Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens страница 25

Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

Скачать книгу

fragte Mario.

      „Lass nur, Mario. Er soll mitspielen.“ Mario schien nicht glücklich darüber zu sein, doch Sam winkte mich zu sich und bedeutete mir, neben ihr Platz zu nehmen. „Hast du schon mal Rapidez gespielt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Es ist ganz einfach. Ziel ist es, als erster deinen Kartenstapel abzulegen.“ Kurzerhand erklärte Sam mir dir Regeln. Es war wirklich nicht schwer. Hinzu kam, dass der Verlierer einen Kurzen irgendeines exotischen Schnapses aus Sams Heimat trinken musste. In der ersten Runde schlug ich mich gut. Die zweite gewann ich. Die dritte verlor ich. Jow schob mir das Glas zu.

      Ich hob abwehrend die Hand. Ich wollte einen klaren Kopf bewahren.

      „Wir teilen“, sagte Sam, leerte das Glas zur Hälfte und reichte es mir. Gehorsam trank ich den Rest. Indes mischte Mario die Karten. Jow und Bob stritten lautstark über die Regeln. Teena füllte das Glas.

      „Da, wo ich herkomme“, sagte Sam leise, „heißt es, teilt man Racó, teilt man ein Geheimnis. Was hast du über mich herausgefunden?“

      Ich sah ihr in die Augen. Worauf wollte sie hinaus? „Du bist eine gute Kämpferin.“

      „Das ist kein Geheimnis“, sagte Sam, während Mario die Karten austeilte und Bob und Jow anfuhr, endlich mit der Diskussion aufzuhören. „Was hast du über mich herausgefunden?“

      „Du magst mich.“ Die Worte waren heraus, ehe ich es verhindern konnte.

      Sam lachte und wechselte abrupt das Thema. „Er braucht einen anderen Haarschnitt. Hab ich Recht, Bob?“

      Der Hüne blickte auf und betrachtete mich. „Hast Recht. Sieht nicht gefährlich aus. Braucht dringend einen neuen Haar von Schnitt.“

      „Das heißt Haarschnitt, du Ochse“, meinte Jow.

      „Halt doch deine Boca, du Arsch von Gesicht.“ Jow verdrehte die Augen.

      Wir spielten weitere Runden. Immer häufiger erhellten Wetterleuchten den Himmel. Das Grollen wurde zu einem Donnern, der Wind stärker, und die ersten Tropfen fielen. Die Piraten packten ihre Sachen und zogen sich ins Innere des Schiffes zurück. Ich folgte wenig später, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Ich hatte so manche regnerische Nacht im Freien verbracht, aber bei einem Unwetter wie diesem war das Risiko zu groß, über Bord geworfen zu werden. Dann zog ich mich in eine der Schlupfkajüten zurück. Kaum hatte ich den Flur betreten, von dem aus die Schlafräume zu erreichen waren, vermisste ich den Himmel. Schummrige Gasleuchten an den Wänden spendeten als einziges Licht. Auf halber Höhe des Flurs öffnete sich eine Tür vor mir, und ich hörte Sams Stimme.

      „Ich schwöre dir, Jow, wenn morgen nichts mehr da ist, mache ich dich noch einen Kopf kürzer, als du ohnehin schon bist.“ Sie trat auf den Gang und bemerkte mich. Als sich unsere Blicke trafen, donnerte es lauter denn je, und Sam zuckte zusammen.

      Ich lächelte.

      Sam schürzte die Lippen und ging wortlos an mir vorbei, als wäre ihr die Sache peinlich. Als ich die Tür zu der Kajüte öffnete, rief sie meinen Namen. Ich wandte den Kopf. Auch sie stand vor der offenen Tür ihres Schlafraums. „Was du vorhin gesagt hast … richtig vermutet.“ Und sie verschwand in ihrer Kajüte.

      Auch ich kroch in die winzige Kammer und legte mich auf das Lager. Ihre Worte ließen mich vergessen, wie sehr ich die Enge dieses Ortes hasste. Mein Herz jubilierte. Zugleich verspürte ich ein anderes Gefühl. Es war Angst. Angst vor dem Tod. Denn mit Sam gab es wieder etwas, das das Leben lebenswert machte.

      Am Morgen klopfte ich an ihre Tür. „Da bist du ja“, sagte sie, als hätte sie auf mich gewartet. „Komm rein.“ Sie schloss die Tür hinter mir. Ihre Kajüte war deutlich größer als meine. Man konnte aufrecht stehen und es war genug Platz für einen Stuhl und einen winzigen Tisch. „Setz dich. Ich verpasse dir jetzt einen neuen Haarschnitt.“ Sie zückte eine Rasierklinge und stellte sich hinter mich. Ich überlegte, dass sie mir womöglich die Kehle durchschneiden wollte. Dann kam ich zu dem Entschluss, dass es das Risiko wert war.

      Sie schnitt mir nicht die Kehle durch. Mit Bedacht führte sie die Klinge über meine Kopfhaut und entfernte das dunkle Haar bis auf einen schmalen Streifen in der Mitte. Mit einer Schere kürzte sie das verbliebene Haar auf wenige Zentimeter Länge.

      „Nun bist du nicht nur gefährlich“, sagte sie, „sondern siehst auch so aus.“

      Sam weckte in mir den Wunsch, noch gefährlicher zu werden. Ich kaufte mir bei einem Waffenhändler verschiedene Schusswaffen und übte mich in ihrem Umgang. Ich schoss auf Flaschen und Dosen, später auf Möwen. Ihr kennt Federico Fibonacci? Er ist wohl der berühmteste Violinist der Welt. So sicher, wie er die Töne greift, so sicher lernte ich, mein Ziel zu treffen.

      Eines Tages erreichten wir Treedsgow. Noch immer hatte ich den Brief von Limbania. Zusammen mit den anderen Piraten ging ich an Land. Der Überfall lief friedlich ab. Man brachte den Piraten, was sie verlangten, und sie trugen es an Bord. Ich streifte indes durch den Hafen. Seit ich jenem Mädchen Diane in Schwarzwasserhafen Geld gegeben hatte, war viel Zeit vergangen. Ich schätzte zwei Jahre, war mir aber nicht sicher. An Bord der Swimming Island waren wir viele Monate lang auf hoher See gewesen. Ich hatte zusammen mit den Piraten die Küsten wärmerer Länder überfallen oder an Orten wie jener Vulkaninsel gelebt. Da verlor man leicht den Überblick über die Jahreszeiten und jegliches Zeitgefühl.

      Was mochte aus Diane geworden sein?

      Treedsgow war eine schöne Stadt. Selbst der Hafen war nobel. Es gab kaum Bettler. Die Straßen waren halbwegs sauber und entlang der Promenade reihten sich Straßenlaternen. Mein Blick fiel auf einen Jungen. Er mochte elf Jahre alt sein und stand in einer merkwürdigen Haltung da: Die Arme hingen in der Luft wie bei einer Marionette, die nicht gelenkt wurde, und er regte sich nicht. Als ich an ihm vorbeiging, wandte er sich jäh um. Seine Augen waren blau und wirkten leblos.

      „Godric End.“

      Ich blieb stehen und starrte ihn an. Hatte er mich erkannt? Trotz des struppigen Bartes, der inzwischen mein Gesicht beherrschte, und der neuen Frisur, die ich beibehielt, seit Sam sie mir verpasst hatte?

      „Du hast einen Brief für mich.“ Der Junge machte eine unbeholfene Geste, und erneut fühlte ich mich an eine Marionette erinnert. Ich bemerkte dünne rote Striemen an seinen Handgelenken. „Gib ihn mir.“

      Ich zog den Brief aus der Hosentasche. Der Junge streckte beide Hände danach aus, doch ich hielt ihn außerhalb seiner Reichweite.

      „Woher weiß ich, dass du der Adressat bist?“

      „Woher weiß ich sonst von dem Brief?“, fragte der Junge ungeduldig. Seine Stimme klang merkwürdig. Etwas zu tief für sein Alter. „Nun gib ihn mir.“ Ich reichte ihm den Brief, und der Junge klemmte ihn zwischen den Handflächen ein. Ohne ein weiteres Wort ging er davon. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Art, wie er einen Fuß vor den anderen setzte, lustig oder unheimlich finden sollte.

      Es war ein paar Monate nach diesem Vorfall, da ich einen merkwürdigen Traum hatte. Es war eine kalte Winternacht, und ich schlief in meiner Schlupfkajüte. Ich träumte, dass eine leise Melodie mich weckte. Sie drang deutlich an meine Ohren, als säße jemand hier, in meiner Kajüte, und ließe seine Trauer Musik werden.

      Ich verließ den Schlafraum und trat ins Freie. Die Swimming Island war gestrandet. Sie befand sich in Schräglage am Fuß einer Steilklippe. Es schien, als sei eine halbe Ewigkeit vergangen, seit sie hier ihr Ende gefunden hatte. Die Segel hingen in Fetzen von den Masten. Der

Скачать книгу