Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild. Carl Wilckens

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Dreizehn Band 1-3: Das Tagebuch / Die Anstalt / Das Spiegelbild - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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die Sterne. Im Schatten des Baumes saß ein Mann und spielte jene traurige Melodie. In seinem Rücken steckte ein Messer.

      Er blickte nicht auf, als ich mich näherte. Die Waffe steckte tief. Der Griff war schlicht, von einer einzelnen Diamantträne abgesehen, die wie das Mondlicht leuchtete.

      „Was ist passiert?“

      Blut tropfte aus dem Mundwinkel des Mannes auf den Korpus der Gitarre. „Du hast tausend Jahre geschlafen, Godric End.“

      „Wer hat das getan?“

      „Frage die Toten nicht.“ Ehe ich etwas erwidern konnte, fuhr der Mann fort. „Eibalan hat etwas für dich.“

      Ich blickte zu der Eiche. Eine Böe strich mir durchs Haar und trug den Geruch von Salz und Rost heran. Eibalans Laub raschelte.

       Komm zu mir.

      Ich trat näher. Zwischen den moosbewachsenen Wurzeln der Eiche fand ich ein Buch mit ledernem Einband. Als ich es nahm, beendete der Mann sein Spiel. Er blickte auf. Seine Pupillen waren milchig und er weinte Blut. „Die Zwölfte Stunde schlägt, Godric End. Es bleibt nicht viel Zeit.“

      Ich erwachte. In den Händen hielt ich das Buch. Eine geschlagene Minute, während der ich zu begreifen versuchte, ob ich wahrhaftig nicht mehr träumte, starrte ich den Ledereinband an. Es gab keine logische Erklärung dafür, wie ich in den Besitz gekommen war. Meine Tür war verschlossen. Die Kammer bis auf eine dünne Matratze leer. Es war unmöglich, dass jemand es vorher hier platziert hatte. Ich fuhr mit dem Finger über den Rand des Buchdeckels und wog es in der Hand, wie um mich zu vergewissern, dass es real war. Es war ein dünnes Buch ohne Titel. War es möglich, dass ich es aus dem Traum mitgenommen hatte? Ich klappte den Deckel auf, blätterte zur ersten Seite und las:

       Ich wohne jetzt seit fast einem Viertel hier: Treedsgow, Stadt des Wohlstands und der Naturwissenschaften …

      Treedsgow. Ich hatte Limbanias Brief dort abgegeben, Diane hatte davon gesprochen und jetzt wieder. Was hatte es mit dieser Stadt auf sich?

      Laute Stimmen und schnelles Fußgetrappel vor der Tür zerrissen die Leinwand meiner Gedanken. Ich legte das Buch beiseite und öffnete die Tür.

      „Was ist passiert?“, fragte ich einen vorbeieilenden Piraten.

      „Sam und Franco … angeblich kämpfen sie.“

      Ich runzelte die Stirn. Unmöglich. Das hätte einen Bandenkrieg ausgelöst, eine Schlacht an Bord der Swimming Island, so verheerend, dass Raven es nicht zulassen würde. Ich folgte den anderen. Schon auf halbem Wege hörte ich Sams aufgebrachte Stimme.

      „Wie lange sollen wir uns das noch gefallen lassen, Mario?“

      Marios Antwort klang drohend, war aber nicht zu verstehen. Ich betrat das Deck und schloss mich der Menge an, die sich um Franco, Mario und Sam gebildet hatte.

      „Das nennst du Waffenstillstand?“, empörte sich Sam. „Jorge ist nun der dritte unserer Männer, den er töten ließ.“

      „Wer hat etwas von einem Waffenstillstand gesagt?“, fragte Franco. Ruhig stand er da, die Hände in den Hosentaschen, und lächelte.

      Sam tat drei schnelle Schritte. Ihr Gesicht kam dem Francos so nahe, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. Ihr Haar wehte im Wind. „Du willst einen Krieg? Den kannst du haben!“

      „Genug.“ Marios Stimme schnitt durch die Luft wie eine Machete. „Jorge hat beim Kartenspiel beschissen. Er hat gewusst, welches Risiko er eingeht. Ich werde nicht wegen ein paar Liberty einen Bandenkrieg lostreten.“

      „Jorge hat nicht betrogen! Das weißt du ebenso gut wie ich. Franco dezimiert unsere Bande, weil er uns fürchtet.“

      „Ich sagte: genug!“

      „Das Meer soll dich holen!“ Sam wandte sich an Franco. „Ein weiterer Mord, Franco. Ein weiterer Mord an einem unserer Männer und, das schwöre ich, ich werde dich töten.“ Franco lächelte nicht mehr. Sam wandte sich um und stürmte davon. Der Bandenboss bleckte die Zähne. Seine Augen waren dunkel.

      Am nächsten Morgen erhielt ich einen Auftrag.

      Ich starrte auf den Namen, den Franco in krakeliger Schrift niedergeschrieben hatte.

       Saminthi.

      Seit sie mir gesagt hatte, dass sie mich mochte, und mir einen neuen Haarschnitt verpasst hatte, waren einige Monate vergangen. Doch ihre Worte hatten sich in mein Gedächtnis gebrannt. Was du vorhin gesagt hast … richtig vermutet. Wahrscheinlich erinnerte sie sich nicht einmal mehr daran. Ich zündete mir eine Zigarette an und starrte auf den Namen.

       Saminthi.

      Das einzige Mal, da ich gegen sie gekämpft hatte, hatte sie mich vorgeführt wie einen Anfänger. Damals war ich stark wie zehn gewesen, aber auch rasend vor Verlangen. Seither hatte ich viel dazugelernt.

       Saminthi.

      Wenn ich den Auftrag ablehnte, würde Franco mich büßen lassen. Seine Bande war in den vergangenen Jahren mächtig geworden. Ich warf die Zigarette fort, an der ich nur zwei Mal gezogen hatte. Sam musste sterben. Wozu mein Leben für sie riskieren? Ich bedeutete ihr ohnehin nichts.

      Ich brauchte Sam nicht zu beobachten, wie ich es für gewöhnlich mit meinen Opfern tat. Ich kannte ihre Gewohnheiten. Es gab nicht viele Dinge, die sie wiederholt tat, wohl um ein ebensolches Vorhaben wie meines zu unterbinden. Doch wenn sie aufgewühlt war, zog sie sich immer an denselben Ort zurück. Hunderte Male hatte ich sie dort zu den Sternen aufblicken sehen: am Heck des Schiffes auf dem Dach eines Schiffsaufbaus hinter dem letzten Schornstein.

      Auch an diesem Tag kam sie wieder hierher. Ein starker Wind wehte, und hohe Wellen brachen sich am Rumpf des Schiffes. Ich blieb im Verborgenen und betrachtete ihre kahle, mondbeschienene Gesichtshälfte. Meine Hand lag auf dem Griff der Pistole. Ich wartete auf den Befehl. Hunger, der mich aufforderte, es endlich zu tun. Aber zu hören war nur das Rauschen der Wellen. Der Wind blies kalt über meinen nackten Oberkörper.

       Worauf wartest du?

      Sam erhob sich. Seltsam. Für gewöhnlich blieb sie länger an diesem Ort. Vielleicht fror sie …

      Sie sprang von der Aufbaute und machte sich am Schloss einer Tür zu schaffen. Es klickte und sie verschwand im Innern. Still wie ein Schatten folgte ich ihr. Eine Treppe hinab und durch einen Gang. Gasleuchten an den Wänden spendeten schummriges Licht. Der Geruch von altem Leder, Papier und geborgenem Wissen hing in der Luft. Der Gang mündete in einen Saal. Auch hier gab es Gasleuchten. Mit Büchern gefüllte Regale reichten bis unter die Decke. Schnallen verhinderten, dass die Bände herausfielen oder gar die Regale umkippten. Auf einem Messingschild war der Name Hazlewood Industries eingeschlagen. Sam war nirgends zu sehen. Ich trat ein und betrachtete die Schnallen genau. Sie ließen sich über winzige Zylinder öffnen, die durch ein feines Netz aus Kupferrohren miteinander verbunden waren.

      Ein lauter Knall ertönte. Ich wirbelte herum. Hinter mir stand Sam. Sie hatte die Eisentür ins Schloss geworfen. Ihre Augen fixierten mich.

      „Hat Franco dich beauftragt, mich zu töten?“

      Ich antwortete nicht.

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