte den Saal in der Hoffnung, etwas von Wert zu finden, da ertönte das metallene Klingen eines Säbels, der aus der Scheide gezogen wurde. Ich wandte mich um und sah mich einem bärtigen Adligen gegenüber. Er trug eine entschlossene Miene und deutete mit der Spitze seiner Waffe auf mich.

      „Gebt mir den Ring, den Ihr da tragt“, sagte er mit theatralischer Stimme. „Es ist nicht der Eure, Dieb.“

      Ich schnaubte. „Versuch nicht, den Helden zu spielen, Mann. Es ist meiner.“ In diesem Moment fand mich eine Erinnerung und mir wurde klar, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Jeder, der einen Siegelring wie ich besaß, war registriert. Wenn der Mann die Initialen gesehen hatte, kannte er meine Identität.

      „Lügner“, rief der Mann, fuchtelte mit dem Säbel und kam näher. Ich zog Chemos Machete. Die Wucht meines ersten Treffers entwaffnete den Mann, der für mich kaum ein Gegner war. Der zweite Schlag hinterließ einen so tiefen Schnitt in seiner Kehle, dass er ihn fast enthauptete. Der Mann starb in der Lache seines eigenen Blutes.

      Ich hörte ein Wimmern. Als ich mich umwandte, sah ich zwei Kinder, die hinterm Empfangstresen hervorlugten. Ein Junge von vielleicht zehn Jahren und ein jüngeres Mädchen, vermutlich seine Schwester. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte der Junge

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